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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

22. 6. 2010 - 19:08

Digitaler Poptroubadour

James Yuill steht mit seinem zweiten Album im Auge des Elektropopsturms. Denn auf "Movement In A Storm" wird trotz härterer Gangart noch immer der Melancholie gefrönt.

"Nobody knows it but it's ture / I hate myself and I hate you too /
but I won't tell anyone / no I won't tell anyone..."

(James Yuill - "Give You Away")

Etwas düster schickt der eigentlich quirrlige James Yuill sein neues Album ins Rennen. Eine unterkühlte Synthiemelodie wird erst nach und nach von einem geraden Housebeat getragen, vereinzelt gesellen sich Hand-Claps und dezente Hi-Hat-Schläge dazu, bis Yuills Stimme die gewohnt melancholische Wärme verbreitet. Mit der dunklen Elektro-Ballade "Give You Away" scheint James gleich von Beginn an unsere Erwartungen auf "Movement In A Storm" zerstreuen zu wollen.

James: "Um ehrlich zu sein verspürte ich schon enormen Durck. Viele haben mein Debüt wirklich richtig abgefeiert. Wenn du dich hinsetzt um neue Songs zu machen ist es schwierig, das alles auszublenden und nicht für deine Fans oder für ein bestimmtes Radioformat zu schreiben. Vor allem wollte ich nicht anderen gefallen oder gar ein gefälliges Album abliefern."

James Yuill

James Yuill

Von zarter Folktronica zum breiten Elektropop

Über hundert Konzerte in sechzehn verschiedenen Ländern hat dem englischen Musiker sein Debüt Turning Down Water For Air beschert. Damals war der zart geknüpfte Soundteppich seines Schlafzimmerstudios noch mit kratzendem Gitarrenpicking und knarrenden Akkordwechseln durchzogen. Sehr intim entspinnte James Yuill damals seine Songs, die mit dezenter Elektronik und gefühlvollen Texten um die klassische Singer/Songwriter Strukturen herum aufgebaut wurden.

Im Gegensatz dazu überrascht das groovige und eingängige Gitarrensample von "Crying For Hollywood", dem zweiten Song auf "Movement In A Storm", das schon nach wenigen Sekunden mit einem treibenden Beat und flächigen Keyboardmelodien ein hypnotisches Dancefloorfeeling aufkommen lässt. Auch stimmlich begibt sich James hier auf neues Terrain, wirkt doch der Refrain von der Gesangsmelodie her wie eine recht ausladende Geste, einfach mitzutanzen und mitzusingen, etwas, was man in dieser Art von dem eher schüchtern wirkenden Folkliebhaber nicht gewohnt ist.

James Yuill Albumcover "Movement In A Storm"

James Yuill

James Yuills "Movement In A Storm" ist auf Moshi Moshi Records / Cooperative Music erschienen.

Die Verbeugungen vor seiner großen, musikalischen Liebe Nick Drake finden nur mehr selten statt, wie in dem insturmentalen, knisternden Lagerfeuerstück "Wild Goose At Night", das ganz ohne synthetische Sounds auskommt. Denn die Verschränkung der organischen und digital erzeugten Klänge ist definitiv zu Gunsten der heißlaufenden Festplatte ausgefallen. Ursprünglich war James Yuills Intention nämlich seine energetische Live-Performance ins Album einfließen zu lassen.

James: "Viele der Sounds habe ich live auf der Bühne entwickelt. Daher ist es für alle, die meine Show kennen vielleicht weniger überraschend, dass dieses Album ein wenig schneller und elektronischer klingt. Allerdings ist es nicht ganz so hart geworden wie ich eigentlich wollte. Das kommt daher, dass die Song, die ich auf der Gitarre geschrieben habe, einfach besser waren und mir nicht nach kürzester Zeit auf den Geist gegangen sind, wie manche Stücke, die ich aussschlißelich am Computer gemacht habe."

So sind es bei dem kommerziellsten Track "First In Line" die Gitarrensamples, die den Song eröffnen, durch die spärlich instrumentierte Strophe tragen und den Boden für den zuckersüßen Refrain bilden, der mit seiner quäkenden Kaugummiautomatenmelodie unweigerlich zum Schmunzeln anregt.

James Yuill

James Yuill

Schaufensterpuppen statt gebrochenen Herzen

Nicht nur musikalisch hat sich James Yuill verändert. Alleine die beschwerliche Lebenssituation, zwischen erdrückendem Alltagsberuf und kreativem Künstlerdasein hin und her zu switchen, hat sich für den jungen Engländer zum Positiven aufgelöst.

James: "Das war für mich auch eine neue Erfahrung. Ich war plötzlich sehr zufrieden mit meinem Leben, da ich endlich nur Musik machen konnte und in einer glücklichen Beziehung steckte. Es gab nichts, worüber ich mich beschweren konnte. Deshalb geht es auf diesem Album im Gegensatz zum Debüt nicht nur um gebrochene Herzen und unerwiderte Liebe, sondern auch um meinen ganz persönlichen Lebensalltag, meine Gedanken, die ich mir zu meiner Umwelt und meinen Mitmenschen mache."

Dass die textliche Seite von "Movement In A Storm" trotzdem nichts an Yuills gewohnter Intimität verloren hat, verdanken wir Songs wie der traurig-schönen Abschlusshymne "Taller Son", in der es um die familiäre Weitergabe von Einstellungen, Rollen und genetischem Erbmaterial geht. Was jetzt etwas befremdend und abstrakt klingen mag, erhält im Gewand des sich entspannt dahinrollenden Elektropopstücks eine sehr nachvollziehbare Gefühlsebene. Mit sphärischem weißen Vocoderrauschen, das wie der Chorgesang aus einer anderen Welt klingt, gibt James Yuill wieder ein Stück mehr von sich und seiner Innenwelt preis.

Einzig die kleinen Ecken und Kanten in Form der magischen Momente, in denen ungenau gespielte Gitarrenlinien, verhatschte Drummaschinegrooves und verrückt zwirbelnde Synthieeinsprengsel sich unter die Songstrukturen mischen, gehen auf "Movement In A Storm" manchmal ab. Diese lebendigen Ungenauigkeiten sind meist der perfektionierten Produktion gewichen, was wiederum den neuen Stücken den nötigen Soundglitzer und Glamourfaktor verleiht, den sie auch benötigen um zu funktionieren. Und bei all der dicken Popschicht, die James Yuill auf seine zarten Songs aufgetragen hat, bleibt genügend Raum für die essentielle nachdenkliche und melancholische Stimmung, dem Kernstück seiner Musik.

Und wie hervorragend diese neue Kombination aus gut produziertem, poppigem Elektrosound und sympatischer Folk-Nerdigkeit ineinandergreigfen und auf visueller Ebene zusätzlich verstärkt werden kann, beweist das grenzgeniale Video zu "On Your Own" von Ben Reed.