Erstellt am: 18. 6. 2010 - 14:37 Uhr
FM4 Kinopremiere: The Fantastic Mr. Fox
Dass die Keimzelle der meisten zwischenmenschlichen Tragödien in der Familie liegt, wissen wir nicht nur aus dem echten Leben.
Fast alle bedeutenden Filmemacher arbeiten sich in irgendeiner Weise an den neurotischen Verhältnissen zwischen Mama, Papa und angeknacksten Kindern ab, ob auf künstlerisch radikale Weise oder im Rahmen avancierter Mainstreamfilme. Siehe Regiegrößen aus Frankreich, Österreich, Dänemark oder Japan.
Die schrecklich-schönsten Familiendramen verdanken wir aber, zumindest wenn ihr mich fragt, dem amerikanischen Independent-Kino.
Denn in den USA kristallisierte sich in den neunziger Jahren ein Zugang zu diesem Thema heraus, der seinesgleichen sucht. RegisseurInnen wie Sofia Coppola ("The Virgin Suicides"), Ryan Murphy ("Running With Scissors") oder Mike Mills ("Thumbsucker") schafften es, ihre familiären Trauerspiele auf eine leichtfüßige Weise zu verpacken, von der die meisten europäischen Kollegen nur träumen können.
Traumatisierende Situationen wirken dank eines ganz bestimmten, manchmal feinsinnigen, dann wieder derben Humors plötzlich erträglich. Kapitale Krisen oder endlose Peinlichkeiten reizen zum Lachen, ohne der Lächerlichkeit oder dem Zynismus preisgegeben zu werden.
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Was uns direkt zu den beiden Großmeistern im Indie-Subgenre der dysfunktionalen Familienkomödie führt. Wes Anderson heißt der eine, berühmt und bisweilen auch berüchtigt für eine manieristisch konstruierte Exzentrik, die sich von Frühwerken wie "Rushmore" bis zu seinem letzten Kinostreich "The Darjeeling Limited" durchzieht.
Sein Bruder im Geiste hört auf den Namen Noah Baumbach. Und der inszeniert seine Dramen um zerissene Eltern und verkorkste Sprößlinge realistischer, bewusst spröder, näher am Alltag, von "The Squid & The Whale" über "Margot at the Wedding" bis "Greenberg".
In ihren wunderbarsten Momenten, und davon gibt es wirklich viele, bringen sowohl Anderson als auch Baumbach den ganzen Horror der menschlichen Existenz auf charmante und komische Weise auf den Punkt.
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Was das jetzt alles mit den Bildern von putzigen Füchsen hier zu tun hat und mit einem an der Oberfläche ausgesprochen niedlichem Stop-Motion-Film nach einem Kinderbuchklassiker? Nun, jede Menge.
"Fantastic Mr. Fox", die jüngste Zusammenarbeit von Wes Anderson und Noah Baumbach, ist eine Mogelpackung im besten Sinn. Hinter einem vermeintlichen Werk für die ganze Familie verbirgt sich wieder einmal ein verschrobener Streifen über die ganze Familie.
Dabei fängt schon alles mit der literarischen Vorlage an. Der britische Autor Roald Dahl pendelte immer wieder zwischen infantilen Fantasien und der grausamen Wirklichkeit, auf den Spuren düsterer Märchenonkel wie den Brüdern Grimm, aber auch von freudianischen Theorien inspiriert.
Bisherige Verfilmungen seiner Romane, ich sag jetzt nur "Charlie and the Chocolate Factory" oder "The Witches", stürzten sich auch auf die makabren, sinistren Qualitäten, kosteten den tiefschwarzen Humor von Mr. Dahl aus.
Bei Wes Anderson braucht man sich keine Sorgen machen, das sich die lieben Kleinen nach dem Film eventuell unruhig im Schlaf wälzen. Allerdings werden sie wohl auch nicht den Reichtum an Details und Referenzen verstehen oder gar die Weisheit, die sich hinter der animierten Fuchs-Geschichte versteckt.
