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Anna Mayumi Kerber Nairobi

Reportagen und Geschichten aus Ostafrika.

11. 6. 2010 - 06:00

Das ABC des südafrikanischen Fußballs

Von A wie Apartheid bis Z wie Zakhele Sigcawu.

von Anna Mayumi Kerber und Niels Posthumus

Heute erfolgt in Johannesburg der Anpfiff zur Fußballweltmeisterschaft – der ersten auf dem afrikanischen Kontinent. Milliarden Menschen werden sie im Fernsehen verfolgen, hunderttausende Fans zum südlichsten Zipfel des Kontinents anreisen. Doch was wissen wir vom Fußballsport in der Kaprepublik? Südafrika blickt auch eine komplexe Geschichte voll Rassismus und Unterdrückung zurück, das Spiel mit dem runden Leder blieb davon nicht verschont. Jahrzehntelang war Fußball ein Minderheitensport, die Freizeitbeschäftigung der schwarzen, unterdrückten Mehrheit. Die weißen Buren, auch Afrikaaner genannt, dagegen spielten Rugby. Doch bereits unter dem Apartheidregime gewann der Fußball an Popularität, die nun mit der WM einen Höhepunkt erreicht...

  • A: Apartheid

Das politische System der Apartheid wurde 1948 in Südafrika eingeführt. Die Regierung der weißen Elite verschärfte bestehende gesellschaftliche Trennungen entlang der Rassenlinien und schrieb diese in Gesetzen fest. Diese Einteilung ging von der von der Überlegenheit der weißen Rasse aus. Alle Bewohner des Landes wurden anhand ihrer Hautfarbe klassifiziert in Weiße, Asiaten, Farbige und Schwarze. Welcher Gruppe man zugeordnet wurde, bestimmte auch, welche Arbeit man zu verrichten hatte, in welcher Gegend man wohnen, wen man heiraten durfte und welche Schule die Kinder besuchen konnten. Ebenso bestimmte die Hautfarbe, welchem Fußballklub man beizutreten erlaubt war. Von den 50er Jahren an, gab es getrennte Ligen für Weiße, Schwarze und Farbige. Weiße Clubs spielten auf gut gepflegten Rasen und freuten sich über Subventionen aus Regierungsgeldern. Schwarze Clubs erhielten dagegen keine Förderung und mussten selbst um das Recht auf ein kleines Stück Land für ihre Fußballfelder kämpfen.

  • B: Bafana Bafana

... ist der Kosename des südafrikanischen Nationalteams. Es bedeutet: „Boys, Boys“ auf Zulu. „The boys“ verdanken ihren Namen zwei namhaften Sportreportern aus Soweto, den SOuth WEstern TOwnships von Johannesburg. Als Südafrika nach Abschaffung der Apartheid 1990 wieder zu internationalen Bewerben zugelassen wurde, feuerten die Reporter die Mannschaft mit diesem Zuruf an. 1992 bestand die Nationalelf aus einem Team von Newcomern auf der internationalen Fußballbühne, ein Team von jungen Spielen – „the boys“. Ein Kosenamen der ihnen erhalten bleiben sollte.

  • C: Charles Dempsey

Charles Dempsey hat sich in Südafrika viele Feinde gemacht. Der Neuseeländer verhinderte, dass bereits die letzte Fußballweltmeisterschaft in Südafrika stattfand. Schon vor der Abstimmung des FIFA Komitees im Jahr 2000 waren Deutschland die Hälfte der 24 Stimmen gewiss. Südafrika erwartete neben den restlichen 11 Stimmen auch jene von Dempsey. Als Vorsitzender der ozeanischen Konföderation hatte der den Auftrag die Kaprepublik zu unterstützen. Dann wäre FIFA-Chef Sepp Blatter das Zünglein an der Wage gewesen – dessen Sympathien Südafrika galten. Doch Dempsey enthielt sich der Stimme, die WM 2006 fand in Deutschland statt. Die Südafrikaner waren außer sich, ähnlich war die Stimmung in Neuseeland. Der neuseeländische Sportminister nannte seinen Landsmann „eine internationale Schande“, die Ministerpräsidentin rief den südafrikanischen Regierungschef an, um sich persönlich für das Verhalten Dempseys zu entschuldigen. Vermutungen über das Motiv für Dempseys Entscheidungen reichen von persönlichen Sympathien über Bestechung bis hin zur Morddrohung. Den wahren Grund für seine Entscheidung nahm er 2008 mit ins Grab.

