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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

4. 6. 2010 - 17:34

WM-Journal '10-4.

Die Gruppen-Previews. "C" wie Kristall-Klar.

Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - in den ersten Tagen mit einer Vorstellung der einzelnen Gruppen.

Das WM-Journal gibts auch als Podcast.

WM 2010: Die Übersicht

Hier der Link zur kompletten offiziellen Kader-Liste der FIFA, hier der Überblick bei transfermarkt.

Hier die kompletten Kader der Gruppe auf einen Blick.

Und das ist die Gruppe C-Einschätzung der werten Sport-Kollegen.

Wer jetzt schon jammert, weil die Ausgangslage in den Gruppen A und B recht unsicher und diffus daherkommt und auch hier im WM-Journal keine (aufgesetzte) Sicherheit vermittelt wird: heute ist alles anders, heute wird sich-festgelegt. Was ja meistens garantiert, dass alles ganz anders kommt, aber egal.

Die Guppe C liegt sonnen-, ja kristallklar vorm geistigen Auge. England wird sie gewinnen, die USA machen den Runner-Up, Slowenien gelingt eine Überraschung, Algerien nicht. Punkt.

England kann sogar Weltmeister werden

... es wäre nach der langatmigen spanischen Erfolgsstory (letzter und einziger Titel 1964, dann Europameister 2008) ein ideales Follow-Up (letzter und einziger Titel 1966, dann Weltmeister 2010?).

Außerdem sind die Erwartungen in das Three-Lions-Team diesmal gerade richtig: nicht überzogen, aber auch nicht ohne Selbstbewusstsein geht man ins Turnier. Favoriten sind zwar andere, aber unter den üblichen Verdächtigen, denen man etwas zutraut, befindet sich Fabio Capellos Truppe durchaus.

Die aktuell Nachricht vom Ausfall des Neo-Captains Rio Ferdinand wird, behaupte ich einmal, keinen allzu großen Unterschied machen. In der Innenverteidigung ist man ausgeglichen besetzt.

Was der zeitgleich gemeldete Ausfall der ivoirischen Chefs Didier Drogba heißt - am Dienstag in der Preview zur Gruppe G.

Der Italiener hat dem Team, was Taktik, System und auch Personalauswahl betrifft, sicher nicht schlecht getan und jetzt eine Mannschaft der 29jährigen beinander, die allesamt wissen, dass sie jetzt im genau richtigen Alter sind zuzubeißen.

Der Leuchtturm in dieser Zuschreibung ist ein 24jähriger, der heuer eine Saison spielte, die ihn so weise, so abgeklärt und so strategisch überlegen erscheinen ließ, dass er (blendet man die genialen Wusler a la Messi und die Blender a la Ronaldo aus) aktuell der weltbeste Fußballspieler ist: gleichermaßen stabil und kompakt in Offensive und Defensive, ein Lenker, ja ein Denker (wer hätte bei der Euro 04, als er eher als ungestümes Boxerchen auffiel, gedacht). Ich spreche von Wayne Rooney, dem komplettesten Spieler unserer Tage.
Er deckt mit seiner aktuellen Persönlichkeit viel zu, zugegeben, aber unter seiner Leadership kann sich ein Mittelfeld mit Lampard/Gerrard durchaus in einen Rausch spielen und durchs Turnier spazieren wie das heiße Messer durch die Butter.

Plus/Minus-Wertung:

Aktuell etwas hochgepitcht wird die Verletzung von Gareth Barry, dem Man City-Spieler in der Mittelfeld-Zentrale. Ich sehe das wie in dieser Analyse angedeutet, als eher wurscht, weil seine Qualitäten in den Gruppenspielen nicht so fehlen würden.

Am Mittelfeld (Shaun Wright-Phillips wird hoffentlich ein großes Turnier spielen) wird's nämlich nicht liegen. Ich sehe die Schwächen eher hinten: Terry und Ashley Cole sind nicht mehr so gut wie ihre Namen, und egal welcher Tormann drinstehen wird - er ist ein Risiko-Faktor.
Und auch ganz vorne steht's nicht zum Allerbesten: allein die Tatsache, dass Emile Heskey einer der Top-Kadidaten für den Mann direkt vor Rooney ist, zeigt - bei aller Wertschätzung für den alten Kämpen - ein echtes Problem an.

