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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

16. 6. 2010 - 15:04

Kein schöner Land

Hoffnungslos, lieblos und trostlos ist das karge Landleben, das Patrick Findeis in seinem düsteren Debüt beschreibt. Ein Landleben, das überall sein könnte.

"Er hatte nur das Gefühl, aber kein Wort für die Einsamkeit."

Rottensol heißt das kleine Dorf und faul und verrottet ist dort einiges. Zumindest für Uwe, der in der einzigen Gastwirtschaft von Rottensol aufwächst, mit einem gewalttätigen Vater, der selbst große Zweifel an seiner Vaterschaft hat und mit einer von Fürsorge und Liebe geschwächten Mutter, die zwar alles gut meint, aber doch falsch macht und gern mit Leberkäse Verbocktes gut machen will.

"Ein toter Sohn ist vielleicht besser als ein schwuler, weil man die Toten ehren muss."

Neben der Gastwirtschaft lebt der Bauer Späth, der seine Tiere und Grundstücke verkauft, seinen homosexuellen Sohn verbannt und seine Abende lieber bei der Gastwirtin als bei seiner Frau verbringt.

Friedberg hingegen ist der Ort, in dem sich Uwe wohl fühlt. In diesem Sehnsuchtsort wohnen sein bester Freund Olaf aus Kindheitstagen und seine Großmutter. Aber auch dort ist die Welt nicht so heil. Denn auch Olaf flüchtet von daheim, nachdem die Spenglerei des Vaters abgebrannt ist.

"Alles hier war immer Erinnerung."

Das alles erfährt man schon in den ersten Seiten. Es passiert viel. So viel, dass es mitunter anfangs etwas kompliziert ist, die vielen Figuren zuzuordnen und den großen Zeitsprüngen zu folgen.

Dann aber leidet man unter den sturen, verkrampften und emotionslosen Bauern und Gastwirte.

"Dass er allen einen Schritt voraus wäre, dachte er, auf dem Bett sitzend, und lächelte bei dem Gedanken, einer von zwei Junkies in Rottensol zu sein."

Flucht scheint eine Möglichkeit, aber vor der beklemmenden Vergangenheit kommt man so leicht nicht weg. Hoffnungslos, lieblos und trostlos ist das karge Leben. Glücklich scheint niemand in dieser dörflichen Kontrollgesellschaft, über der ein schwerer dunkler Schatten aus der Vergangenheit drückt. Gelitten wird allein. Aber oft. Alkohol ist für häufig ein Ausweg. Heroin für einen der Protagonisten das Ende.

patrick findeis

Marko Lipus

Patrick Findeis, geb.1975, lebt in Berlin. Nach Handwerkslehre und Abitur studierte er Komparatistik, Psychologie und Kommunikationsforschung. Er ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Für einen Textauszug aus "Kein schöner Land" erhielt er 2008 den 3sat-Literaturpreis in Klagenfurt.

An Klischees glaubt Patrick Findeis nicht. Dafür habe er derartiges viel zu oft gesehen. Er selbst kommt aus Schneidheim bei Heidenheim und ist dort in die Hauptschule gegangen. Das karge, eingeschlossene Landleben kenne er daher sehr gut, erzählt er im Interview.
Und es sind diese dunklen Seiten, die ihn interessieren, wobei er gleich anfügt, dass das Buch für ihn so düster bzw. dunkel gar nicht sei. Klar, Komödie sei das keine.

Es sei das Fremde, das die Landbwohner verunsichtert, weil ihr ganzes soziales Gefüge auseinanderbreche und sie die Ordnung verloren haben und dadurch nur negativ auf die ganzen Veränderungen reagieren können.

Buchcover "Kein schöner Land": Apfelbaum mit Äpfeln

DVA

Patrick Findeis: Kein schöner Land, Deutsche Verlags-Anstalt, München

Provinz spielt sich aber in den Köpfen ab und das kann überall sein. Engstirnigkeit, Angst vor Veränderung, Angst vor der Zukunft - das ist provinzielles Denken für Patrick Findeis.

Wieder auf dem Land zu leben, kann sich Patrick Findeis derzeit nur schwer vorstellen. "Momentan ist Berlin die bessere Provinz."

"Kein schöner Land" lässt die Leser mit starken Nachwehen zurück.
"Das ist doch schön, wenn ein Buch die Leute beschäftigt und man auch, nachdem man es zugeklappt hat, noch eine Weile dabei bleibt", erklärt Patrick Findeis.
Das erhofft er sich auch von der Novelle, an der er derzeit schreibt und die wieder in der selben fiktiven Gegend spielt.

Patrick Findeis liest aus "Kein schöner Land"
Am Mittwoch, 16. Juni 2010, 19:00 Uhr
in der Hauptbücherei am Gürtel, 1070 Urban-Loritz-Platz 2a
Eintritt frei