Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Morgen wird wie heute sein"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

7. 6. 2010 - 19:06

Morgen wird wie heute sein

Eine Party, die niemals aufhört: Irgendwann im Laufe des Sonntags ist das Urban Art Forms Festival in Wiesen dann aber doch zu Ende gegangen. Bilder vom Samstag.

Was für den Freitag beim Urban Artforms gilt, gilt auch für den Samstag. Im weitesten Sinne. Verlässt man die an diesem Tag durchaus gut und prominent besetzte Hauptbühne Richtung Mainframe/Dogs on Acid-Stage (vulgo Drum'n'Bass-Zelt) oder durchwandert den mittlerweile schon einem Krisengebiet ähnlichen Campingplatz durch den Morast, um im sogenannten Psytrance-Zirkuszelt mit Hilfe des Sounds von Goa einmal ins psychedelische Elfenland hineinzuhorchen, kann man durchaus den Eindruck erlangen, dass sich hier - teilweise immerhin - die alten Utopien von vor zwanzig Jahren bezüglich elektronischer Tanzmusik in einer Seitenrealität tatsächlich manifestieren: Das Verschwinden des Künstlersubjekts auf der Bühne, die Auflösung des Starcharakters - mit Ausnahmen freilich - des DJs; Gleichheit, Schwesternschaft, Friede, Freude und Eierkuchen. Wer hier gerade spielt ist egal, Hauptsache der Beat kommt gut. Das ist einem kollektiven Rauschzustand zwar dienlich, hat mit einem künstlerischen Vortrag (Mixing-Skills gelten nicht) nur kaum zu tun - einzig zu sehen und zu hören, wie hier in kleinen Nuancen ab und zu dann doch aus einem relativ vorgefertigten Soundprofil ausgebrochen wird oder jemand das Feingefühl aufbringt, die Strukuren dann und wann aufzubrechen, bringt neue Erkentnisse.

Carl Cox

Philipp L'heritier

Carl Cox, schon um 17 Uhr voll
Red Bull Stage

Philipp L'heritier

Red Bull Stage
Dancing Party People

Philipp L'heritier

Couple

Philipp L'heritier

Camping Müll

Philipp L'heritier

Camping Müll

Philipp L'heritier

Starkult auf höchstem Niveau wird auch betrieben: Der aus Manchester stammende Carl Cox, der in irgendwelchen englischen Musikmagazinen immer wieder gerne als "bester DJ der Welt" gehandelt wird , kann gegen 17 Uhr das Areal vor der Mainstage schon brechend füllen, seinem schon um diese Uhrzeit bis zum Anschlag hochgefahrenen Set, in dem zwischen recht stromlinienförmigem Techno und House auch New Order Platz findet, folgt die erneute komplette Entleerung des Zeltes. Keine booking-technische Großtat, dass hier nach dem absehbaren Publikumsmagneten Cox, die englisch-deutsche Band Popular Damage auftreten darf/muss. Der elektronisch betriebene Disco-Rock der Gruppe, der sich stark an Zoot Woman anlehnt, ist zwar sehr okay, die Band selbst aber mehr oder weniger komplett unbekannt, und die Menschen nicht unbedingt interessiert daran, an diesem Wochenende Neues zu erfahren.

Groovekugel

Philipp L'heritier

Groovekugel
Psy-Trance-Zelt

Philipp L'heritier

"Psytrance"-Zelt
Popular Damage

Philipp L'heritier

Popular Damage
Buraka Som Sistema

Philipp L'heritier

Buraka Som Sistema
Buraka Som Sistema

Philipp L'heritier

Buraka Som Sistema
Camping Müll

Philipp L'heritier

Camping Müll

Philipp L'heritier

Ein Highlight des Wochenendes kommt von der portugiesischen Gruppe Buraka Som Sistema (Fußnote: Die Kollegen Brunner und Reich sehen das nicht ganz so), auch wenn der Sound überraschenderweise etwas dünn ist. Ihre Verquickung von aus Angola in eurpäische Clubs herüberverfrachteten Kuduro, Elektro, HipHop und durchaus auch Pop ist auf Album schon sehr aufrüttelnd, live sind Buraka Som Sistema das komplette Partyprogramm. Da wird das alte, immer wieder beliebte Spiel mit der kurzen Integration von bekannten Hits ins eigene Set gespielt, "Buffalo Stance" von Neneh Cherry beispielsweise, "Sign Your Name" von Terence Trent D'Arby oder - immer gut - "Music Sounds Better With You". Und auch als leicht größenwahnsinnige Entertainer erweisen sich die Dame und die vier Herren: "This Is Our First Time In Austria. I Heard Everybody Loves Us Here. Is It True? IS IT TRUE?"

Carl Craig

Philipp L'heritier

Carl Craig, Original Blipster
Crowd

Philipp L'heritier

Carl Craig + Party

Philipp L'heritier

Carl Craig + Party mit Stil
Sven Väth

Philipp L'heritier

Sven Väth: Typischer Party-Spruch fehlt hier.

Einer relativen Erleuchtung kommt die bloße Erscheinung von Carl Craig gleich. Techno-Legende der zweiten, eigentlich jeder, Generation, Remix-Weltmeister und DJ-Gott. Hinter dem MacBook fügt er sich nicht dem Dogma, das hier eigentlich in jeder Sekunde Orgasmus eingefordert wird, sondern beweist behutsam, dass es auch so etwas wie Spannungsbögen, Dramaturgie und Aufbau geben könnte.
Den Eigenproduktionen von Sven Väth kann man durchaus sehr skeptisch gegenüber stehen und auch meinen, dass der Frankfurter so ziemlich haargenau alles verkörpert, was man an Rave immer schon merkwürdig gefunden hat, man soll aber nicht vergessen, dass der Herr nicht erst seit gestern ein tatsächlich sehr guter DJ ist. Technisch sowieso, aber auch in der Trackauswahl gelingt ihm der Seiltanz zwischen Großraumdisco, Megafestival, Megafestival in Brasilien und so genannten "coolen" und "crediblen" Stücken für den hippen Club gut. Auch das Hamburger Duo Moonbootica feuert ein knackiges Set im Spannungsfeld von TechHouse und Popappeal ab, und wenn dann die mit Glücksgefühlen betankten Menschen den Schweiß aus ihren Köpfen schütteln und die Hände in den roten Himmel strecken, dann weiß man: Die Nacht ist nicht vorbei, es hallt durch die Dämmerung: Bumm Bumm Bumm Geil Geil Geil. Was für den Freitag gilt, gilt auch für den frühen Sonntag Morgen. Um wieder einmal Westbam zu zitieren: "We'll Never Stop Living This Way." Ein Wochende als endloser Mix und ohne Auftrag, am Montag ruft die Schule/Arbeit.

Moonbootica

Philipp L'heritier

Moonbootica: "Habt ihr Bock auf gute Laune?"
Party-Crowd

Philipp L'heritier

Camping Müll

Philipp L'heritier

Camping Müll

Philipp L'heritier