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Pia Reiser

Filmflimmern

24. 6. 2010 - 14:06

Frank Giering (1971-2010)

Der deutsche Schauspieler ist am 23. Juni 2010 in Berlin gestorben.

Meine erste Begegnung mit Frank Giering war an Eindruck und Imposanz nur schwer zu übertreffen. In Michael Hanekes "Funny Games" (1997) ist er einer der beiden Eindringlinge, die Angst und Terror über eine Familie bringen. Obwohl ich den Kinoabend mit häufig geschlossenen Augen verbracht hab (terrorversteinert, nicht müdigkeitsbedingt), blieb mir Frank Giering eindrucksvoll in Erinnerung. Und allen anderen auch. Zwar klingelts bei der Erwähnung seines Namens bei den wenigsten, erwähnt man aber "Funny Games" kommt die Gänsehaut auf Kommando. Er hatte eine Leinwandpräsenz im deutschen Kino, das sich so oft in Zurückhaltung übt, hinter Klamauk versteckt oder immer so bemüht die leisen Töne sucht. Die Schauspielschule hat Giering geschmissen, Haneke schließlich entdeckt ihn im Fernsehfilm "Der Verräter" und bringt ihn mit "Funny Games" auf die Kinoleinwand. Größere Bekannheit erreicht er mit "Absolute Giganten" an der Seite von Florian Lukas, kurz galt er als große Nachwuchshoffnung des deutschen Kinos.

Polyfilm

Mit Arno Frisch in "Funny Games"

Baader

Warum nicht mehr Regisseure Giering entdeckt haben, blieb mir immer ein Rätsel. Es folgten zahlreiche Fernsehfilme und Serien, doch im Kino blieben nicht nur die großen Rollen aus, sondern auch die wirklich großen Filme. Christoph Roths "Baader" ist leider auch mehr Popikonisierung von Andreas Baader als gelungene Auseinandersetzung mit der RAF. Trotzdem hab ich auch Gierings Baader heute noch in Erinnerung, während der Bleibtreu'sche Baader aus dem Karachofilm "Baader Meinhof Komplex" schon wieder entschwunden ist.

n24

Mit Vladim Glowa, Laura Tonke und Christopher Roth

Auf "Baader" folgt noch der mit seiner Theaterhaftigkeit leicht nervige "Die Nacht singt ihre Lieder" - danach gab es für ihn nur mehr Nebenrollen im Kino, im Fernsehen tauchte er regelmäßig auf, sowohl im "Tatort" als auch in eher fragwürdigen Produktionen wie "Lasko - die Faust Gottes". Der psychopathische Peter aus "Funny Games" hing ihm lange nach, immer wieder wurde er in Krimiserien als Täter besetzt. 2006 wechselte er die Fronten und spielte seither in der ZDF-Serie "Der Kriminalist" Kommissar Henry Weber.

Schüchtern und präsent

Doch egal, wie schlecht ein Film auch war, Frank Giering war nie schlecht. Die Melancholie, die ihn so zu zerbrechlich machen schien hatte er stets geschultert und kombiniert mit einer sehr starken körperlichen Präsenz. Er selbst fand sich stets zu fett, nahm 20 Kilo ab, wie er im Februar 2010 in einem Interview mit dem "Spiegel" erzählt. Giering gibt sich als Eingebrötler in dem Interview, er sei mit 29 von zu Hause ausgezogen, spreche kein Englisch, sei schüchtern und war noch nie im Internet. Bei jedem anderen würd ich das wahrscheinlich für Koketterie halten, Giering glaub ich sogar das."Zweimal wurde ich in meinem Leben von Frauen angesprochen, daraus wurden jeweils Beziehungen. Ich kann eben einfach nicht Nein sagen", so Giering im Spiegel-Interview.

Frank Giering in "Absolute Giganten"

UNiversum Film

"Absolute Giganten"

Wegen seinem Haaransatz, dem melancholischen Blick und der Fähigkeit, die Stirn Jimmy-Dean-gleich in Falten zu legen, hab ich mir immer einen Film mit Frank Giering gewünscht, der in den 50er Jahren spielt. Quietschbunt, vielleicht von Oskar Röhler. Giering als Rebell. Oder als Schlurf-Rocker. Szenen, die nur ihm gehören und in denen er schreien darf. Das konnte nämlich Giering ohne in die bühnenhafte Theatralik zu fallen, wie das andere deutsche Schauspieler gerne machen. Zu meinem erträumten Film wirds nicht mehr kommen. Frank Giering ist am 23. Juni 2010 im Alter von 38 Jahren an einer akuten Gallenkolik gestorben.