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Mr. Fox (sehr smart von George Clooney gesprochen) ist einer dieser typisch egozentrischen Väter, wie sie auch Gene Hackman oder Bill Murray in früheren Anderson-Streifen verkörperten. In seinem bürgerlichen Beruf als Zeitungskolumnist fühlt er sich unglücklich, die beschauliche Idylle im Fuchsbau hinterlässt bei ihm eine Leere. "How can a fox ever be happy?" fragt er wiederholt.
Also lässt er immer wieder das wilde Tier raus und geht des Nächtens heimlich auf Hühnerjagd. Nachdem mit den Geflügelbauern Boggis, Bunce und Bean aber nicht zu Spaßen ist, bringt der selbstsüchtige Fuchs mit seinen Eskapaden bald nicht nur seine Familie in Gefahr. Sämtliche Tiere im Wald sind durch den Gegenangriff der wutentbrannten Farmer in ihrer Existenz bedroht.
Dabei erweist sich Mr. Fox nicht nur seiner Community gegenüber als verantwortungslos, auch der Umgang mit seiner Frau (Meryl Streep) und seinem unsicheren Sohn (Jason Schwartzmann) lässt zu wünschen übrig.
Weil wir aber in einem Film von Wes Anderson und Co-Autor Noah Baumbauch sind, folgt die eventuelle Transformation des selbstsüchtigen Patriarchen zum verständnisvollen Vater nicht den üblichen moralistischen Hollywood-Pfaden.
Dieser Film hat ein Herz für sämtliche seiner pelzigen Protagonisten, ob für die Midlife Crisis-gebeutelte Titelfigur, die künstlerische Ehefrau, die die Malerei dem Haushalt opferte oder den herrlich nerdigen Fuchsbuben Ash.
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Wieder erzählt Anderson also vom Individuum und der Gemeinschaft, von Ausbruchsversuchen aus vorgegeben Bahnen, vom Scheitern und niemals aufgeben. Erneut versammelt der Regisseur dazu seine eigene kleine Filmfamilie, von Bill Murray über Owen Wilson bis zum famosen Jason Schwartzmann. Sogar Jarvis Cocker hat eine kleine Gastrolle bekommen.
Das ich an dieser Stelle noch immer kein Wort über die großartige Ästhetik verloren habe, ist eigentlich kaum zu entschuldigen. "Fantastic Mr. Fox" bricht eben nicht nur inhaltlich mit den konventionellen Regeln.
In einer Zeit der allgegenwärtigen CGI-Spektakel, wo 3D den Durchbruch feiert, setzt Wes Anderson auf uralte Einzelbild-Animation, die an tschechische Trickfilme der 70er erinnert. Man muss die handgemalten Kulissen, die liebevoll gebastelten Figuren, die warme Lichtsetzung gesehen haben.
"The Fantastic Mr. Fox" ist ein rares Leinwand-Experiment, wie es Spike Jonze vergleichbar mit "Where The Wild Things Are" wagte. Eine kindliche Fabel für Erwachsene, ein Komodie über familiäre Abgründe, ein visuelles Gedicht. Mein erster Gedanke nach dem Ansehen war: Solange solche Filme noch produziert werden, kann die Welt keine ganz schlechte sein.
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20x2 Tickets zu gewinnen
FM4 Kinopremiere "The Fantastic Mr. Fox" (OV)
am Mittwoch, 23.6.10, 20.00 im Urania Kino ( Uraniastraße 1, 1010 Wien)
Wer an der Ticketverlosung teilnehmen will, muss nur die folgende Frage richtig beantworten: Wie lauten die Namen der drei Fernsehfüchse, die am untenstehenden Bild zu sehen sind? Die richtigen Antworten und euren ganzen Namen schickt bitte an game.fm4@orf.at.
Die richtigen Antworten: Joachim Fuchsberger, der hinterlistige Fuchs aus "Pinoccio" und Smirre aus "Nils Holgersson"
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Die GewinnerInnen wurden bereits via E-Mail verständigt!