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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 6. 2010 - 21:30

WM-Journal '10-12.

Vom interessanten Schlagabtausch zur matten Enttäuschung. Frankreich gegen Uruguay, tor- und willenlos.

Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - ab jetzt mit einer Ausgabe zu jedem Spiel; sofern sich das ausgeht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast.

Die Fakten zum Spiel Frankreich - Uruguay 0:0.

Das FM4 WM Quartier im Wiener WUK

Die WM 2010: Die Übersicht.

Alle FM4-Stories zur WM, alle Rundherum-Geschichten aus Südafrika, wie zum Beispiel das grandiose Südafrika-ABC von Anna Mayumi Kerber.

Und: die FIFA-Seite, die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen, der WM-Auftritt des Guardian.

Schön!
Ich kann wieder direkt ans letzte Journal anschließen: Sollten am Abend, steht da, Frankreich und Uruguay schlechter aussehen, dann kann sich Südafrika gleich auch noch zum Favoriten erklären (was der Atmo im Lande sicher gut tun wird).
Das ist zwar übertrieben - und es steht ja auch noch eine Halbzeit an; aber: das ist wirklich nichts.
Und es ist:

Wieder einmal nichts...

Wie schon 2008 bei Frankreich: laff, schwach, mager.
Und, wie, äh, jetzt muss ich rechnen... hm, gefühlt seit IMMER bei Uruguay (die womöglich 1970 das letztemal Klasse hatten, das Turnier kenne ich vom WM-Film, den ich als Kind und seither öfter gesehen hab).

Gut, dass Frankreich aktuell in der Scheiß-Gasse logiert, das weiß jeder Österreicher, weil es Franck Ribery ja in Klage-Telefonaten David Alaba erzählt, der das dann weiterträgt.
Und dass Domenechs neues 4-3-3 außer mehr Quer-Geschiebe im Mittelfeld (auch wenn ich die Art wie etwa Diaby querschiebt schon schätze. Das hat Klasse, durchaus) wenig bringt, das unken viele schon lange. Denn: das Flügelspiel wird dadurch nicht verstärkt. Ribery ist links stark, Govou aber rechts schwach, Anelka hat keine Rochier-Fähigkeiten (wie sie Henry hätte) und Gourcouff dahinter fiel bislang nur durch seine Standards auf - allerdings sein frecher Freistoß aufs kurze Eck, schon wild, was?

Das mit Frankreich war also klar.

Aber. Warum. Dann. Wieder. Uruguay.
Warum bin ich so doof und setze jedesmal Hoffnung in diese alte Leidenschaft. Tabarez' Urus sind wie ein Treffen mit einer alten Bekannten, auf das du dich freust, weil du sie ja magst. Und dann, nach kurzer Zeit geht sie dir dann ordentlich auf die Nerven und dann fällt dir wieder ein, warum du sie so selten siehst.

So ist das hier auch.
Die könnten, vom Potential her. Und auch von der Strategie.
Prinzipiell ist ihr 3-4-1-2 ja interessant; und mutig auslegbar.
Zwei schnelle Außenspieler, ein Zentraler hinter diesen zwei Götter-Spitzen - alles ist angerichtet.

Wie sie's allerdings dann interpretieren - ein Jammer.
Alle, also alle, auch der Offensiv-Zentrale (diesmal Nacho Gonzales) hängen zurück, blocken und schlagen Bälle wild nach vor. Das ist kein echtes Konterspiel, sondern Angst-Fußball.

Dabei wäre das eben nicht notwendig. Es gibt genug kreatives Talent - tendenziell aber auf der Uru-Bank.

Ich will in der 2. Halbzeit zumindest ein verbessertes Team sehen. Dem vergönne ich dann den Erfolg. Die anderen habens vergeigt.

Kein Sieger und so

Interessant, so eine beschwörende Halbzeit-Ansage dann, nach Spielschluß ernstzunehmen. Ich könnte mich mit der Tatsache, ab sofort Frankreich und Uruguay mit Verachtung zu betrachten, anfreunden. Aber dann kommt ein neues Spiel, und - ich kenn mich - ich verliebe mich neu.

Das einzige, was bei den Blauen stimmt: William Gallas ist der ungute Wickel um seine Person und sein Kapitänsamt, der ja alles über die Saustall-Stimmung bei der Equipe tricolore aussagt, nicht anzumerken.

Tatsächlich, wie angedroht, in der sortlichen Krise ist hingegen Tormann Lloris.