  • D: Danny Jordaan

Daniel Alexander „Danny“ Jordaan ist Vorsitzender des Organisationskomitees der WM 2010. Jordaan wurde 1951 in Port Elizabeth an der Südwestküste Südafrikas geboren. 1970 trat der als „farbig“ Klassifizierte der Antiapartheidbewegung bei. Seine Fußballkarriere im Folgejahrzehnt war nur von kurzer Dauer. Doch begann er seine politische Aktivitäten mit seiner Liebe zum Sport zu vereinen – mit Erfolg. Ende der Neunziger wurde er zum Vorsitzenden des südafrikanischen Fußballverbunds ernannt und agierte in verschiedenen Funktionen des Fußballweltverbands FIFA. Nachdem die Entscheidung über die WM 2006 auf Deutschland gefallen war, zählte er zu Kritikern des Eurozentrismus der FIFA: „Afrika ist Mitglied der FIFA-Familie und eine Familie kann nicht immer nur ein Kind füttern und ein anderes verhungern lassen – was sie heute getan haben.“

  • E: Exklusivität

Die Apartheidpolitik beförderte die Südafrika ins Abseits der internationalen Sportarena. Von den Sechziger Jahren an wurde Südafrika sukzessive von allen internationalen Teamsportbewerben und zahlreichen Einzelsportbewerben ausgeschlossen. Südafrika war damit das erste Land, das vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ausgeschlossen wurde.
Auch durfte Südafrika aufgrund seiner diskriminierenden Politik nicht am ersten Afrika-Cup 1959 teilnehmen, nachdem sie sich bereits qualifiziert hatte. Die rassistisch organisierte FASA (Football Association for South Africa) hatte auf ein rein weißes Team bestanden. Als sie wiederholt Aufforderungen ignorierte, ihre diskriminierenden Statuten zu ändern, fand 1961 das „Waterloo des südafrikanischen Fußballs statt: Die CAF (Confédération Africaine de Football, das afrikanische Pendant zur europäischen UEFA) schloss Südafrika von all ihren Bewerben aus. Die Sperre erfolgte auf unbestimmte Zeit. Erst mit der Implementierung der SAFA (South African Football Association) 1990 wurde Südafrika zu wieder zu internationalen Wettstreiten zugelassen.

  • F: FNB stadion

Errichtet auf einer ehemaligen Goldmine zählte das FNB Stadion Ende der Neunziger zu den größten Fußballstadien der Welt. Dort, zwischen Johannesburg und Soweto, hielt Nelson Mandela 1990 nach 27 Jahren Gefangenschaft eine seiner ersten Protestversammlungen ab. Auch der bisher größte Fußballtriumph des Landes wurde dort gefeiert. 1996 konnte der damalige Präsident Nelson Mandela der Bafana Bafana den Pokal des Afrikameisters überreichen. Für die anstehende Weltmeisterschaft ist das FNB Stadion weitgehend abgebrochen worden. An seiner Stelle wurde Soccer City errichtet. Mit 95.000 Sitzplätzen ist es das größte Stadion der WM-Geschichte und Austragungsort des Eröffnungsspiels am 11. Juni, sowie des Finales am 11. Juli.

  • G: Green Point stadion

Anders als Soccer City in Johannesburg liegt das Kapstädter Greenpoint Stadion abseits der Townships, wie Khayelitsha oder Gugulethu. Offiziell das Cape Town Stadion genannt, verfolgt diese Spielstätte hohe Ansprüche in Sachen Architektur. Als „moderner Blickfänger“ will es mit dem Opernhaus von Sydney verglichen werden. Mitten in der Stadt gelegen ist das Stadion heftiger Kritik ausgesetzt: Es würde das Stadtbild stören, es würde keine ausreichende Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel geben, um die 67000 Zuschauer zu und von dem Stadion zu befördern; es stehe in einem weißen Viertel, angrenzend an die touristische Waterfront, ein Einkaufszentrum mit teuren Geschäften und hippen Bars, während schwarze Fußballliebhaber nicht einmal das Geld für Bustickets dorthin hätten.

