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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 6. 2010 - 14:30

WM-Journal '10-19.

Und ewig blüht die holländische Hoffnung. Die Niederlande starten gegen Dänemark, und machen das über Taktik und Disziplin.

Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel.

Hier auch in der schönen Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, ab jetzt immer gegen Mittag.

Die Fakten zum Spiel Niederlande - Dänemark 2:0.

Alle FM4-Stories zur WM, alle Rundherum-Geschichten aus Südafrika, wie etwa Johnny Bliss' schöne Reportage.

Offizielles: die FIFA-Seite und die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen.

Public Viewing beim FM4 WM Quartier im Wiener WUK.

Es gibt ja Menschen, die bewerten die Qualität eines Fußball-Spiels nach der Anzahl der Tore; oder der aufsehenerregenden Aktionen.
Denen darf ich sagen: Ab mit euch in den Zirkus, zu atv-Reportagen über besoffenene Kids oder zu Gottschalk auf die Couch.

Die Qualität von Fußball liegt woanders: in der Simulation des Lebens. Und deshalb ist eine gute Organisation, aus der heraus Unerwartetes geschieht, letztlich mehr wert als hirnloses Tohuwabou.

Deshalb war die 1. Halbzeit im ersten Euro-Duell dieser WM auch alles andere als fad, sondern vielmehr eine echte Lehrstunde.
Vor allem für schlampig organisierte Teams aus lernfaulen und beratungsresistenten Fußball-Nationen wie der unsrigen.
Weshalb der Blick auf die beiden ausgefeilten Taktiken eben lohnt. Denn nur Dummköpfe köcheln gern immer im eigenen Saft.

Glücklicherweise, und nach viel Kritik hier im WM-Journal ist jetzt auch ein Lob fällig, hat ORF-Kommentator Polzer alles Wichtige bereits während des Spiels erklärt.
Wie nämlich die Holländer ihr unglaublich flexibel gespieltes 4-2-3-1 mit Hilfe der Außenverteidiger (da war doch was in Österreich, oder?) und der dauerrochierenden Offensive verfeinern.

Fast noch interessanter: die dänische Spielanlage. Die machen aus einem in der Grundformation etwas dröge aussehnden 4-5-1 im Angriffs-Fall nämlich ein blitzschnelles 3-6-1, nein, ein 3-3-3-1.
Der blonde Poulsen, der zentrale Mittelfeldspieler, läßt sich da nämlich zwischen die Innenverteidiger zurückfallen und sofort stoßen die beiden Außenverteidiger zu einer doppelten Flügelzange mit vor.
Das sieht nicht nur blendend aus, es erzeugt auch schnell personellen Gleichstand.

Und damit tun sich die Niederlande aktuell schwerer, die kommen kaum zu Überzahl-Situationen.
Weshalb es kaum Torszenen gibt, weshalb dann einfache Gemüter... womit wir wieder am Anfang wären...

In der 2. Halbzeit

also mit dem Eigentor und dem Rückstand bricht das dänische Spiel völlig zusammen. Morten Olsen stellt sein flexibles Spiel daraufhin auf das alte üblich starre nordische 4-4-2 um. Was allein noch nicht so schlimm wäre - jedes System ist nur so gut wie seine Bestzung.
Bloß: er nimmt Stürmer Bendtner und auch den guten Enevoldesn raus und bringt drei neue Mittelfeldspieler rein.
Wie das gehen soll?
Gar nicht.
Beckmann und Kahlenberg (später Eriksen) müssen Spitze spielen, was sie nicht können. Seine Stürmer (Larsen, Tomasson) läßt Olsen auf der Bank.
Dementsprechend kommen die Dänen zu genau keiner Chance mehr, nr Rommedahl rechts vorne entspricht halbwegs.

Klassisch vercoacht, würde ich sagen.

Um auf die Taktik-Lehrstunde der 1. Halbzeit und den heimischen Kommentator zurückzukommen.
Man sagt ja, dass der liebe Gott kleine Sünden sofort bestraft: in dem Moment, wo die aufklärerische Arbeit wieder dem Populisismus wich und Polzer glaubte wieder über Slowenien und Algerien herziehen zu müssen, ereilte ihn die bei dieser WM leider übliche Aussetzer, der erkennen läßt wie wenige oder gar keine Matches der heute hier tätigen Teams man sich in der Vorbereitung angesehen hat - Afellay, der klassische Flügel, würde als defensiver Mittelfeldspieler angekündigt. Blöd nur, dass er sich dann am rechten Flügel einfand - und demzufolge nicht mehr erwähnt wurde...

Bert Van Marwijk hingegen wechselt genau richtig. Er wollte für dieses Spiel ganz offensichtlich eine sehr genaue Umsetzung seines Plans und konnte deshalb mit dem was Rafael Van Der Vaart links aufführte nicht zufrieden sein. Den zog es dauernd in die Mitte ohne das abzugleichen, dazu künstelte und trickste er. Ich hab mich bereits gewundert, dass er nicht schon in der Halbzeit in der Kabine blieb und wegen Disziplinlosigkeit zusammengeschissen wurde.

Wie sich der Bonds-Coach das vorgstellt hatte, sah man nahc der Einwechslung von Elia, der diese linke Offensiv-Rolle vorbildlich bediente.
Auch der nächste Wechsel war für die Stärkung des heutigen Systems wichtig: Van Persie raus, Kuyt (der ja auch Mittelstürmer spielen kann) in die Zentrale und Afellay auf die rechte Flanke. Klappte auch hervorragend - erst in dieser Konstalletion wurden echte Chancen herausgespielt.

Die niederländische Frage

Trotz dieses dann überlegen ausgespielten Sieges stellt sich eine Frage: wie sehen die Holländer aus, wenn sie in Rückstand geraten? Haben sie dann auch die Ruhe, können sie dann auch so geduldig warten?

Und, weil ich mir diese Frage gerade stelle - wie wird es Deutschland, England und Argentinien, den anderen Tagesweltmeistern in so einer Lage ergehen?

Ich würde meinen: die sind allesamt anfällig. Argentiniens verhaute Torchancen sind ein Zeichen, wenn Deutschlands Offensive böse behandelt wird, kann das auch schiefgehen und England hat bereits ein halbes Mal verloren.