Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Nova Rock 2010 - Tag 3"

Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

14. 6. 2010 - 13:25

Nova Rock 2010 - Tag 3

Killswitch Engage wirbelten eine Menge Staub auf, die Deftones wirkten fit und soundtechnisch so gut wie lange nicht und Alice In Chains stellten alles in den Schatten.

Finden Sie den Fehler:

  • Alice In Chains (Blue Stage, 18.15 - 19.20)
  • Deftones (Red Stage, 19.35 - 20.45)
  • Killswitch Engage (Red Stage, 21.15 - 22.30)
  • Bullet For My Valentine (Red Stage, 23.00 - 00.30)

Nach meinem subjektivem Empfinden hätte hier jede der drei ersten Bands die Position des Headliners verdient, die Metalversion von Tokio Hotel namens Bullet For My Valentine allerdings ganz sicher nicht (oje, da werden die Fans jetzt aber mit mir schimpfen).

Die Definition des Rock

Alice In Chains

Dominique Hammer

Man gestatte mir nun ein wenig Schwärmerei über den Auftritt von Alice In Chains, der mich so dermaßen umgeblasen hat, dass mir jetzt noch ohne Pause wohlige Gänsehautschauer über den Rücken rieseln. Die wussten trotz anfänglicher Skepsis bereits vor vier Jahren sehr zu gefallen, als sie mit ihrem neuen Sänger William DuVall auf dem Nova Rock spielten. Damals gab es allerdings keine neuen Songs, sondern ausschließlich bereits bekanntes Material, welches noch zu Lebzeiten des verstorbenen Sängers Layne Stayle aufgenommen wurde.

Wer die Band mit dem neuen Sänger noch nicht gehört hat, dem wird bei Klassikern wie "Damn That River", "Would?" oder "We Die Young" wohl die Kinnlade runtergeklappt sein. DuVall kann zweifelsfrei überzeugen, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, verkrampft Layne Stalyey zu imitieren. Er klingt ähnlich, ja, hat aber trotzdem eine erkennbare eigene stimmliche Identität und es ist die Kombination mit der Stimme von Jerry Cantrell, die es ihm erleichtert, in den übergroßen Fußstapfen von Layne Staley zu bestehen.

Jerry Cantrell

Dominique Hammer

Jerry Cantrell

Die Songs ihres ersten in dieser Formation entstandenen Albums Black Gives Way To Blue fügten sich nahtlos zwischen die Klassiker ein. Es war nicht wie zumeist, dass die Stimmung im Publikum während der Darbietung von neuerem Material ein wenig abflacht, denn auch Songs wie "Check My Brain", "Your Decision" und "Acid Bubble" wurden ebenso frenetisch begrüßt wie die Klassiker der Band.

In dieser Besetzung waren sie ja bereits vor vier Jahren auf dem Nova Rock. Laut Bassisten Mike Inez und William DuVall, die ich eine Stunde zuvor die Ehre hatte zu interviewen und die sympathischerweise auf Rockstargehabe überhaupt nichts geben, waren sie damals gerade dabei, zu einer neuen Einheit zusammenzuwachsen. Etwas neues war am entstehen und es fühlte sich für alle Beteiligten gut an. So gut, dass dabei das Album "Black Gives Way To Blue" entstanden ist, wodurch diese Einheit klarerweise noch mehr zusammengeschweißt wurde.

Das vermeinte man während dieses famosen Auftritts auf jeden Fall zu hören und vor allem zu fühlen. Wer nach ihrem letzten Album immer noch Zweifel hatte und dieses Konzert gesehen hat, dürfte wohl spätestens jetzt überzeugt sein. Von Alice In Chains kann man noch große Dinge erwarten und ich freue mich jetzt schon darauf.

Fit wie die berühmten Turnschuh

Das Set der Deftones begann kurz nach dem Ende des Auftritts von Alice In Chains auf der anderen Bühne, weshalb ich die ersten zehn Minuten ihres Konzerts leider versäumen musste. Zugegebenermaßen waren mir das Jerry Cantrell und Co. allerdings wert.

Chino Moreno von den Deftones

Dominique Hammer

Chino Moreno

Ich war davor offen gesagt auch einigermaßen skeptisch, denn von diesen Herren aus Sacramento, die das Wort Nu-Metal gar nicht gerne hören, wenn man über sie redet, habe ich erst einen einzigen Auftritt gesehen, der mich wirklich überzeugen konnte. Das ist allerdings schon ein Weilchen her, war es doch zur Tour von "Around The Fur" Ende der 90er zusammen mit dem Support Will Haven in der Wiener Arena.

Fast alle Auftritte danach (jenes vom Nova Rock Encore vor vier Jahren ausgenommen) waren irgendwie durchwachsen und meist lag es an einem Sound, der jeder Beschreibung spottete.

Wie schön können doch angenehme Überraschungen sein, wenn man keine großen Erwartungshaltungen hat. Nach vielen soundtechnisch sehr furchtbaren Konzerten war die Beschallung an diesem Abend endlich einmal so, wie sie der Deftones würdig ist. Einen so netten und vor allem sehr fit wirkenden Chino Moreno hat man so auch schon länger nicht gesehen. Allein das ließ mich dann doch recht staunen.

Zu Anfang gab es offensichtlich Probleme mit dem Monitor von Chino Moreno, der andauernd böse Blicke zum Bühnenrand schickte - dann wurde das Konzert überhaupt für ein paar Minuten unterbrochen. Was auch immer da los war, die Bandmitglieder schauten etwas genervt in Richtung des am Bühnenrand verschwundenen Sängers, der sich dann aber artig für sein Verschwinden entschuldigte. Jetzt schien offensichtlich die Welt wieder in Ordnung und es ging weiter.

