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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

3. 6. 2010 - 13:29

Video Game Crowdsourcing

Stell' dir vor, du kaufst ein Spiel und musst es selbst bauen.

Seit Anfang des Jahres hab' ich mich darauf gefreut. "ModNation Racers" wurde als glaubhafter Konkurrent zur 20-jährigen Vorherrschaft von "Super Mario Kart" angekündigt. Ein Seifenkistenrennen mit bunten Avataren, Gefährten und Rennstrecken, die man selbst von Grund auf gestalten kann.

Jetzt gibt es leider ein Problem: Wer sich ein Videospiel nicht kauft, um sich darin seine Charaktere und Levels erst mal selbst zu bauen, steigt bei "ModNation Racers" schlecht aus. Der Baukasten ist so aufdringlich in den Vordergrund gerückt, dass man sehr schnell davon genervt ist. Die Tatsache, dass das Spiel hauptsächlich ein Editor ist, wird während der ersten paar Rennen bestätigt. Die vorhandenen Strecken sind nett, das Fahrgefühl ganz okay, alles in allem bleiben die Rennen trotz bemühter Action aber belanglos und langweilig.

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "ModNation Racers".

Sony/PlayStation

Vom Spiel zum Editor

"ModNation Racers" ist der nächste Schritt einer Strategie von Sony/PlayStation, die grundsätzlich zu befürworten ist. Der User soll in Zeiten von nutzergenerierten Inhalten dazu ermutigt werden, seine Inhalte - bei Games eben Levels, Figuren, Dramaturgie - selbst zu erstellen. Gerade bei großen, kommerziellen Titeln auf der Konsole war das bis vor kurzem noch quasi unmöglich. Das visuell und spielerisch bemerkenswerte "LittleBigPlanet" hat 2008 den Grundstein dafür gelegt, dass auch die proprietäre Spielkonsole zum Baukasten wird.

Doch die Grenze zwischen Gestaltungsfreiheit und potenzieller Ausbeutung ist schmal. Was bei "LittleBigPlanet" noch eine begrüßenswerte Erweiterung des Spielerlebnisses war, mutet bei "ModNation Racers" schon wesentlich ungenehmer an. Neben dem aus der Balance geratenen Verhältnis zwischen Spiel und Editor, verstärken die Nutzungsbedingungen den schalen Beigeschmack beim Spielen. Ebenso wie bei Facebook, "World of WarCraft" oder anderen im Netz zur Verfügung gestellten Communities, wird Eigentum hier anders definiert, als man es als Gestalter vermuten würde. Die Rechteinhaber der jeweiligen Plattform behalten sich meist vor, mit den Inhalten anzustellen, was sie wollen. Das Spiel wird durch die kostenfreie Arbeit der User immer spielenswerter, gewinnt damit stetig an Wert und bleibt im Gespräch. Darüber hinaus kann es nach Belieben zu Werbezwecken genutzt werden - schließlich hat jeder Spielende per einfachem Tastendruck vor dem allerersten Spiel die Nutzungsbedingungen bestätigt.

Ich bin kein Game Designer

Games fordern durch ihren interaktiven Charakter zwar per se eine andere Form der Aufmerksamkeit als etwa ein Buch oder ein Film. Dennoch ist ein Videospiel in erster Linie ein Konsumprodukt und dazu da, gespielt zu werden. Der Job des Game und Level Designers erfordert hohe Qualifikationen, überdurchschnittliche technische, kreative und gestalterische Fähigkeiten sowie eine gute Imaginationsfähigkeit. Machen diese Menschen ihren Job gut, überträgt sich das meistens aufs Spiel.

Bildschirmfoto aus dem Rennstrecken-Editor des Videospiels "ModNation Racers".

Sony/PlayStation

Es ist ja nett, wenn mir das Game sagt: "Hey, da ist ein Tool, mit dem du dir deine eigene Inhalte erstellen kannst. Wir packen das zu unserem fertigen Spiel dazu - tob' dich aus, wenn du möchtest." Aber, um mich mal selbst als Beispiel herzunehmen: Ich bin nicht daran interessiert, das zu tun. Weder habe ich die Zeit, noch Muße und Geduld dafür. Außerdem wären meine eigenen Ansprüche zu hoch und unerreichbar. Ich bin kein Game Designer! Ebenso, wie fast alle anderen, die das jeweilige Spiel spielen. Nur einige wenige sind geschickt und talentiert genug und verfügen über genügend Zeit und Motivation, um tolle eigene Inhalte zu erstellen. Deshalb muss das Spiel für sich selbst stehen können, was im Falle von "ModNation Racers" definitiv nicht der Fall ist.

Der Baukasten zum Starspiel

Dass es anders auch geht, beweist seit nun mehr zwölf Jahren Blizzard Entertainment mit seinem Strategie-Klassiker "StarCraft". Das originale Spiel begeisterte sowohl durch ein homogenes Science-Fiction-Setting, eine spannend erzählte Geschichte als auch durch ein brillant ausgeklügeltes Mehrspielererlebnis. Als Bonus war der Karteneditor von Anfang an mit zum Spiel gepackt. Es war und ist ein mächtiges Tool, das viel genutzt wird und tolle Ergebnisse zu Tage gebracht hat. Und doch war immer klar, dass die nutzergenerierten Inhalte bloß ein Zusatzangebot zum existenten, vollwertigen Spiel sind.

Der Nachfolger "StarCraft II" entlässt den Editor zum Game sogar schon in die Welt, bevor das Spiel noch regulär erschienen ist. Im ars technica-Artikel "Tetris, shooters, and Diablo - the best of StarCraft 2 mods" bin ich aus dem Staunen über die dort verlinkten, von Usern erstellten Levels und Karten nicht mehr hinaus gekommen. Wäre "ModNation Racers" in erster Linie ein fantastisches Spiel, ich würde darin vielleicht auch mal mein eigenes "Tetris" oder "Diablo" bauen. Oder zumindest bauen wollen.