Das liegt auch nicht an den großen Abwesenden: Michael Owen (der einfach systematisch kaputtgetreten wurde) und David Beckham (der als Sonderbotschafter zur Ablenkung der Medien mitfährt) hätten keinen Unterschied gemacht.

Jüngster im Team ist, nachdem Theo Walcott und Newcomer Tom Huddlestone noch eliminiert wurden, James Milner. Milner war der Star des englischen Teams beim U17-EM-Turnier von 2003, als man im Halbfinale dem späteren Sieger Portugal unterlag. Das Spiel um den dritten Platz bestritt man damals gegen - richtig, Österreich. Wenn man sich den Kader von damals anschaut, man könnte weinen.

Wayne Rooney, um auf den Mann, der den Unterschied machen wird, zurückzukommen, war bei der U17-Euro 2002, also ein Jahr davor, gleich Spieler des Turniers. Das könnte nochmal passieren.

Die USA können weit kommen...

...vielleicht nicht ins Finale wie beim Testlauf für diese WM, dem Confederations-Cup im Vorjahr, als sie sich mit viel Schwein ins Halbfinale mogelten und dort dem stolzen spanischen Team die gefühlt einzige Niederlage seit dem Juni 2006, als sie einer anderen Defensiv-Taktik (der Frankreichs) unterlagen, zugefügt.

Das US-Team, seit bereits geraumer Zeit unter der Leitung von Bob Bradley, hat sich systematisch nach vorne gespielt, ist aktuell Weltranglisten-14. und unterwirft sich schon länger nicht mehr dem hektischen Druck, der bei der Heim-WM anno 94 und dem überkandidelten Aufbau der Profi-Liga MLS ausgeübt wurde.
Das zahlt sich aus.
In aller Ruhe kann sich der Sport, den in den USA Frauen, Kinder und Migranten ausüben, in der Weltspitze etablieren. Natürlich hängen den Amis einzelne Klischees nach, natürlich wird das legendäre 1:0 gegen England am 29. Juni 1950 in Belo Horizonte (das der ersten englischen Teilnahme an einer WM den Todesstoß verpaßte, was zu einer Schockstarre führte, die erst 1966 ansatzweise gelöst wurde) zitiert werden, wenn es zum Gruppen-Duell gleich im ersten Spiel nächsten Samstag kommt.

Die USA spielen ein stablies 4-4-2, haben ihre Besten mittlerweile in Italien (Onyewu), Deutschland (Cherundolo) England (Dempsey, Tormann Tim Howard), Frankreich (Bocanegra) oder Schottland (Beasley) - allesamt nicht als Superstars, aber in verantwortungsvollen Stammpositionen. Der Torschützenkönig in Mexico (Gomez) ist ebenso mit dabei wie Benny Feilhaber, der Austro-Amerikaner in Dänemark; und mit Jozy Altidore hat es auch ein ehemaliges Wunderkind in die Spitze geschafft.

Das alles strahlt eine Menge Ruhe aus - eine der wichtigen Waffen in der Umgebungs-Hektik so eines Turniers.

Algerien 2.0

An sich sollte sich in Algerien Öffentlichkeit und Verband einen Haxen ausg'freun. Man hat sich nach Ewigkeiten wieder einmal für das große Turnier qualifiziert. Man hat dabei den Erzrivalen Ägypten ausgestochen (was in weiterer Folge zu kriegsähnlichen Zuständen zwischen den beiden Ländern führt - und weil aktuell in der afrikanischen Champions-League die Meister beider Länder zusammengelost wurden, wird der Irrwitz auch noch prolongiert) und beim Afrika-Cup im Jänner immerhin das Semifinale erreicht - womit niemand wirklich rechnen konnte.

Trotzdem grummelt es, trotzdem ändert Rabah Saadane, der optisch älteste Trainer des Turniers (den man eher im Hohen Rat der Jedi verorten würde) seine Marschrichtung. Die Unzufriedenheit mit dem Personal das Qualifikation und Afrika-Cup bestritten hatte äußerte sich in einer Art 2.0-Offensive: man begann vor der WM systematisch in Frankreich geborene Algerier mit Doppelstaatsbürgerschaft zu rekrutieren, um so frische und unverbrauchte Kräfte reinzuholen.
Das kann klappen, kann aber ein Mannschafts-Klima auch verheeren. Denn es sind gleich neun neue im Kader - und langjährige Stützen wie Bezzaz, Bouazza oder Meghni (gut, der ist verletzt) und praktisch alle Homeboys mußten weichen.

