Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Joan Jett - The Original Rrriot Grrl."

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

20. 6. 2010 - 13:05

Joan Jett - The Original Rrriot Grrl.

Warten auf Joan Jett: The coolest woman in rock

  • Joan Jett im Interview: zu hören am Montag, 21. Juni 2010, im FM4 Heartbeat ab 22 Uhr

"At the frontlines of early punk, Joan Jett proved herself a relevation for all musicians who'd follow in her footsteps. Her art, attitude and DIY ethic influenced both rock and the industry that sells it." (Henry Rollins, 2008)

Runaways

Runaways

Ich gebe es zu, ich bin einzig und allein wegen Joan Jett zum Nova Rock gefahren. Ich habe keine Green Day Antipathie oder so etwas, nicht nur weil die Band Joan Jett überhaupt erst hier her brachte, als Special Guest, sondern allgemein nicht, und vielleicht hätte der alte Stone-Temple-Pilots-Fan in mir gar auch dem angeblich so schlechten Auftritt von Scott Weiland etwas abgewinnen können. Aber Joan Jett live zu sehen, und womöglich auf einen kleinen Interview-Plausch zu treffen, daran führte kein Weg vorbei. Die Interview-Anfrage im Vorfeld hatte keine Antwort erhalten, wie das oft ist im Musikgeschehen, aber es würde ja auch das Konzert reichen, dachte ich mir. Wie Susi Ondrusova hier schrieb, Joan Jett machte zwar alles richtig auf der Bühne, trotzdem wollte der Funke nicht so ganz überspringen. Das kann ich unterschreiben – dass sie jedenfalls alles richtig machte. Aber auch einen kleinen springenden Funken will ich bemerkt haben. Die Konzertunterbrechung wegen der Sturmwarnung trug sicherlich nicht dazu bei, den Funken zu einer Flamme werden zu lassen, und dann schon bald das hastige, gerade noch geschaffte "I Love Rock 'n' Roll" und der sofortige Abbruch des Konzerts aufgrund des aufkommenden Sturms.

Joan Jett beim Nova Rock 2010

EPA / HERBERT P. OCZERET

Joan Jett beim Nova Rock 2010

Joan Jett sieht etwas angefressen aus, flüsterte mir jemand zu, der sie gerade im Backstagebereich gesehen hatte. Nein, nein, wiegelte ich ab - halb verzweifelt - sie hat immer diesen Gesichtsausdruck, diesen "pissed off" Blick. Das hat man ihr schon vor dreißig Jahren gesagt, als sie Anfang der 80er Jahre, nach dem Ende ihrer All-Girl-Teenage-Band-Sensation The Runaways, eine Solo-Karriere beginnen wollte, aber mehr als zwanzig (!) Plattenfirmen Desinteresse an der gerade mal 21 Jahre alten Musikerin zeigten: zu androgyn, zu maskulin gar, zu wenig weiblich. Ok, den boyish Look hatte sie auch schon bei den Runaways, wo Joan die driving force war, aber da war neben Joan, Sandy West, Lita Ford und Jackie Fox ja auch noch die "weiblichere" und blonde Cherie Currie, eine Art blonder Engel, aber selbstverständlich nicht ohne Bezug zur Hölle, eine Art Rock-Marilyn-Monroe.

Band THe Runaways

Runaways

Schließlich ließ ein gewisser Kenny Laguna - in den 60s als Musiker und Producer für Darlene Love, Thommy James & The Shondelles etc. tätig - das Album "Joan Jett" selbst pressen und sogar aus einem Lieferwagen heraus verkaufen. Bis die Nachfrage so sehr stieg und er mit dem Nachpressen nicht mehr nachkam. Der Rest ist wohl Rock-History. I Love Rock 'n' Roll und so. Kenny Laguna war beim Konzert von Joan Jett am Nova Rock der freundliche ältere Herr links auf der Bühne, das Keyboard bedienend. Von Stunde Null an sozusagen spielt er mit Joan Jett und ihren Blackhearts. Ist nach wie vor Mentor, Mitmusiker, Producer, Betreuer, Business-Partner und Soulmate von Joan Jett - ein Popmusik-Svengali alten Stils. Als die Runaways im Streit zerbrachen, unter anderem weil Joan eher in eine Punk-Richtung gehen wollte, während Sandy oder Lita verstärkt Hardrock machen wollten, da war Kenny Laguna zur Stelle. Dass Joan Jett auf ihrem 84er Album "Glorious Results Of A Misspent Youth" den Song "You Don't Own Me" coverte - ein Stück von Leslie Gore, die in den 60er Jahren eine der Vertreterinnen des "Girl-Group"-Sounds war - geht etwa auch auf den Einfluss von Kenny Laguna zurück. Joan fügte dem Song eine neue feministische Bedeutung hinzu. Und so muss man auch heute noch erst an Herrn Laguna vorbei, bevor man Joan Jett treffen kann: "Eva, meet Kenny Laguna!", sagt der höfliche Tourmanager, während die restlichen Blackhearts vorbeieilen - einer mit klassischem Ska-Punk-Haarschnitt. Er erinnert mich an die leider wieder aufgelösten Distillers, in deren Sängerin Brody Dalle man ja auch ein wenig Joan Jett spüren konnte.

