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Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

10. 6. 2010 - 14:51

Das böse, böse Filesharing

Datenklau, Raubkopierer, Verbrecher, Knast. In Sachen Filesharing steht die Angst im Vordergrund.

In österreichischen Medien wird gelegentlich über das Thema Filesharing berichtet. Und wenn es etwas zu berichten gibt, dann spielt sich das zumeist in anderen Ländern ab: Da gibt es die Geldstrafen in Millionhöhe in den USA, die Prozesse gegen den schwedischen BitTorrent-Tracker The Pirate Bay und das Anti-Piraterie-Gesetz in Frankreich. Und auch in Deutschland wird ziemlich mobil gemacht: Dort wird mit Slogans wie "Raubkopierer sind Verbrecher", Abmahnschreiben und angedrohten Haftstrafen von bis zu 5 Jahren Druck auf die User gemacht. Werbespots, die nicht nur im Fernsehen zu sehen sind, sondern auch auf Kauf-DVDs den Film "einleiten", sollen Angst schüren.

In Österreich sind solche Werbespots nicht zu sehen, aber auch hierzulande gibt es interessante Fälle, die das Thema wieder ins Gespräch bringen.

Fall 1:

Urheberrecht:
Das Urheberrecht schützt das geistige Eigentum der Urheber. Es ist nicht an Dritte übertragbar.

Verwertungsrecht:
Das Verwertungsrecht beinhaltet das Recht auf Vervielfältigung, Verbreitung und Ausstellung. Anders als das Urheberrecht ist es an Dritte übertragbar bzw. wird von so genannten Verwertungsgesellschaften vertreten.

Zum einen etwa die Klage der österreichischen Verwertungsgesellschaft LSG gegen den Tiroler Wilfried F. Die minderjährige Tochter von Herrn F. hat auf dem PC des Papas die Filesharing-Software LimeWire installiert und dort rund 1600 Musikdateien zum Download angeboten, deren Rechteinhaber die LSG vertritt. Herr F. sollte daher für die Zukunft eine Unterlassungserklärung unterschreiben und einen pauschalisierten Schadenersatz zahlen. Die Klage wurde jedoch in mehrfacher Instanz abgewiesen: Wilfried F. konnte bei der völlig legalen Installation und Nutzung von LimeWire nicht wissen, dass seine kleine Tochter damit auch Dateien zum Download anbietet. Das Urteil ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum einen weil Eltern normalerweise für ihre minderjährigen Kinder haften, und zum anderen weil in Deutschland in solchen Fällen die Eltern zahlen müssen.

Limewire

Limewire

Limewire mit Black Eyed Peas, Celine Dion und Backstreet Boys

Fall 2:

Ein anderer Fall ereignete sich letztes Jahr. Da verschickte die Telekom Austria Warnschreiben an einige Kunden. Die Telekom war von der deutschen Firma DigiProtect dazu aufgefordert worden die IP-Adressen dieser Kunden an DigiProtect weiterzugeben, da der Verdacht von illegalem Filesharing vorlegen würde. Die Telekom verweigerte nach österreichischem Recht diese Weitergabe, warnte jedoch betroffene Kunden, dass man auf sie aufmerksam geworden sei. Konsequenzen sind noch nicht entstanden.

In Deutschland haben Firmen wie DigiProtect durchaus Hochkonjunktur. Dadurch entsteht auch eine neue Form des Studentenjobs. Solche Firmen heuern junge Menschen an, die den ganzen Tag Filesharing-Programme nach illegalen Dateien und den dazugehörigen Usern samt ihren IP-Adressen durchforsten. Wenn die Provider die Namen zu den IP-Adressen rausrücken, ist das Abmahnschreiben bald in der Post. Dies beinhaltet zumeist die Aufforderung einen hohen, pauschalisierten Schadenersatz zu zahlen und eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. In manchen Fällen darf gefeilscht werden, etwa wenn kein oder nur geringes Einkommen vorliegt. In Deutschland wird häufig sogar geraten eine präventive Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Die Methoden von Firmen wie DigiProtect sind jedoch äußerst dubios. Wer ihre Auftraggeber sind, bleibt oft unklar und die Abmahnschreiben sind zumeist Angstmache im großen Stil, damit die Betroffenen den geforderten Schadenersatz zahlen. Insbesondere wenn diese Minderjährige oder Rechts-Laien sind. Falls man so einen Brief in der Post findet, ist auf jeden Fall zuerst der Konsumentenschutz zu kontaktieren.

Begriffswirrwarr und die berühmte Privatkopie

Filesharing ist nicht gleich Raupkopieren!

Bei illegalem Filesharing wird zumeist von privater Nutzung ausgegangen.

Anders verhält es sich natürlich, wenn die heruntergeladenen Dateien auf CD oder DVD verkauft werden. Dann handelt es sich um Raubkopieren mit kommerzieller Nutzung.

Wie auch in anderen Ländern liegt in Österreich ein ziemliches Chaos an Begriffen und Rechtsmeinungen vor. Oft wird Filesharing mit Raubkopieren gleichgesetzt, Download mit Upload verglichen und als Verteidigung das berühmte Recht auf die Privatkopie herangezogen. Aber Filesharing ist grundsätzlich kein Verbrechen und daher auch nicht automatisch Datenklau oder gar Diebstahl.