  • H: Hector Pietersen

Nicht nur der afrikanische Fußballverband (CAF) sondern auch die FIFA schloss Südafrika 1961 wegen der Apartheidpolitik von allen Fußballbewerben aus. Die FIFA hob den Bann zwei Jahre später wieder auf. Erst die blutigen Aufständen 1976 und der damit einhergehenden heftigen Kritik der internationalen Gemeinschaft, wurde der Fußballweltverband an seine humanitären Prinzipien erinnert. Am 16. Juli 1976 machten sich tausende Schüler in Soweto auf zum Fußballstadion im Viertel Orlando, um gegen das Apartheidregime zu protestieren. Es war ein friedlicher Protestmarsch. Doch die südafrikanische Polizei eröffnete das Feuer – 23 Tote waren die Folge. Unter den Opfern befand sich der 13-jährige Hector Pietersen. Der Fotograf Sam Nzima hielt den Anblick des sterbenden Jungen in den Armen eines Mitschülers mit der Kamera fest. Das Foto wurde zum Symbol des Widerstands gegen das Apartheidregimes und erlangte Weltruhm. Der internationale Aufschrei, der folgte, veranlasste die FIFA zu einem erneuten Ausschluss Südafrikas von seinen Wettbewerben, der bis 1990 andauern sollte.

  • I: Indres Naidoo

Die womöglich faszinierendste Fußballinitiative Südafrikas wurde auf Robben Island ergriffen. Auf der Gefängnisinsel vor der Küste Kapstadts, wo auch Mandela inhaftiert war, erwachte die Makana Football Association zum Leben – der Fußballverband der Gefängnisinsassen. Indres Naidoo war einer der Hauptorganisatoren des Verband, der aufgeteilt in drei Ligen streng nach den offiziellen Regeln der FIFA geführt wurde. Diese entnahm er einem Handbuch, das zufällig in der Bibliothek des Gefängnisses auflag. Das erste Match fand im Dezember 1967 statt, nach drei Jahren mühsamen Lobbyings bei den Gefängniswärtern. Bis zur Auflösung der Haftanstalt 1990 sollten den Gefangenen der Fußball erhalten bleiben. Dem berühmteste Häftling der Insel, Nelson Mandela, blieb die Teilnahme jedoch verwehrt. Mandela saß in Einzelhaft und die Gefängnisleitung schloss Sektion B, die Abteilung politisch Gefangener mit Führungsfunktion, von der Teilnahme aus.

  • J : Jacob Zuma

Auch wenn Mandela auf Robben Island nicht mitkicken durfte, befanden sich unter den Mitglieder der Makana Association andere spätere Polit-Stars. In den Sechziger und Siebziger Jahren gab es sechs Clubs auf der Insel, mit jeweils eigener Führungsriege und interner Organisation und einem Team für jede der drei Ligen. Insbesondere die Spiele der A-Division, der stärksten Liga, nahmen die Gefangenen ernst. Die Fußballstars dieser waren die Helden der Insel. Ein robuster Verteidiger war unter diesen. Nicht besonders athletisch, aber mit unübersehbaren Führungsqualitäten und daher Kapitän der A-Liga-Mannschaft Rangers, das vorwiegend aus Anhängern der Widerstandsbewegung ANC (African National Congress), der heutigen Regierungspartei, bestand: Jacob Zuma, derzeitiger Präsident der Kaprepublik.

  • K: Kaizer Chiefs

Der populärste Fußballclub Südafrikas wurde 1970 gegründet. Ziehvater ist Kaizer Mutaung, ein legendärer Spieler der Orlando Pirates, der zweite Club von Soweto und damit größter Rivale der Chiefs. Mutaung spielte in den USA für die Atlanta Chiefs. Nicht nur den Namen, sondern auch die damals revolutionäre Organisationsstruktur brachte er in seinen neuen Club ein. Die Begegnungen der Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates sind intensiv und spalten die Nation in zwei Lager. 16 Millionen Menschen zählen heute zu den Amakhosi, den Anhängern der Kaizer Chiefs. Die gelbschwarzen Clubfarben sieht man nicht nur in Johannesburg, sondern im ganzen südlichen Afrika.