Album-Cover Joan Jett

Jett

Joan Jett und Kenny Laguna sind irgendwie süß, wie sie ein wenig wie ein altes Ehepaar beim vormitternächtlichen Interview, lange nach dem Auftritt, dann dasitzen. Der Staub, sagt Kenny Laguna, der Staub vom ausgetrockneten Festivalboden und wirkt leicht besorgt. Mr Laguna ist um die Stimme von "Joannie", wie er Joan Jett liebevoll nennt, worried, schließlich spielt man dieser Tage noch im legendären Londoner Punk-Club 100 Club auf der Oxford Street - und im Wembley Stadium, wieder als Gast von Green Day. "Joannie" beginnt also mit dem Beantworten der Fragen, nicht selten, um Herrn Kenny zu bitten, den Satz, den Gedanken zu Ende zu sprechen. Blindes Vertrauen. Manchmal holt Kenny ein wenig weiter aus in der Biografie der Joan Jett, und Joannie signalisiert ihm dann, sich ein bisschen zu raffen. Herrlich. "Excited" ist das Wort, das es wohl am besten beschreibt. Ich bin excited ob dieser - späten - Begegnung mit einer meiner allerersten Musik-Heldinnen überhaupt: "Bad Reputation", "Everyday People", "Crimson & Clover" und natürlich das besagte und gern als abgedroschen geschimpfte Überhit-Monster "I Love Rock 'n' Roll". Joan Jett war bis gegen Mitte der 80er Jahre schließlich zu einem richtigen Rockstar geworden, einem Mainstream-Star mit großem Pop-Appeal samt Bestplätzen etwa auch in den, ah, Bravo-Charts. Da war sie Seite an Seite mit dem längst vom Kokain angeknabberten Fleetwood-Mac-Hippie-Engel Stevie Nicks oder der Abba-Sauberfrau

Joan Jett, Musikerin

Jett

Agnetha Fältskog unter den großen Pop/Rock-Stars, die diese Zeit zu bieten hatte. Das nur als Hinweis, sich den Status, den Joan Jett damals hatte, zu vergegenwärtigen. Und ja, sie sieht beinahe noch genauso aus wie damals, so als ob man Joan Jett schockgefroren und nun wieder aufgetaut hätte: die schwarzen Stirnfransen, die riesigen Augen, die eindringlich mit einem kommunizieren, der burschikose Körper. Letzterer ist heute gestählter als damals. Nicht ein Gramm Fett gibt es an Joan Jett, die immerhin im Herbst 52 Jahre alt wird. Ein Body besser als der von Madonna. So als ob Joan Jett in den Sportswoman-Körper vom 90er Jahre Mountainbike-Superstar Missy Giove geschlüpft wäre. Sie wirkt, wenn man ihr direkt gegenübersteht, kleiner als auf der Bühne und auf Fotos. Viel kleiner. Dem Bühnen-Bikini-Oberteil wurde ein T-Shirt übergezogen, und ihr Begrüßungs-Handschlag ist fest. Ist Joan Jett gay?, fragte da jemand kürzlich in einem Internet-Forum. Ja, sie ist bi, antwortete rasch jemand, und wieder jemand anderer meinte, ob das denn überhaupt so wichtig sei. Eine 14-jährige Amerikanerin postete schließlich, dass Joan Jett ihre Heldin sei, keine dieser Pussycat Dolls artigen Popstars, sondern "the real thing".

Joan Jett, schwarzer Latex-Anzug

Jett

Kenny Laguna ist clearly excited ob der neuen Aufmerksamkeit, die "Joannie" nun bekommt, während Joan Jett selbst gelassen und scheinbar unberührt den neuen Rummel um sie zur Kenntnis nimmt. Ich frage, a little sheepish, wie der englischsprachige Mensch sagen würde, wie das denn alles zustandegekommen ist mit der Verfilmung der Geschichte der Runaways, wie Regisseurin Floria Sigismondi auf Joan Jett zukam und so. It was our idea, unterbricht Kenny Laguna, mit schier unbremsbarer Freude über diesen fast schon genialen Schachzug in der Karriere von Joan Jett. Allerdings gab es vor ein paar Jahren schon mal einen Runaways-Film, von der Bassistin Vicky Blue, die Jackie Fox ersetzt hatte, in dem Joan Jett aber nur an Hand von Archiv-Material vorkam, und in der sich die ehemaligen Bandmitglieder selbst spielten.

