Erstellt am: 16. 6. 2010 - 12:42 Uhr
Von Rändern und Abgründen
Am öftesten hört Boogie die Frage, wie er so nah an die Menschen herankommt, die er fotografiert. Scheinbar unsichtbar wird er ein Teil ihrer Welt.
„Ich urteile nicht über Menschen, das spüren sie", gibt er zur Antwort.
boogie
Boogie begann 1993 im kriegszerissenen Jugoslawien zu fotografieren. In den Straßen von Belgrad verkauften die Menschen alles, was sie zu Geld machen konnten, und dort fiel Boogie auch die erste funktionstüchtige Kamera in die Hände.
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Dark Days are ahead
„Ich begann zu fotografieren, um nicht verrückt zu werden, im Angesicht all des Wahnsinns, der sich um mich herum abspielt.“
1998 zog Boogie, nachdem er die Green Card in der Lotterie gewonnen hatte, nach Brooklyn. Heute pendelt er zwischen Brooklyn und Belgrad.
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Über eine sehr wackelige Skype-Leitung erreiche ich ihn in Belgrad. Sein Baby schreit, meine Hunde toben. Boogie, der entspannteste Mensch der Welt, erkundigt sich nach ihrer Rasse und nachdem ich ihm antworte, dass es handtaschenkompatible Straßenmix-Terror-Terrier sind, feuert er sie lachend "Kill! Kill!" rufend an. Zwei Minuten auf Skype und man glaubt mit einem alten Freund zu sprechen, jemandem, der das eigene Konzept von Humor kennt und versteht.
boogie
Wieso die Orte und Menschen, die von der Gesellschaft ignoriert werden, ihn so anziehen, möchte ich wissen. Warum er genau das fokussiert, was andere ausblenden?
Ich bin im Krieg aufgewachsen, zehn Jahre Krieg, ich habe jede nur erdenkliche Scheiße gesehen. Das hat meinen Stil geprägt und ist auch der Grund, warum mich diese dunklen Seiten anziehen. Wenn du als Fotograf zu arbeiten beginnst, versuchst du immer das zu zeigen und einzufangen, was andere nicht sehen können. Ich bin von Extremen angezogen, extremen Situationen und Menschen, die mit ihnen zurechtkommen müssen.
boogie
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Wie schaffst du es in einer Welt, die für uns eine extreme Situation darstellt, für die Menschen unsichtbar zu werden, die du fotografierst?
Das ist genau der Punkt. Das ist der Moment, für den jeder Fotograf lebt: eine Fliege an der Wand zu werden. Ich weiß, das klingt nach einem Klischee, aber genau das ist es. Wenn die Menschen, die du fotografierst, dir keine Aufmerksamkeit mehr schenken, sondern einfach tun, was sie immer tun. Seien es Gangsters, Skinheads oder Drogensüchtige oder wer auch immer sie sind. Ich komme gut mit Menschen aus, ich behandle Menschen mit Respekt und urteile nicht über sie. Wenn du mit Menschen so umgehst, wirst du mit jeden gut auskommen.Wir sind alle gleich.
boogie
Hast du das auch den Skinheads erzählt, die du fotografiert hast?
Ein Freund eines Freundes war einer von ihnen. Er hat mich connected und der Rest ist einfach die Energie, die du ausstrahlst. Menschen können deine Intentionen spüren. Ich versuche nicht über Menschen zu urteilen. Wie ich schon sage, im Endeffekt sind wir alle gleich. Es ist oft nur eine Frage von kleinen scheinbar unbedeutenden Entscheidungen, wie du endest. Wer weiß, was noch passieren wird. Aber ja, die Skinheads haben mich akzeptiert. Ich hab sie mit Respekt behandelt und sie mich. Das ist alles. Ich folge meinen Instinkten und fotografiere meine Umwelt. Ich plane nie ein bestimmtes Bild. Ich habe meine Kamera bei mir und bilde das ab, was um mich herum ist.
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Boogie hat in Sao Paulo, New York, Belgrad, Tokyo, Istanbul, Neapel das dunkle Herz dieser Städte fotografiert.
Neben den Arbeiten, die auf seiner Website zu sehen sind, hat Boogie fünf Bildbände veröffentlicht.