Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Thank you for being a friend!"

Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

6. 6. 2010 - 15:10

Thank you for being a friend!

Die DVD-Kolumne verabschiedet sich von Rue McClanahan

Es ist ja so, dass die Erinnerung eine gar nicht zu überschätzende Rolle spielt, wenn es darum geht, ein Gefühl mit einem Film oder – for that matter – auch mit einer Fernsehserie zu verknüpfen. Da fällt dann plötzlich dieses Grundrequisit einer jeden intelligenten Diskussion über den eigenen Verbrauch von Kulturprodukten, nämlich deren Einordnung in „gut“ oder „schlecht“, „sehens-„ oder „vermeidenswert“, flach; alles was zählt, sind die Bilder, Gedanken und Stimmungen, die plötzlich durch einen fetzen, wenn ein Titellied erklingt, wenn man einen alten Bekannten wieder trifft, beobachten kann, wie er sich verändert hat – und schließlich drauf kommt, wie anders man selbst geworden ist.

Kinder

Warner

The Goonies

Diese Erinnerungen an vergangene Momente absoluter audiovisueller Glückseligkeit, die haben kein Ablaufdatum, werden mich jedenfalls begleiten, bis ich irgendwann abtrete: die Songs aus den Disney-Zeichentrickserien, die ich als Kind jeden Samstag und Sonntag jeweils vormittags in mich reingesogen habe, die Skelettorgel aus Richard Donners "The Goonies" (sogar das NES-Spiel zum Film hatte ich!) oder auch der Marsch von Skeletor durch unsere Welt in Gary Goddards "Masters of the Universe" (fast alle Actionfiguren waren mein, bis ich sie in einem Anfall pubertärer Allmacht wahlweise verbrannt, zerhackt oder sonstwie auseinander genommen habe). Filme, das sind meine Ewigkeit: umso schmerzvoller ist es dann, wenn das Unendliche vermittels einer schnöden Nachrichtenagenturmeldung zu etwas Weltlichem, Profanem verkommt. Passiert am vergangenen Donnerstag, als mein Freund und ich gerade im "Fringe"-Universum verloren waren, uns plötzlich tatsächlich eine parallelweltliche Nachricht erreicht (iPhone sei Dank! Bäh!): Rue McClanahan ist tot. NEIN!

Cover

Warner

The Goonies
Jahr: 1985
Regie: Richard Donner
Darsteller: Sean Astin, Josh Brolin, Corey Feldman, Anne Ramsey
Fassung: Eine klassische Mittachziger-Spielberg-Produktion (via sein Unternehmen Amblin Entertainment) ist "The Goonies" vor kurzem auf bluray erschienen. Schon bin ich versucht, meine alte DVD-Fassung, noch in der hässlichen Kartonschnappverpackung, mit der uns Warner eine Zeitlang traktiert hat, zugunsten der HD-Version in die Tonne zu treten: anscheinend sollen sowohl Bild wie Ton Goonies-Maßstäben entsprechen!

Plakat

jermpollet.com

Masters of the Universe
Jahr: 1987
Regie: Gary Goddard
Darsteller: Dolph Lundgren, Frank Langella, Meg Foster, Courteney Cox
Fassung: Um ehrlich zu sein, bei "Masters of the Universe" bin ich schon froh, dass die zwar gescheiterte Adaption des Actionfiguren- und Trickserien-Franchise, dafür aber geglückte SF-Fantasy von Gary Goddard überhaupt auf DVD erhältlich ist. Ich habe mir den Film vor Jahren aus den USA importieren lassen, mittlerweile ist er längst auch hierzulande erschienen. Auf beiden Fassungen gibt's als Extra lediglich einen Audiokommentar des Regisseurs. Zu haben für gute zehn Euro.

Dame Blanche

Frau

www.museum.tv

Susan Harris, die Frau hinter dem TV-Phänomen "The Golden Girls"

„So a Flitschn!“, mit diesen Worten verabschiedete sich meine ehrwürdige Großmutter mütterlicherseits (RIP!) an jedem Samstagabend, an dem ich, nach hartem, beständigen Ringen mit meinen Eltern, auf der Wohnzimmer-Couch versacken durfte, um mir die etwas nach 22 Uhr ausgestrahlte, neue Folge der Golden Girls anzusehen. Das von Serienerfinderin Susan Harris ersonnene Bild von vier Frauen jenseits der 60, die, jeweils verwitwet, in einem großräumigen Haus in Miami zusammen leben, lieben und leiden, das war zu viel für meine aufopfernde Oma: sie hat sich nach dem Tod ihres Mannes radikal von der Familie verbrauchen lassen, kannte Begriffe wie Selbstverwirklichung oder Unabhängigkeit nur mehr vom Hörensagen. Und dann das: aus dem Guckkasten dringt fröhliches Gelächter alter Frauen, die regelmäßig über Sex reden und ihn auch haben. Ein Affront! Für mich allerdings der Beweis, dass das Verziehen der Jugend nicht auch die Beerdigung der Lebenslust bedeuten muss: tatsächlich zeigen mir die „Golden Girls“ in all ihrer Künstlichkeit, mit all ihren geschriebenen Gags vor, dass man auch im Alter glücklich, zufrieden, weil wild und durchtrieben sein kann. Damals habe ich wirklich noch an den amerikanischen Traum geglaubt.