Va Banque

Burschen wie Medjani, Bellaid, Boudebouz und Tormann M´Bohli, die bisher die Nachwuchs-Abteilung des französischen Verbands durchlaufen haben, müssen neu eingeschliffen werden, dazu kommen mit Mesbah, Guédioura, Lacen oder Djebbour neu rekrutierte Doppelstaatsbürger, die quer in Europa verteilt sind und bislang gar keinen Bezug zum Nationalteam hatten.

Das heißt, dass bis auf die beiden Stamm-Keeper und Verteidiger Laifaoui niemand aus der algerischen Liga kommt, was die Volksseele bei etwaigen Versagen wieder kochen lassen wird...

Algerien spielt also va banque.
Das, was die Mannschaft beim Afrika-Cup gezeigt hat, kann man als Vorlage für dieses Turnier ziemlich vergessen. Dort haben sie, nachdem man im 1. Spiel mit einem zu offensiven 4-1-3-2 auf die Schnauze gefallen war, auf ein sehr gut anzusehendes 4-2-3-1 umgestellt, aber dafür fehlt jetzt fast das halbe Personal.
Einzig die Abwehr mit den versatilen Herren Bougherra, Belhadj, Yahia und Halliche scheint unangetastet.

Bleibt der kleine Nachbar: Slowenien

Im übrigen hat der Triumph der WM-Qualifikation im Wissen, dass der viel besser besetzte und gehassliebte Nacbar Kroatien nicht dabei ist, womöglich zu der sonntäglichen Geste des guten Willens im lächerlichen Grenzstreit geführt.

Und die erscheinen mir als Überraschungsteam dann eben logischer als die regebooteten Algerier.

Wie formuliert das Horst Hötsch, der Chefredakteur der Sportzeitung (deren aktuelle Ausgabe ich allen dringen empfehel, jeweils eine handfeste und kokrete Seite zu jedem Teilnehmer-Team) in seinem Editoral so schön? Er sei ins Grübeln gekommen angesichts der Kader von Slowenien und der Slowakei. Deren Kicker würden bei griechischen Mittelständlern, holländischen Nachzüglern, in der zweiten deutschen Bundesliga oder in Rumänien spielen - und sich trotzdem mit einer fast durchgängigen Legionärstruppe für die WM qualifizieren. Die Unsrigen haben diesen Umweg über die B-Klasse nicht nötig, weil sie daheim eh gut verdienen, es aber gemütlicher angehen können, wodurch sie an Klasse verlieren (denn die Ö-Bundesliga ist nur mit einem Kicker vertreten in Südafrika, da hilft schönreden gar nix). Und: wenn schon Ausland, dann gleich die Top-Ligen - was oft direkt auf die Ersatzbank führt. In diesem Kreislauf des Köchelns im eigenen Saft versagen dann Strukturen und verhindern Entwicklung hin zur Top-Leistung. Auch des Nationalteams. Weshalb etwa der slowenische Weg (siehe Teilnahme-Meriten) der wohl bessere wäre.

Teamchef ist übrigens der Ex-GAK-Spieler Matjaz Kek - im WM-Spezialheft des Ballesterer findet sich ein ausgezeichnetes Interview mit ihm; da sagt er innerhalb von einpaar Minuten soviel G'scheites und Richtiges, dass man - angesichts seiner österreichischen "Kollegenschaft" - nur in den Kopfpolster beißen kann.

Natürlich hat man die wacklige Diva Milenko Acimovic dort längst eliminiert, der war schon in der Qualifikation (die etwa Mitja Mörec, erinnert sich noch wer?, kurz mitbestritten hat) kein Thema, sowas geht nur in Österreich.

Die Achse Handanovic(Samir)-Brecko-Koren-Novakovic/Dedic steht, auch die ganz Jungen (Krhin, Matavz) sind mit dabei - und jeder, der dem vorsichtigen, aber clever lauernden Team aus der kleinen Ex-Yugo-Republik nicht genügend Respekt entgegenbringen wird, kann ganz böse überrascht werden.

Gruppen-Fazit

Alles klar? Alles klar.