Wenn man ein Werk, also Musik, Film, Software, vervielfältigen, verbreiten, aufführen oder im Internet zur Verfügung stellen will, benötigt man die Zustimmung desjenigen, der das Werk geschaffen oder die entsprechenden Verwertungsrechte erworben hat. Wenn man auf diese Zustimmung verzichtet, dann wird dadurch dieses Recht verletzt. Und das ist in der Tat ein Strafbestand. Trotzdem ist Filesharing nicht automatisch Verletzung dieser Rechte.

1. Sind Tauschbörsen illegal?

Emule in Prison

Emule in Prison

Nein, das sind sie nicht. Die oft verteufelten Peer-to-Peer-Programme wie LimeWire, eMule, Soulseek oder Bearshare werden auch genutzt, um legales Material zu tauschen, z.B. Software, die frei verteilt wird. Die Programme auf dem Rechner installiert zu haben, verstößt gegen kein Recht.

Solche Tauschbörsen funktionieren allerdings nach dem Prinzip Upload-Download. Selbst wenn man keine Datei zum Download für andere anbietet, tut man das unwissenderweise doch, wenn man selbst eine Datei herunterlädt. Das sind anfangs nur kleine Partikel, später die ganze Datei. Wenn diese Datei urheberrechtlich geschützt ist, macht man sich also durch den Upload strafbar.

2. Also ist nur der Upload, aber nicht der Download strafbar?

In Österreich ist derzeit nur der Upload strafbar, also die unerlaubte Bereitstellung von Dateien. Wie der Name schon sagt, wird man aber in Tauschbörsen in gewisser Weise "gezwungen" zu tauschen und daher auch Dateien bereitzustellen. Wenn man den Upload drosselt, dann hat das zumeist Konsequenzen: Entweder brauchen die eigenen Downloads dann mehrere Stunden oder man wird von anderen Usern geächtet.

Der Download ist in Österreich also derzeit noch erlaubt. Aber man braucht keine Tauschbörse, um Dateien runterzuladen. Internetdienstleister wie Rapidshare, Megaupload, YouSendit oder Mediafire hosten auf ihren Servern auch unzählige urheberrechtlich geschützte Dateien, die man problemlos runterladen kann, ohne dabei gleichzeitig upzuloaden. Die Anbieter sind dafür nicht haftbar zu machen.

Dass der Download weiterhin erlaubt ist, liegt auch daran, dass man die Quelle der Datei nicht immer zurückverfolgen kann. Der deutsche Gesetzgeber sieht über diese Grauzonen hinweg. 2008 wurde das deutsche Urheberrechtgesetz adaptiert. Seit diesem Zeitpunkt ist in Deutschland auch der Download strafbar.

3. Aber habe ich nicht das Recht auf eine Privatkopie?

Veranstaltungshinweis:
Wer mehr über das Thema "Filesharing" hören möchte, dem seien die Wiener Tage der Musikwirtschaftsforschung (9. und 10. Juni, Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien) ans Herz gelegt. Dort referieren und diskutieren renommierte WissenschaftlerInnen und Musikschaffende über die Thematik.

In Österreich gibt es das "Recht auf Privatkopie", es wird also die Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch gestattet. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Kopie weder für unmittelbare noch für mittelbar kommerzielle Zwecke verwendet wird. Das Argument der Privatkopie wird gerne als Rechtfertigung zum illegalen Filesharing herangezogen. Der Grund: In beiden Fällen wird von keiner kommerziellen Nutzung ausgegangen.

Als Beispiel: Wenn ich meinen Freunden Alex und Ute eine CD brenne, die ich mir vorher gekauft habe, dann bin ich fein raus. Ist alles erlaubt. Nach dem Gesetzgeber darf ich das etwa 7-12x machen. Theoretisch könnten die Leute, die in einer Tauschbörse diese CD von mir runterladen, auch meine Freunde sein, denen ich eine Privatkopie übermittle. Nur kann ich das natürlich schwer beweisen, vor allem da die Weitergabe hier exzessiv erfolgt.

4. Mit welchen Strafen habe ich zu rechnen, wenn ich doch geschützte Dateien anbiete?

Da eine Verletzung des Urheberrechts vorliegt, wird auch die Strafe nach dem Urheberrecht festgesetzt. In Deutschland wird gerne mit fünf Jahren Haft gedroht und Schadenersatz gefordert.

Die Rechtslage in Österreich beinhaltet, dass die Nutzer nur dann identifiziert werden können, wenn die IP-Adressen nicht weiterhin als grundrechtlich geschützte Verkehrsdaten betrachtet werden. Derzeit ist das aber noch der Fall. Die europäischen Regierungen führen jedoch heftige Diskussionen darüber, wie es weitergehen soll. Denn Graubereiche wie das Abfilmen eines Films im Kino verletzen strenggenommen in erster Linie das Hausrecht des Kinos, das das Aufnehmen untersagt. Selbiges gilt für Konzertmitschnitte bzw. Bootlegs.

Mehr dazu heute in FM4 Connected (15-19h), u.a. mit Fragen an den Filesharing-Experten Peter Tschmuck.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) und erste Schritte der französischen Regierung, wie etwa die Sperre des Internets nach dreimaliger Mahnung (Three Strikes Law), werden hier sicher Bewegung ins Spiel bringen. Und diese Entwicklungen werden auch an Österreich nicht spurlos vorübergehen, wie Filesharing-Experte Peter Tschmuck erklärt:

"Es ist derzeit die Tendenz zu beobachten, dass meines Erachtens restriktivere Modelle kommen werden: Abmahnmodelle wie in Frankreich oder im Grunde genommen auch sehr ähnlich gelagert wie in Großbritannien. Und die Diskussion geht auf politischer und gesetzgebender Ebene genau in diese Richtung."