  • L: Lucas Radebe

Lucas Valerius Radebe war einer der Stars des Nationalteams, das 1996 den Afrika Cup in Südafrika gewann. Noch immer zählt er zu den besten Spielern, die das Land jemals hervorgebracht hat. Radebe spielte Anfang der 90er für die Kaizer Chiefs, nur einen Steinwurf von seinem Geburtshaus entfernt. 1994 wurde der Mittelfeldspieler an den britischen Top-Club Leeds United verkauft. Mit Radebe als Mannschaftskapitän erspielte Leeds 2000 das Halbfinale der UEFA Champions League. Er war der erste Südafrikaner, der ein Team in der britischen Premier League anführte. Bei den Fans des Clubs war Radebe besonders beliebt. So kam es auch nicht von ungefähr, dass sich eine Pop-Band aus Leeds nach seinem alten Club benannte.

  • M: Manong FC

Der Manong Fußball Club war zunächst das stärkste und populärste Team der Makana Liga auf Robben Island. Es war die einzige Mannschaft, die nicht entlang politischer Linien zusammengesetzt war. Stattdessen diente alleine das Können der Spieler als Auswahlkriterium für die Aufstellung. Anhänger verschiedener Widerstandsbewegungen wie dem PAC (Pan African Congress) oder dem ANC (African National Congress) – der heutigen Regierungspartei – kickten gemeinsam in einem Team. Die Leitung hielt Tony Suze, für viele einer der talentiertesten Fußballer auf der Gefängnisinsel. Der FC Manong gewann im ersten Jahr 1969 haushoch die Meisterschaft der A-Division, und musste dabei nur eine einzige Niederlage einstecken.

  • N: Nelson Mandela

Der Nationalheld war in seiner Jugend kein großer Fußballfan. Sein Interesse galt dem Boxsport. Während seiner Zeit in Gefangenschaft auf Robben Island lernte er jedoch die Macht des Fußballs kennen. Zwar saß er in isolierter Einzelhaft und durfte sich weder am Sport beteiligen, noch die anderen Gefangenen anfeuern. Doch war er über das Geschehen informiert und begriff, dass der Sport nicht nur für die Moral der Häftlinge wichtig war. Auch barg der Fußball ein enormes Potenzial, Grenzen zu überschreiten und die Spieler zu vereinen. Als Staatspräsident und Nobelfriedenspreisträger machte er von dieser Erkenntnis Gebrauch. Niemals verpasste er ein großes Sportereignis und nutzte sportliche Wettkämpfe dazu, um mit Nachdruck an die Versöhnung und die Wiedervereinigung des Landes zu erinnern. Als Südafrika 1995 die Rugby-WM gewann, überreichte er dem Kapitän der Mannschaft den Pokal in dem Dress der fast ausschließlich weißen Mannschaft angeblich mit den Worten: „Danke, Herr Pienaar, für alles, das sie für das Land getan haben.“ Der Mannschaftskapitän soll die Trophäe mit den Worten „Ich danke ihnen, Herr Mandela, für alles, was sie getan haben,“ entgegen genommen haben. Eine Szene, die in die Geschichte der Versöhnung des Landes eingehen sollte. Es war Mandela ein besonderes Anliegen die Fußball-WM nach Südafrika zu holen.

  • O: Orlando Pirates

Die Orlando Pirates sind nach den Kaizer Chiefs der populärste Mannschaft in Südafrika. Der Club, dessen Fangemeinde auch Buccaneers genannt wird, wurde 1937 in Orlando, einem legendären Viertel der Townships von Johannesburg gegründet. In einer Straße wohnten dort einst gleich zwei Nobelfriedenspreisträger: Nelson Mandela und Erzbischof Desmond Tutu. Die Spieler der Orlando Pirates waren lange Zeit unbezahlt, wurden Vorbilder und Superstars der Nachbarschaft. Die Pirates erlebten ihre glorreichsten Tage in den 70er Jahren. Vier Staatsmeistertitel konnte der Club in diesem Jahrzehnt für sich beanspruchen. 1995 gewannen sie die afrikanische Version der Champions League. Eine Leistung, mit der bis dato noch kein anderes südafrikanisches Team mithalten konnte.