Miami, 1985

Am 14. September 1985 wird die erste Folge von „The Golden Girls“ auf dem amerikanischen Sender NBC ausgestrahlt: Blanche Devereaux (Rue McClanahan), eine würdig gealterte (Sophia würde sagen: „pickled“) Southern Belle mit exorbitantem Männerverschleiß, deren phonetischer Singsang gleichzeitig etwas Kindliches und Verruchtes verströmt, will in der Episode Eins, betitelt mit „The Engagement“, einen Gleichaltrigen ehelichen. Ihre Mitbewohnerinnen, die spröde Pädagogin mit italienischen Wurzeln Dorothy Zbornak (Beatrice Arthur, 2009 verstorben), die naive Bauerntochter aus St. Olaf in Minnesota, Rose Nylund (immer noch unter uns: Göttin Betty White), schließlich Dorothys scharfzüngige Mutter Sophia Petrillo (Estelle Getty, 2008 verstorben), eine Emigrantin aus Sizilien, die bewaffnet mit viereckigen Augengläsern und ihrer legendären Korbtasche gegen den Gute-Laune-Terrorismus der anderen Damen wettert, fürchten, nach der Hochzeit aus dem gemeinsamen Haus ausziehen zu müssen. Sie fürchten sich umsonst: sieben Jahre lang dominieren „The Golden Girls“ ihre Sendefläche am Samstagabend, mausern sich innerhalb kürzester Zeit zu einer der erfolgreichsten Sitcoms der amerikanischen Fernsehgeschichte. Maßgeblich daran beteiligt waren die „staff writers“, also jene Drehbuchautoren, die den Damen immer wieder ihre umwerfenden Dialoge auf die Leiber geschrieben haben. Beispiele gefällig?

Title Card

NBC

Titelbild "The Golden Girls"

Sophia: I need the money for my old age.
Dorothy: Old age? You don't leave fingerprints anymore.

Rose: I just had a thought...
Sophia, Dorothy, Blanche: Congratulations.

Cover

Disney

Dorothy: Hi, ma. Where are you going?
Sophia: To the boardwalk. I like to watch the old guys rearrange themselves when they come out of the water.

Blanche: What do you think of my new dress? Is it me?
Sophia: It's too tight, it's too short and shows too much cleavage for a woman your age.
Dorothy: Yes, Blanche. It's you.

Blanche: I treat my body like a temple.
Sophia: Yeah, open to everyone, day or night.

Sophia: I hate communism.
Dorothy: Of course you hate communism, Ma it's because you were raised a fascist.

Blanche: What was your first impression of me?
Rose: I thought you wore too much makeup and were a slut. I was wrong. You don't wear too much makeup.

Blanche: Dorothy you're a substitute, your job isn't actually to teach.
Dorothy: Then what is it?
Blanche: To keep the kids from burning the school down until the other teacher gets back.

Blanche: I don't really mind Clayton being homosexual, I just don't like him dating men.
Dorothy: You really haven't grasped the concept of this "gay thing" yet, have you, Blanche?
Blanche: Well there must be homosexuals who date women.
Sophia: Yeah. They're called lesbians.

Sophia: Jean thinks she's in love with Rose!
Blanche: Rose! Jean has the hots for Rose? I don't believe this, I don't believe this!
Dorothy: We were surprised, too.
Blanche: Well, I'll bet. To think Jean would prefer Rose over ME, that ridiculous!

King Lear

Cover

amazon.com

Cover

amazon.com

“The Golden Girls” sind das Paradebeispiel einer “topical sitcom”: der Begriff entsteht in den Siebziger Jahren, als der Produzent Norman Lear, ein lebenslanger Kämpfer für Gleichbehandlung und Bürgerrechte, mit Serien wie "All in the Family" und "Maude" (in der Beatrice Arthur als selbstbewusste Liberale bereits neben Rue McClanahan gespielt hat) große Erfolge verbucht, obwohl oder gerade weil die Drehbücher gerne kontroverse gesellschaftspolitische Themen aufgreifen. In einer der bekanntesten Episoden lässt Maude nach langen Überlegungen abtreiben, und das Monate, bevor der Schwangerschaftsabbruch in den allen Bundesstaaten von Rechts wegen möglich ist.

All in the Family
Jahr: 1971 - 1979
Creator: Norman Lear
Darsteller: Jean Stapelton, Rob Reiner, Sally Struthers, James Cromwell
Fassung: die Bahn brechende amerikanische Serie, entstanden unter der Ägide von Norman Lear, ist bislang nur in den USA auf DVD erschienen, lässt sich aber günstig importieren.

