Erstellt am: 23. 6. 2010 - 16:53 Uhr
WM-Journal '10-49.
Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit (meist) einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.
Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, immer gegen Mittag.
Die analytische Preview zu Englands Befindlichkeit.
Und die nötige (politische) Nachbetrachtung zum Ausscheiden von Les Bleus samt News über neue Blödheiten.
Die Fakten zu den Spielen England - Slowenien 1:0 und USA- Algerien 1:0.
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Die dümmste Vorabmeldung zum Thema Slowenien kam (wie so oft) vom ÖFB-Teamchef. Der setzte nach der Frage, was Slowenien denn besser mache als Österreich, die schlecht gespielte Leidensmiene aus der Kleinen-Chef-Werbung auf und sagt dann, dass die im Barrage-Spiel gegen Russland doch nur Glück hatten. Um dann ein "das wird mir sicher negativ ausgelegt" nachzuschieben.
Ich würde nicht "negativ" sondern "realitätsfern" und "Themenverfehlung" sagen. Denn auch in so eine Barrage muss man halt erst einmal kommen.
Aber von den Denk-Verweigerern, Fehlrechnern und ganz kleinen Chefs zum richtigen Fußball - zu Slowenien, die sich gegen die angeschlagenen und mit der Todessehnsucht ihrer großen Dichter suhlenden englischen Nationalmannschaft auseinandersetzen müssen (denn wieder schau ich mir ein Einzelspiel an und verzichte auf die Konferenz mit USA - Algerien.
Denn nichts was dort passiert, kann das toppen, was hier und jetzt vom heute völlig in rot angetretenen Three-Lions-Team angestrengt werden muss.
Im englischen Camp hat sich zwar der dumpfe John Terry angemaßt den Thierry Henry zu machen, aber sein extrem lächerlicher Revolten-Versuch gegen Trainer Fabio Capello wurde durch eisernes Schweigen der Kollegen weggeputzt.
Und Terry spielt heute wohl nur, weil nach den Verletzungen von Ferdinand und King auch Carragher gesperrt ist und die Innenverteidigung Dawson (nachnominiert) und Upson (laaaangsam) noch mehr Grausbirnen aufsteigen lässt.
Kleine Chefs und ganz kleine Chefs
In jedem Fall beginnen Matjaz Keks Slowenen sehr überlegt. Sie haben im (personell unveränderten) Mittefeld umgestellt: Birsa (bislang zentral) spielt rechts, Radoslavljevic (bislang links) spielt zentral und Kirm (bislang rechts) spielt links.
Offenbar wollte man damit dem neuformierten englischen Mittelfeld begegnen. Da ist zwar Gerrard wieder halblinks aufgestellt (und nicht der von Terry geforderte Chelsea-Kumpel Joe Cole), allerdings spielt überraschend James Milner (und weder Lennon noch Wright-Phlipps) rechts draußen.
Und überraschenderweise ist dann just diese rechte Angriffsseite der Engländer der Knackpunkt. Glen Johnson und Milner setzen da gegen Kirm und Jovic hinter ihm deutlich durch, nicht nur weil das Tor über diese Seite fällt.
Dass das Defoe erzielt, der "echte" Stürmer, und nicht Rooney, der zwar vorderste Spitze in Englands wieder einmal hatschertem (Gerrard ist einfach kein linker Flügel) 4-4-2-System, hat eine gewisse Logik.
Slowenien lässt sich nach zehn guten Anfangs-Minuten überrollen, sieht dabei schwächer aus als gegen die USA in der zweiten Halbzeit, ähnlich lahm wie gegen Algerien. Und ja, Zwergen-Chef, die hatten bislang tatsächlich Glück in diesem Turnier: aber sie rechtfertigen ihr Hiersein mit einer taktisch sauberen Leistung und einer ihre Intelligenz bestätigenden Flexibilität; etwas was ein gutes Coaching-Team aus jeder Mannschaft rausholen könnte, wenn es zu einer eigenen Philosophie fähig wäre.
Zur Pause sind die Kek-Boys allerdings noch im Bewerb. Weil im Parallelspiel nichts passiert ist. Wird aber noch.
In der zweiten Halbzeit...
...setzen sich dann alle dramaturgischen Handlungs-Linien weiter fort, bis hin zu einem Crescendo-Finale.
England liefert seine bislang beste Leistung, erarbeitet sich Chancen, selbst Rooney erwacht zu Leben, man will das 2:0 zur Absicherung.
Und selbst der geforderte Joe Cole kommt - aber nicht für den linken Flügel, sondern als eine Art hängende Spitze - irgendwie eine Verhöhnung...
Die Rechnerei um den Aufstieg wird immer nagender: wenn England ein zweites Tor macht und Algerien in Führung geht, dann wären plötzlich die drinnen. Alles ist möglich.
Und deshalb riskiert Slowenien dann auch, kommt ab ca. der 65. Minute zurück und hat Chancen auf den Ausgleich. Eine Viertelstunde vor Schluss bringt Kek einen dritten Stürmer, stellt auf 4-3-3 um und in der 90. Minute gibt es eine Art Matchball, als ausgerechnet der schwache Upson dem Neuen, Matavz, im letzten Moment den Ball vom Fuß spitzelt.
Sekunden nach dem Abpfiff, der den ersten englischen Sieg und die erste slowenische Niederlage besiegelt, kommt aus dem anderen Stadion die Meldung, die ich oben mit "Wird aber noch" schon gesehen habe. Captain Donovan schafft nach zahlreichen Versuchen das Tor für die USA, in der Nachspielzeit.
Knapp und knäpper
Und auf einmal dreht sich alles. Statt 1-England und 2-Slowenien heißt es jetzt 1-USA und 2-England.
Die zwei Aufsteiger entsprechen zwar wenigstens meinem ursprünglichen Tipp - aber die Art des Zustandekommens war dann doch ein wenig unerwartet. Zum einen, weil sich England zwei-, ja dreimal so schwergetan hat. Zum anderen, weil die USA einiges an Pech (aberkannte Tore vor allem) hatten und umgekehrt die Slowenen einiges an Glück (in den ersten beiden Spielen zumindest).
Nur Algerien hat entsprochen: die waren - wie zu erwarten - immer knapp dabei, aber vor allem gegen Slowenien und die USA immer um einen Deut unterlegen.
Kann sich jetzt der kleine, nein, der unterirdische Chef wieder auf das Glück der so leicht vergleichbaren Slowenen ausreden?
Ja und nein.
Ja, weil ein alles verdrehender Populist klarerweise alles kann - auch mit der Vergesslichkeit seines auf Sprüche wartenden Publikums spekulieren.
Nein, weil das Glück den südlichen Nachbarn in der finalen Phase von Runde drei dezidiert verlassen hat.
Und, wie es der ORF-Kommentar ganz richtig gesagt hat: hätte Team Österreich diese Bilanz (1-1-1, 3:3 Tore) aufzuweisen, sich bis zuletzt auf den Aufstiegs-Rängen befunden - man würde vor Stolz platzen.
Trotzdem wird der ÖFB-Chefcoach jetzt aufatmen: endlich keine Fragen mehr, die ihn dazu veranlassen könnten aus der unreflektierten Rolle der Werbefigur rauskommen zu müssen. Die ist so bequem, da bleibt er jetzt nämlich für immer drinnen.