  • P: Pietermaritzburg County

Gegründet im Jahr 1879 in der Provinz Natal, soll Pietermaritzburg County der erste offizielle Fußballverein Südafrikas gewesen sein. Britische Kolonialherren hatten den Fußball in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Kapkolonie gebracht. Es gibt Hinweise darauf, dass bereits 1862 das erste Fußballturnier in Port Elizabeth stattfand. Laut einer Ankündigung in der Zeitung Cape Argus standen sich dort am 23. August zwei Teams von britischen Soldaten und Kolonialbeamten gegenüber. Von offiziell registrierten Clubs war damals jedoch noch keine Rede. Durban, die Hauptstadt der Natal Provinz, war zunächst Zentrum des Fußballsports in Südafrika. In den Vierziger Jahren verschob sich dieses nach Soweto, den Townships von Johannesburg.

  • Q: Qunu

Qunu ist die Geburtsort von Madiba Magic, wie die Südafrikaner das Quäntchen zusätzliche Glück nennen, das im Spiel scheint, wann immer ihr Nationalheld Nelson Mandela seine Aufwartung macht. Madiba ist der Kosename, den die Südafrikaner Mandela gegeben haben. Viele von ihnen glauben, dass sie den Sieg bei der Rugby-WM 1995 der Anwesenheit Mandelas beim Finale zu verdanken haben. Auch beim Triumph beim Afrika Cup ein Jahr später, war Madiba Magic in aller Munde. Als sein jüngster „magischer Akt“ gilt, dass er die FIFA davon überzeugen konnte, die WM in Südafrika auszurichten. Am 15. Mai 2004 gelang der damals 86-jährigen Weltikone aus Qunu mit seinem entwaffnendem Lächeln der große Wurf, uns holte die WM in sein Land. Mandela, der sein ganzes Leben lang seinem Land widmete, dem Frieden und Gerechtigkeit und dessen gute Erinnerungen an das kleine Dorf in Natal niemals verblasste. 1999 kehrte er an den Ursprung von Madiba Magic zurück und lebt seitdem wieder in Qunu.

  • R: Ruud Gullit

Der niederländische Fußballstar war ein aktiver Gegner der Apartheid. Als er 1987 zum besten Fußballer Europas ausgezeichnet wurde, widmete er seinen Preis Nelson Mandela, der damals noch in Gefangenschaft weilte. Einmal mehr gelang es ihm so, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Missstände in Südafrika zu lenken. 1988 engagierte sich Gullit auch musikalisch gegen das System: Mit der Reggae Band Revelation Time nahm er den Antiapartheidsong „South Africa“ auf, der es in die Top-3 der holländischen Charts schaffte. Gullit hat Mandela nach seiner Freilassung mehrfach getroffen. In Interviews erinnert er sich gerne an die Worte, die ihm der Held der Nation bei ihrer ersten Begegnung gesagt haben soll: „Ruud, heute habe ich eine Menge Freunde. Aber als ich auf Robben Island saß, warst du Einer der Wenigen.“

  • S: Stephen “Kalamazoo” Mokone

Stephen „Kalamazoo“ Mokone aus Pretoria war der erste schwarze südafrikanische Fußballer, der eine Profikarriere in Europa startete. 1955 unterschrieb er seinen Vertrag mit dem britischen Drittligisten Coventry City. Doch die rassistischen Sentiments der britischen Fußballfans setzten ihm schwer zu. Anders erging es ihm später in Holland: Als Mittelstürmer führte Mokone den relativ unbedeutenden Club Heracles Almelo in die Eredivisie und wurde zum Publikumsliebling. In seiner späteren Laufbahn sollte er noch einmal nach Großbritannien, zu Cardiff City, zurückkehren, bevor er zum FC Barcelona, von dort nach Marseille und später Turin weiter transferiert wurde.