Maude
Jahr: 1972 - 1978
Creator: Norman Lear
Darsteller: Beatrice Arthur, Rue McClanahan, Adrienne Barbeau
Fassung: "Maude" ist bislang nur in den USA auf DVD erschienen. Die erste Staffel der großartigen Serie, die in gewisser Weise ein Vorläufer zu "The Golden Girls" ist, ist aber bei britischen Versandhändlern bereits für 15 Euro zu haben!

Ein neues Lachen

Frauen

Walt Disney

Die Damen am Küchentisch: her mit dem Cheese Cake!

Autorin der oben beschriebenen Folge ist Susan Harris: kein Wunder also, dass ihre berühmteste Kreation „The Golden Girls“ den selben Geist atmet. Gleich in der ersten Staffel wird das Haus der Damen ausgeraubt, Rose plagen daraufhin Angstattacken, bis sie sich eine Schusswaffe ins Haus holt. Später erhält Blanche Besuch von ihrem homosexuellen Bruder, Rose wird von einer lesbischen Freundin Dorothys angebraten, Sophias Sohn, der häufig und gerne Frauenkleider getragen hat, verstirbt, Rose lässt einen AIDS-Test machen und Dorothy freundet sich mit einem Jungen an, der sich als illegaler Immigrant herausstellt.

Cover

Universum

Mitte der Achtziger Jahre setzt insgesamt eine neue Welle von amerikanischen Sitcoms ein, die sich mit viel Lakonie und beißendem Humor an alltäglichen Wirklichkeiten in einem Land abarbeiten, das unter Schauspieler-Präsident Ronald Reagan fast zum Stillstand kommt: Rekord-Arbeitslosigkeit und eine hohe Kriminalitätsrate, die gemeine Tristesse, die ein jeder zu spüren bekommt, schieben genau jene in den Mittelpunkt, die früher immer außen vor geblieben sind. Keine Medienmacher oder Angehörige einer höheren Klasse stehen im Mittelpunkt, sondern Alltagsmenschen wie die Kellnerin Roseanne, der Schuhverkäufer Al Bundy oder auch die „Golden Girls“ aus Miami.

Roseanne
Jahr: 1988 - 1997
Creator: Matt Williams
Darsteller: Roseanne Barr, John Goodman, Laurie Metcalf, Sara Gilbert
Fassung: Alle zehn Staffeln der Serie sind hierzulande auf DVD erschienen und pro Stück für unter 20 Euro zu haben. Die Superbox beinhaltet alle Staffeln und kostet weniger als 70 Euro.

Cover

Sony

Eine schrecklich nette Familie
Jahr: 1987 - 1997
Creators: Ron Leavitt, Michael G. Moye
Darsteller: Ed O'Neill, David Faustino, Christina Applegate, Katey Sagal
Fassung: Alle elf Staffeln sind einzeln oder in der "Bundy's Big Box" erhältlich

Golden Girls
Jahr: 1985 - 1992
Creator: Susan Harris
Darsteller: Beatrice Arthur, Rue McClanahan, Betty White, Estelle Getty
Fassung: Mittlerweile sind alle sieben Staffeln preisgünstig auf DVD zu haben.

Frauen

Walt Disney

The Golden Girls

Rue

Cover

Polyband & Toppic

Mit Rue McClanahan, die in der Nacht zum 3. Juni den Folgen eines zweiten Schlaganfalls und einer dadurch ausgelösten Hirnblutung erlag, ist nun schon das dritte „Golden Girl“ innerhalb von nicht einmal drei Jahren verstorben. McClanahan hat vorwiegend für das Fernsehen gearbeitet, ihre Rollen in „Maude“ und „The Golden Girls“ gelten nach wie vor als ihre Karrierehöhepunkte. Dennoch sei hier noch Aufmerksamkeit gelenkt auf andere außergewöhnliche Auftritte der Schauspielerin: 1971 beeindruckt sie als „Fag Hag“ Lita Joyce in Mervyn Nelsons queerem Klassiker "Some Of My Best Friends Are" (nicht auf DVD erhältlich) – bis heute wird McClanahan von Homosexuellen kultisch verehrt, vor allem für ihre Rolle der Blanche Devereaux. Del Shores zollte der Schauspielerin Tribut, indem er sie 2008 in der Fernsehserie zu seinem Kinofilm "Sordid Lives" als Matriarchin Peggy Ingram nebst anderen vollkommen würdig gealterten Aktricen wie Bonnie Bedelia, Olivia Newton-John und Beth Grant besetzte.

Rue McClanahan wurde 76 Jahre alt.

Sordid Lives - Die Serie
Jahr: 2008 -
Creator: Del Shores
Darsteller: Rue McClanahan, Bonnie Bedelia, Beth Grant, Olivia Newton-John
Fassung: Die Serie, von der es bisher nur eine Staffel gibt, ist auch bei uns auf DVD erschienen. Zu haben für unter 20 Euro.

Frau

Disney