Erstellt am: 14. 6. 2010 - 17:02 Uhr
WM-Journal '10-20.
Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel.
Hier auch in der schönen Übersicht.
Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, ab jetzt immer gegen Mittag.
Die Fakten zum Spiel Kamerun - Japan 0:1.
Alle FM4-Stories zur WM, alle Rundherum-Geschichten aus Südafrika, wie etwa Johnny Bliss' schöne Reportage.
Offizielles: die FIFA-Seite und die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen.
Public Viewing beim FM4 WM Quartier im Wiener WUK.
Die TV-Weltregie legt das fast auf - im Gegensatz zu vielen, was man sonst daheim oderr auf europäischer Ebene präsentiert kriegt, bleiben sie meist auf der Totale und bieten somit den Blick, den man auch im Stadion hat. Und wenn man den Akteure nicht so genau auf die Pickel blicken kann, macht das nix - solange die Totale das größere Bild vermittelt, und erklärt warum wer was macht.
In diesen Totalen bekommt man die strategischen Systeme eh auf dem silber-Tablett serviert.
Und im Fall von Kamerun und Japan ist das gleich zweimal ganz speziell.
Kamerun spielt, wie zuletzt gehabt, ein 4-3-3.
Klassische Viererabwehr, dann eine Mittelfeldreihe mit einem leicht versetzten Defensiv-Mann und zwei davor auf den Halb-Positionen - die sich eher nicht ins Flügelspiel einmischen.
Davor drei Angreifer, Eto'o, wie bei Inter, rechts, Webo zentral, Choupo-Mating links. Auch diese Flügel sind keine echten, sondern für Rochaden und schnelles Verwirrspiel da. Die Flügel besetzen eigentlich die beiden Außenverteidiger, Mbia und Assou-Ekoto.
Das ist ein tolles System von Trainer Paul LeGuen - und es klappt, ruft man sich die letzten Spiele Kameruns in Erinnerung, auch gar nicht so schlecht. Im Vergleich zum überschwachen Afrika-Cup ist das Team viel weiter.
Der japanische Fächer
Noch interessanter die Japaner von Tkeshi Ukade. Die spielen eine Art 4-5-1-Fächer-System mit einem offensiven Gag vornedrin.
Also: klare Viererabwehr mit offensiven Außen.
Davor einen zentral defensiven Mittelfeldspieler, der - wie ein Fächer, die restlichen vier vor sich hat; einen halbrechts, einen rechtsaußen, einen halblinks, einen linksaußen.
Diese zwei jeweils links und rechts Angesiedelten bilden im Bedarfsfall Flügelpärchen, stoßen dann zu zweit, oder (mit dem Außenverteidiger) zu dritt über die Flügel, sind also eine echte Gefahr.
Der Gag bei der japanischen Aufstellung ist, dass die einzige Spitze (Honda, der sehr Blonde mit der 18, nicht von falschen TV-Ansagen verwirren lassen) mit den beiden vordersten Außenspielern (Matsui, 8, rechts) und Okubo (16, haklbblond, links) so oft abwechselt, dass niemand weiß, wer jetzt wie und wo genau spielt. Die drei spielen Igel und Hase mit ihren Gegnern ununterbrochen und hocheffizient.
Diese beiden hervorragend erdachten und aufs Spielermaterial abgestimmten Systeme haben eine Qualität, die in Österreich für die nächsten Jahrzehnte nicht erreichbar ist.
Denn wo in Österreich finden sich Stürmer die sich so ohne Gemurre auf Rechtsaußen stellen lassen wie Eto'o? Hierzulande wird das (wir erinnern uns an den Fall Hoffer) ja von den Medien (die dann die Coaches unter Druck setzen) verhindert, weil die derlei nicht kapieren.
Wer in Österreich könnte den japanischen Fächer mit Offensiv-Rochade denn trainieren oder ausfüllen?
Genau: niemand.
Und deshalb ist der dauernde Hinweis per TV, dass wir (die Zuschauer) für das "Leid" das wir zu ertragen hätten, weil wir zuschauen müssen, auch so lässlich.
Wie überhaupt dieses elende Gemotschkere den Unterschied auch in der Einstellung zu jeglicher Leistung ausmacht. Während die englischsprachigen Kommentatoren zwar ironisch und witzig sind, aber in jedem Punkt das Positive rausholen (etwa "good defense!", wenn ein Angriff scheitert) unterstützen die Kollegen das populistische Gemüffel indem sie Fußball-Schaun-Dürfen zum "Leid" hochstilisieren.
Egal, weiter im Spiel.
In der 2. Halbzeit stellte LeGuen sein DreierMittelfeld noch zweimal um, baute es in alle erdenklichen Richtungen - allein, da kam nicht viel raus. Eyong blass, Makoun solala, Emana führte sich gleich mit einem Mörder-Fehlpaß ein und Geremi machte eh was er wollte und okkupierte die rechte Flanke.
Dass Kamerun zu wenig gelang, liegt an ihrer aktuellen, schwelenden Krise, nicht so sehr der heutigen Mannschaft. Der ist ein wesentlicher Fortschritt nämlich nicht abzusprechen - so komisch das für Menschen klingt, die sie heute das erstemal seit 4 oder 8 Jahren (als sie noch anders besetzt waren) sehen.
Außerdem fiel auch hier auf, was schon bei Algerien und Ghana zu sehen war: die Umdrehung des Kultur-Exports. Auch Kamerun spielte mit zwei "Deutschen" und zwei "ngländern", zweite Generation-Kids, die sich für die alte Heimat entschieden hatten, anstatt für die neue aufzutreten.
Das ist eine ganz neue und auch politisch hochinteressante Entwicklung, auf die ich in einem Extra-Journal demnächst noch näher eingehen möchte.
Okadas Japan wagte in der 2. Hälfte weit weniger als im 1. Durchgang, begnügte sich damit die doch kombinatorisch unglücklichen Kameruner anrennen zu lassen und zu kontrollieren.
Wie geschickt diese Mannschaft zusammengestellt ist (und das ist, wenn ich an die Previews denken, doch die bisher größte Überraschung dieser WM) sah man bei den folgenden Wechseln, bei denen sich der Goalgetter ebenso anstandslos links einordnete wie der andere rechts und Superstar Inamoto in der Defensive.
Gegen bessere Gegner als Kamerun wird das zwar schwer für Japan, aber ihre Organisation ist nahezu perfekt - und hat ihnen auch wohl schon mehr gebracht als sie erhofft hatten: den ersten WM-Sieg außerhalb der Heimat nämlich.
Gruppe E, Runde 1, Fazit:
Die Niederlande ist schon klar die beste Mannschaft dieser Gruppe, hat die höchste Klasse, das beste Personal - und noch auch das Glück Tore zu machen.
Alle anderen sind noch nicht ausrechenbar.
Dänemark kann sich in der Form der 1. Hälfte durchaus steigern, in der der 2. sind ein draußen.
Kamerun genügt ein dezentes Erfolgsmoment um zumindest einmal einen Turbo zu zünden.
Und der, der Japan jetzt noch unterschätzt, oder gar als Defensiv-Team diffamiert, der ist nicht zu retten.