  • T: Terror Lekota

Der südafrikanische Freiheitskämpfer Mosioua Gerard Patrick Lekota ward in der Öffentlichkeit unter seinem Beinamen „Terror“ bekannt. 1999 wurde er vom damaligen Präsidenten Thabo Mbeki zum Verteidigungsminister berufen. Internationale Bekanntheit erlangte Lekota, als er im Vorfeld der südafrikanischen Wahlen 2008 aus Unmut über den regierenden ANC die Splitterpartei COPE gründete. Lekota und ANC-Führer Jacob Zuma standen sich schon rund 30 Jahre vor den letzten Wahlen gegenüber: Nicht in der politischen Arena, sondern auf dem Fußballfeld der Gefängnisinsel Robben Island. Seinen Beinamen verdankt Terror Lekota nicht etwa seiner aggressiven Art Politik zu betreiben, sondern seinem fußballerischen Engagement auf Robben Island. Mit seinem harten Schuss „terrorisierte“ er jeden Tormann und machte ihn zu einem der am meisten gefürchteten Angreifer der stärksten Division der Makana Fußballliga.

  • U: United Tobacco Company

Seit 1959 die südafrikanische NFL (National Football League) errichtet wurde, waren schwarze und farbige Fußballspieler von jeglicher Teilnahme an Bewerben ausgeschlossen. Zwei Jahre später folgte die Initiative für eine eigene Fußballliga, die sich nicht an der Hautfarbe der Spieler orientierte. Dafür war Geld nötig. Hilfe kam vom Tabakfabrikanten United Tobacco Company (UTC), der heutigen British American Tobacco. Der Rauchwarenhersteller war einer der wenigen Unternehmen, die ihre Produkte intensiv in den Townships bewarben. Bereits zuvor hatte sich das Unternehmen Stephen „Kalamazoo“ Mokone als eines seiner wichtigsten Reklamegesichter unter Vertrag genommen. Bis 1966 sollte UTC Hauptsponsor der Liga ohne Rassentrennung bleiben und auch die Preisgelder bereitstellen. Dann musste die Initiative eingestellt werden. Das Apartheidregime hatte es für die Organisatoren unmöglich gemacht, ausreichend Fußballfelder für die Wettbewerbe bereitzustellen.

  • V: Vuvuzela

Während des Confederation Cups 2009 machte die Weltöffentlichkeit Bekanntschaft mit den Vuvuzelas, jenen hornförmigen Tröten, die seit Beginn der 90er Jahre alles andere in südafrikanischen Fußballstadien übertönen. Sehr zum Unmut europäischer Fans, die zum Cup angereist waren oder per Fernsehen dabei waren. Zunächst erfolgten Bemühungen von Seiten der FIFA, die Tröten und den damit einhergehenden ohrenbetäubenden Lärm zu verbieten. Sie zog ihr Ansuchen zurück, nachdem die afrikanische Fußballorganisation SAFA in einer Präsentation die traditionelle Bedeutung der Vuvuzela und deren Authentizität im afrikanischen Fußball erläutert hatte. Das Dröhnen der Vuvuzelas wird die WM 2010 begleiten.

  • W: Winnie Madikizela-Mandela

Fußball hat in Bezug auf Winnie Madikizela-Mandela einen bitteren Beigeschmack. Die Ex-Frau von Nelson Mandela schrieb als Vorsitzende des Mandela United Fußball Clubs ein paar dunkle Zeilen in der Geschichte der Antiapartheidbewegung. Während ihr Mann noch im Gefängnis saß, missbrauchte sie ihren Fußballclub als Prügel-Garde, eine Gruppe Bodyguards, die sie ihren Gegnern innerhalb der schwarzen Widerstandsbewegung auf den Hals hetzte.
1991 wurde Madikizela-Mandela zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren verurteilt. Der Grund: Mittäterschaft bei der Entführung von James Sepei, auch bekannt als Stompie Moeketsi. Der 14-jährige Antiapartheidaktivist wurde am 29. Dezember 1988 tot in Soweto aufgefunden. Der Trainer des FC Mandela United, Jerry Richardson, und einer der Bodyguards von Madikizela-Mandela erhielten lebenslänglich für Mord. Sie erklärten im Auftrag ihrer Chefin gehandelt zu haben. Deren Strafe wurde in höherer Instanz auf zwei Jahre unbedingt revidiert.

