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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 6. 2010 - 14:32

WM-Journal '10-26.

Der erste Tag der Wahrheit, Teil 1: was kann Chile? Antwort: Einiges!

Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel.
Hier auch in der schönen Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, immer gegen Mittag.

Die Fakten zum Spiel Chile - Honduras 1:0.

Offizielles: die FIFA-Seite und die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen.

Alle FM4-Stories zur WM, alle Rundherum-Geschichten aus Südafrika.

Das FM4 WM Quartier im Wiener WUK

Die erste Frage zum Tag: Was bringt mein kleiner Geheimfavorit?

Die erste Antwort: Er überrascht mich.
Zum einen, weil er die Erwartungen erfüllt.
Zum anderen, weil sie das mit einem höchst gewagten taktischen Kniff geschafft haben.

Was macht Marcelo Bielso, wenn ihm sein Mittelstürmer (Humberto Suazo, der glatzköpfige Allesverwerter) fehlt? Wie ersetzt er ihn?
Gar nicht.
Chile spielt ohne vorderste Spitze.
Und das geht sich trotzdem aus für rollende Angriffe.

Das ist mit Verlaub fantastisch - auch wenn der Gegner schwach ist.

Chile will.

Und das geht so:
Statt normalerweise mit drei Abwehrspielern agiert Bielsa diesmal nur mit einem Duo Ponce-Medel. Davor noch einen 6er als Ansicherung.
Die Außenverteidiger (rechts Isla, links Vidal, sonst Mittelfeldstar in Leverkusen) sind der hintere Part einer Flügelzange, die sie gemeinsam mit den vordersten Akteuren, die Flügelstürmern Sanchez (rechts) und Beausejour (links) bilden.
Dazu kommen drei ständig nach vorne bohrende offensive Mittelfeldspieler, Millar und Mati Fernandez in den Halbpositionen und der 10er, Valdivia als eine Art hängender Mittelstürmer (wie früher einmal Denis Bergkamp).

Das heißt: im Offensivfall greifen heute sieben (7!) Spieler an, drei sichern hinten ab.
In der Defensive sind bis auf die beiden Offensiv-Flügel alle beteiligt, also auch wieder 7 oder 8 Spieler.

Chile kann.

Das ist grandios gebaut, aber nicht die gesamte Spielzeit durchzuhalten.
Nach den ersten 15 Minuten, in denen Bielsas Team den Gegner schon zu fressen drohte, schaltete es zurück, pausierte weitere 15 Minuten und drehte dann in den letzten 15 Minuten der Halbzeit wieder auf. Da fiel dann auch das Tor.

Honduras vernachlässige ich einmal.
Chile hat die in sie gesetzten Erwartungen eines der attraktivsten Teams dieser WM zu sein, bereits jetzt erfüllt. Und zwar auch unter erschwerten Bedingungen.

Die erste Frage zum Tag (Was kann Chile?) ist schon einmal beantwortet: Einiges.

In der 2. Halbzeit, nach etwa zehn Minuten, stellt Bielsa dann um - er nimmt Millar, den einzigen leichten Schwachpunkt, raus und bringt Gonzalo Jara.
Das bedeutet die Rückkehr zum angestammten System mit der Dreier-Abwehr (Ponce zentral, mit Medel rechts und Jara links), was Isla bzw Vidal an der rechten und linken Flanke total freispielt. Fernandez geht direkt neben Valdivia in die offensive Zentrale - da sind dann zwei echte 10er, zwei echte Spielgestalter mit allen Freiheiten und den gefährlichen Flügelstürmern Sanchez und Beausejour als Anspielstationen.

Und das alles immer noch ohne Mittelstürmer.

Chile wird.

Anmerkung: im U20-Team von 2007, das gleich zweimal auf die damals ebenso jungen Österreicher traf (0:0 im Gruppenspiel, 0:1-Niederlage im kleinen Finale), standen mit Isla, Medel, Carmona, Vidal und Sanchez gleich fünf der heutigen Startelf. Und, wow, haben die sich weiterentwickelt!

Der Druck bleibt, Chile powert weiter und schafft es nur mit Mühe (Eigensinn Sanchez, oft ein Haken zuviel) und Pech kein weiteres Tor zu erzielen. Dabei wäre ein 3,4:0 dem Spielgeschehen durchaus angemessen gewesen.

Dass ein Mann wie Mark Gonzales erst in den letzten paar Minuten losgelassen wird (und dabei belegt, warum er draußen war: Eigensinn ist wohl sein zweiter Vorname) zeigt schon alles über die rollende Offensiv-Stärke der Rioja.

Was macht die rote Welle erst, wenn Humberto Suazo vorne drin wuselt und die Bälle, die heute danebengehen auch noch reinhaut?