Aber nehmen wir die 2. Halbzeit her:
Es gab keine ernsthafte Torchance der Franzosen, ab der 60. nicht einmal einen echten Torschuss. Und, nein, das angschossene Hands von Henry war weder das eine noch das andere.
Da hatte der in jeder Faser seiner Existenz enttäuschende Traumsturm Forlan-Suarez mehr: eine nämlich. Langer Einwurf Alvaro Pereira, Suarez legt ab, Forlan knallt volley... das hätte ein Tor verdient gehabt. Aber sonst...

Bei beiden Mannschaften hat sich die Spielanlage also substanziell nicht gebessert.

Die Franzosen haben, nach einer Umstellung auf ihr altes 4-2-2-2 nach der Einwechslung von Malouda in der 75. Minute, halt dort ihren Stiefel gespielt - wenig Ideen, ausrechenbares Flügelspiel.
Ribery war rechts wirkungsloser als links.
Henry hat zwar den einen Kopfball, den er kaum besser setzt als Anelka seine gefühlten zwölf, aber wirklich gut war das alles nicht. Und einen Totalausfall wie Govou nicht schon in der Halbzeit durch Malouda zu ersetzen: hirnverbrannt.

Domenechs falsches Getäuschel rächte sich im übrigen in der 93., als es diese letzte Freistoß-Szene gab, die die Urus hochnervös hätte erwischen können. Der beste Schütze, Gourcuff, war schon draußen, ein taktisches Opfer - um Govou drinhalten zu können.

Schlachtengemälde

Washintgton Tabarez Strategie mit Uruguay blieb so knöchern wie seine Gesichtszüge am Spielfeldrand. Die Pereira-Flügelzange mühte sich redlich, war aber gegen die französischen Pärchen (vor allem Evra-Ribery!) an den Seiten oft überfordert.

Lustig, dass der Kommentator, der im WUK zu hören war, überhaupt nicht erkannt hatte, dass die Urus eine Dreier-Abwehr spielen, sondern den vor dem Spiel von den Experten abgemalten Blödsinn eines 4-4-2 übernommen hatte...
Das war nämlich erst in den letzten 10 Minuten so halbwegs richtig, als man mit zwei Viererketten und dem vorne ackernden Abreu abschottete.
Naja, wer wird sich denn auf das, was auf dem Spielfeld abgeht, verlassen, wenn man einen vorfabrizierten Zettel hat, auf dem steht, wie's sein wird...

Die Mittelfeld-Zentrale brachte (außer den klassischen Uru-Defensiv-Stoppschildern) nichts zusammen. Ich glaube, da in der Preview schon Zweifel geäußert zu haben. Ich glaube dort auch u.a. dieses Burschi, Lodeiro von Ajax, gefordert zu haben. Ich war dann beglückt als er kam und bin im Boden versunken, als er keine 20 Minuten später wieder des Platzes verwiesen wurde. Peinlich (auch für mich).

Und vorne war es genau gar nicht der Tag von Luis Suarez, der keinen einzigen seiner Tempo-Sprints ansetzen konnte; und auch kaum der Tag des Diego Forlan, der des öfteren das Spiel aufhielt anstatt es anzutreiben.

In der Schluss-Phase, wenn man ehrlich ist, schon ab der 75. Minute, also noch vor Lodeiros Ausschluss, wollte Uruguay den einen Punkt über die Runden verteidigen.

Was dann, in einem durchaus ansehlichen Unterzahl-Fight mit vielen sich dem Gegner entgegenwerfenden Körpern, wahren Schlachtengemälden gleichend, auch durchaus formschön gelang.
Wenn man auf Defensiv-Fußball steht.
Was ich auch tue, hin und wieder.
Und von Uruguay ja auch durchaus gewohnt bin.
Wiewohl ich dann doch immer und immer wieder drauf baue, dass irgendwann einmal das offensive und kreative Potential abgerufen wird.
Hab ich die Geschichte von der guten Bekannten schon erzählt?
Ahja.

Gruppe A, Runde 1, Fazit:

Mexico hat die spielerisch und taktisch reifste Truppe, aber ein Manko in Setzen des Punshes.
Südafrika hat die Kraft, sich in Rage und Laune zu spielen, zumindest einmal selber in Aussicht gestellt.
Frankreich hat Nichts: keinen Trainer, keinen Captain, keinen Angriff, keine Idee und eine halbgare Strategie, die nicht gut eingeübt ist.
Und Uruguay hat die längste Enttäuschungs-Serie überhaupt prolongiert.