Die Deftones übertrieben es glücklicherweise nicht mit Ansagen wie "This is from our new album...", wobei natürlich auch Songs vom kürzlich veröffentlichten "Diamond Eyes" gespielt wurden, das meines Erachtens ja wieder mehr in die Richtung ihres für viele bisher besten Albums "White Pony" geht. Mit Songs wie "Knife Party" oder "Passengers" war man davon zum Glück auch nicht geizig und die alltbekannten Deftones Klassiker "My Own Summer (Shove It) sowie "Be Quiet And Drive (Far Away)" fehlten ebenso wenig.

Chino Moreno gab sich gesanglich keinerlei Blöße, ganz im Gegenteil, denn bis in die höchsten kreischenden Höhen nahm er alle Hürden, die er sich selbst durch viele gute Deftones Alben selbst auferlegt hat. Auch der aus New York stammende Bassist Sergio Vega, der zur Zeit den nach einem Autounfall im Wachkoma liegenden Chi Cheng ersetzt, scheint völlig in die Band integriert.

Mit "7 Words" am Ende war dann allerdings Schluss. Leider viel zu früh, denn man hätte den Deftones sicher gerne noch länger zugehört. Ich hoffe hiermit auf eine Tour in der Halle mit einem Full-Length-Konzert.

"Without you, the fans, we would be nothing"

Howard Jones von Killswitch Engage

Dominique Hammer

Howard Jones

Gitarrist Adam Dutkiewicz mag sein bekannt für dumme Bubenwitze und eigenartige Kostümierungen auf der Bühne (dieses Mal mit Superman Umhang), für diese Ansage verzeiht man ihm sogar beinah' die blödesten Scherze. Killswitch Engage waren ja bereits letztes Jahr auf der Red Stage beim Nova Rock zu Gast und ohne den Titel eines Songtitelbuchhalters annehmen zu wollen, die Setlist war jener von vor einem Jahr sehr ähnlich.

Gestört hat das niemanden und die US Amerikaner legten ein Set hin, das von A bis Z technisch schlicht und ergreifend brilliant war. Da zog man vor der Band gleichermaßen die imaginäre Mütze wie vor dem frenetischen Publikum. Ab den ersten Takten der Eröffnungsnummer "Rose Of Sharyn" entstanden da Rauchwolken aus Staub, die manche optisch aus der Ferne vielleicht sogar für ein Konzert von Rammstein gehalten haben könnten. Von der Bühne sah man manchmal beinahe nichts mehr und von diesen Fans war sogar die Band sichtlich beeindruckt.

Staubalarm bei Killswitch Engage

Dominique Hammer

Sänger Howard Jones, nach kurzer Zwangspause zum Glück wieder dabei, legte über die Metalcore-typischen Stakkato-Gitarrenriffs ohne Probleme abwechselnd seine wunderschönen Gesangslinien und Gebrüll aus tiefster Lunge. Mir ist ja nach wie vor ein Rätsel, wie er das hinbekommt, ohne sich dabei die Stimme zu ruinieren, aber selbst bei Songs wie "My Last Serenade" oder "My Curse" gab es weder von ihm noch von der perfekt spielenden Band irgendwelche Patzer.

Wer Killswitch Engage schon letztes Jahr hier gesehen hat, weiß, dass sie bereits damals die Coverversion von Ronnie James Dio's "Holy Diver" spielten. Dieses Mal war dieser Song als Ehrung für diese Metal-Ikone allerdings auf jeden Fall Pflicht, nachdem James am 16. Mai tragischerweise verstorben war. Ein würdiger Abschluss eines durchwegs gelungenen Konzerts.

Ich gebe hiermit gerne zu, dass ich als persönlichen Abschluss des Nova Rock 2010 lieber Alice In Chains gesehen hätte, nichtsdestotrotz haben sich Killswitch Engage diesen Auftritt als heimlicher Headliner der Red Stage über alle Maßen verdient. Dem war auch letztes Jahr schon so, denn das war einfach ganz groß. Danach brauchte nichts mehr zu kommen.

Über das Konzert der Beatsteaks zum Finale auf der Blue Stage zeigt sich Frau Hofer begeistert und schwärmt wie folgt:

You call it entertainment they call it work – Die Beatsteaks

Atomic Love läutete das Finale furioso der Blue Stage am Nova Rock ein. Die charmanteste Band der Welt als Headliner, der weder pyrotechnischen Firlefanz nötig hat, noch träumende Teenagerherzen falschsingend auf der Bühne benötigt. So simpel und gut können Konzerte sein: just sweet music and what she´s doin to me.

Seit Junibeginn touren die Schnitzels quer durch Europa und melden sich damit aus dem temporären Ruhestand zurück. Bereichert um ein Bläsertrio in eleganten Anzügen, legt man momentan, back to the roots, auf keine Bühnenoutfits wert. Noch immer mit Kanonen auf Spatzen schießend, feuerten die Berliner Hits, Klassiker, Covers in den Massenauflauf. You name it, sie spielten´s. Egal ob 50 oder 50.000 Menschen, Mr.Charming Arnim spielt mit den Massen, als ob wir Wachs in seinen Händen wären.

Die zwischenzeitlichen Sturmwarnungen krepierten im Rohre, anscheinend hatten die Beatsteaks auch Wind und Regen unter Kontrolle – für die Dauer des Konzerts zumindest. Summa Summarum gibt es wenig Bands, die der Erfolg menschlich und musikalisch nicht abheben lässt; nicht nur deshalb sei er gerade den Beatsteaks von Herzen vergönnt. Es hat gut getan, straighten Beatsteaksrocknroll als festivalbeendenden Headliner zu sehen.

Get down with OPP klingelte anschließend das Feuerwerk ein und das Nova Rock Festival 2010 aus. Danke.