Lose basierend auf dem 1989 erschienenen Buch "Neon Angel" von Runaways-Leadsängerin Cherie Currie, kommt Joan Jett jetzt nicht nur in einer der beiden Hauptrollen vor im Film – dargestellt von "Twilight"-Star Kristen Stewart – sondern sie ist auch das, was man executive producer, also die Produktionsleiterin, dieses Biopic nennt. Cherie Currie wird dargestellt von Dakota Fanning - gute Besetzung, auch vom Alter her: War die nicht gerade eben noch ein Kind? Und auch Elvis-Enkelin Riley Keough, Model und Tochter von Lisa Marie Presley stellt eine der Runaways-Musikerinnen dar. Are you in touch with Lita Ford?, frage ich. She is a mother and her husband is in the real estate business, weicht Kenny Laguna aus. Nachsatz: Ich glaube, sie ist froh mit dem Musikgeschäft nichts mehr zu tun zu haben. Anfang der 80er Jahre, nach dem Aus der Runaways, machte Lita Ford Platten im Soft-Metal-Glam-Pop-Stil, mit Doppelhals-Gitarre posierend und L.A.-Hair-Metal-Frauen-Bands à la Vixen inspirierend. Joan Jett ging einen ganz anderen Weg: Ihr Mix aus straightem Rock, Heavy-Rock, Punk-Rock, und simpler Beatmusik mit einem Bubblegum-Element inspirierte später etwa das kalifornische Quartett The Donnas.

Joan Jett selbst wandte sich Ende der 80er Jahre und in den frühen 90ern der feministischen US-Rrriot-Grrl-Szene zu: Bratmobile coverten den Runaways-Song "Cherry Bomb", und Joan arbeitete mit den Heavy-Rock-inspirierten Frauenbands Babes In Toyland und L7 und mit dem Ober-Rrriot-Grrl Kathleen Hanna, die man heute von der Electronic-Band Le Tigre kennt. So ein neues Terrain war das für die nun schon als "Veteranin" geltende Joan Jett aber gar nicht, schließlich hatte sie schon Producer-Erfahrung: Joan war beteiligt am Entstehen des heute legendären einzigen Albums der L.A.Punk-Band The Germs. Irgendwann schnitt sich Joan Jett dann ihre schwarzen Haare ganz kurz und färbte sie eine Zeit lang blond. Sie spielte in größeren und kleineren Filmen mit – und in der Rocky Horror Picture Show am New Yorker Broadway. But generally I've kept under the radar, sagt Joan Jett heute. Dort ist es insgesamt angenehmer als im Spotlight, lässt Joan Jett anklingen. Ich bin ein working artist und kein Star, sagt sie über sich. Sie engagiert sich außerdem für die Gay-Rights-Bewegung und ist auch als Tierrechte-Aktivistin tätig.

Fünf FRauen, Band

Runaways

"The Runaways" ist streckenweise ganz schön "grim", stellte kürzlich eine Journalistin bei der Pressekonferenz zum Film am Sundance Filmfestival in den Staaten fest. Life can be grim, antwortet Joan Jett, beinahe emotionslos. Auch meine Interview-Zeit ist abgelaufen, der Staub, der Festival-Staub, sagt Kenny Laguna nochmals entschuldigend. Er weiß, da wär noch so viel to talk about: wie das damals war am Sunset Strip in L.A., als Led Zeppelin in die Stadt kamen und eine Zeit war, die der Groupie-Literatur à la „I'm With The Band“ den Grundstein legte, als alle in Rodney Bingenheimers English Disco wollten - wo einmal auch Iggy & The Stooges tobten, und als der Hedonismus im Chateau Marmont kein Morgen zu kennen schien…als ein 17-jähriges Mädchen namens Joan Jett alles durchkreuzte: How a group of girls stormed the boys club of rock.

Warten wir also, in der Hoffnung "The Runaways" auch hierzulande sehen zu können. Eine Frage bloß noch: Wann kommt ein neues Joan Jett Album? Das letzte, "Sinner", 2008 erschienen, ging ja ein wenig unter, obwohl Joan nun von Bands wie Eagles Of Death Metal, die sich als Fans deklarierten, mit auf Tour geholt wurde. "Ich habe kein Problem damit, meine alten Songs zu spielen", sagt Joan Jett, "ich liebe sie noch immer. Das was ich heute schreibe, ist nicht soviel anders, außer dass ich heute andere Themen habe". No more rock-stardom & self-destruction. Ja, da gibt es ein paar neue Stücke, und Joan Jett möchte sie einzeln veröffentlichen, nicht unbedingt warten, bis sie weitere hat und ein ganzes Album zusammenstellen kann. Ein Gedanke, der sehr up-to-date ist. Und: Joan Jett war ja etwa auch auf dem Peaches-Album "Impeach My Bush", 2006, zu hören. Spielt sie vielleicht etwa auch ein wenig am Laptop herum, musikmachend, vielleicht in eine Electronic-Richtung gehend? – "Nein, nein, nein", sagt Joan Jett. "I'm oldschool!" Und da ist er wieder, der feste handshake; da ist ein herzliches thank you und ein durchdringender Blick aus diesen Augen. Joan Jett, coolest woman in rock.

Joan Jett SEx-T-Shirt

Jett

"The Mercury Records Anthology" von The Runaways ist
kürzlich erschienen, sowie das "Greatest Hits"-Doppelalbum von Joan Jett, samt neu eingespielter Songs, unter denen auch Runaways-Stücke sind. Außerdem gibt es ebenfalls neu das wirklich schöne Foto-Buch "Joan Jett" von Todd Oldham.

Das Interview mit Joan Jett gibt es am Montag, 21. Juni 2010, im FM4 Heartbeat (22-00) zu hören.