  • X: Xhosa

Im Vielvölkerstaat Südafrika machen die Xhosas gemeinsam mit den Zulus die größte Bevölkerungsgruppe aus. Der hohen Anzahl von Missionarsschulen in ihrem traditionellen Siedlungsgebiet verdankten es die Xhosa, dass sie Mitte des vergangenen Jahrhunderts den höchsten Bildungsstand unter der schwarzen Bevölkerung erlangten. Sie waren in hoher Zahl in der Widerstandsbewegung gegen das Apartheidregime aktiv – und damit auch auf Robben Island. Die Makana Football Association wurde benannt nach dem legendären Xhosa General Makana, der von den Briten auf Robben Island inhaftiert wurde, nachdem er zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen Aufstand gegen ihre Kolonialherrschaft initiiert hatte. Es war ein Name, der für die weißen Wärter, die Buren, nichts bedeutete, die Gefangenen aber an die tapferen Kämpfer erinnerte. Makana löste den ursprünglichen Namen der Fußballverbands auf der Gefängnisinsel – Matyeni – ab. Matyeni bedeutet „Stein“ auf Xhosa und bezog sich auf die Arbeit in den Minen, die die Gefangenen auf Robben Island verrichten mussten. Makana gab ihnen Hoffnung.

  • Y: “Yours in sports”

Die Makana FA auf Robben Island wurde streng nach den offiziellen Regeln der FIFA organisiert. Das bedeutete auch, dass die gesamte Korrespondenz über Fußballbewerbe, wie etwa Beschwerden über den Schiedsrichter oder Berufungen gegen Ausschlüsse, schriftlich dokumentiert werden musste. Das war eine komplizierte Angelegenheit, denn Papier war ein rares Gut in dem Gefängnis. Die Häftlinge spendeten alles entbehrliche Papier aus ihrem persönlichen Gebrauch für den Schriftverkehr der Makana FA, die diesen sehr ernst nahm. Die Anrede der Gefangenen erfolgte mit „Mister“ oder zumindest mit vollem Namen. Jeder Brief endete zudem nach den Regeln der Makana FA mit dem Gruß „yours in sports.“ 2007 wurde die Makana FA zum offiziellen Ehrenmitglied der FIFA ernannt.

  • Z: Zakhele Sigcawu

Der 70-jährige Xhosa-Krieger Zakhele Sigacwu schlachtete Ende Mai einen Ochsen im Soccer City Stadion in Johannesburg. Es war der Höhepunkt der Zeremonie, an der insgesamt über 300 Sangomas, wie die traditionelle Heiler genannt werden, teilnahmen. Sie riefen die Ahnen und Götter an, um Südafrika und vor allem die Bafana Bafana zu unterstützen. Die südafrikanische Nationalmannschaft kann jeglichen Beistand gebrauchen, sie belegt derzeit Platz 83 auf der FIFA Weltrangliste. Eine Serie von acht Niederlagen im vergangenen Jahr, darunter auch jene gegen das nicht besonders hochklassige Team aus Island, kostete den brasilianischen Trainer Joel Santana den Kopf. Unter der Leitung seines Landsmanns und Nachfolgers Carlos Alberto Parreira (der bemerkenswert genug auch sein Vorgänger war) gelang zunächst kein Umschwung. Im April diesen Jahres war Bafana Bafana auf den 90. Platze der Weltrangliste abgesackt – die schlechteste Reihung in der Geschichte des Teams. Nach mehreren Siegen in Freundschaftsspielen in den vergangenen Monaten scheint das Selbstvertrauen wiederhergestellt. Da es sich jedoch allesamt um Teams handelte, die sich nicht für die WM qualifizieren konnten, bleibt die Gefahr bestehen, dass Südafrika als erstes Gastgeberland, die Gruppenphase nicht überstehen wird. Es bleibt die Hoffnung, dass der geschlachtete Ochse seinen Zweck erfüllt.