Erstellt am: 2. 6. 2010 - 13:55 Uhr
Wir sind Maschinenmenschen
Seit Tagen muss ich immer wieder über einen treffenden Satz des Kollegen L'Heritier schmunzeln, nachzulesen in einem Review von vor kurzem:
FM4 Soundpark Band des Monats kann jede Band werden, die sich im
FM4 Soundpark anmeldet.
"Pavement - In 20 Jahren dann neben Yo La Tengo, Built To Spill und Sonic Youth beim Lovely Days Festival, die jungen Leute werden mittlerweile in Labors von gentechnisch hochgepimpten Kakerlaken fabrizierte Geräusche als 'Musik' bezeichen."
Ui, des Kollegen Dystropien klingen düster. Der Tag, an dem alles analoge Equipment entgültig von der Bildfläche der zeitgenössischen Musikproduktion verschwunden sein wird - werden wir diesen Tag noch erleben? Adieu Gitarre, Tschüss Bass und Schlagzeug, it's - ok, eigentlich eh alle Jahre wieder einmal - over. Zwar kommt jede Dekade aus irgendeiner Ecke ein neu ernannter "Retter der Rockmusik" gekrochen, um am funky Disco-Rutschparkett ein bisschen aufzumischen, aber meistens schön im eigenen Saft schwimmend und immer einen saftigen Referenzkettenschwanz hinter sich her schleppend. Aber was solls. Zur Wiederbelebung goldener Erinnerungen angestaubter Tage reichts doch allemal.
Ja, was soll man machen. Die jungen Leute von heute, sie frickeln halt mittlerweile lieber an klitzekleinen, federleichten Plastikcomputern und an lustig blinkender Elektronik herum.
Doch Elektro Guzzi aus Wien wissen, dass es auch anders geht.
Elektro Guzzi
Elektro Guzzi
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Und in einer FM4 Soundpark Listening Session am Sonntag den 6. Juni zwischen 01-06 Uhr früh.
Elektro Guzzi - auf den ersten Blick mag man hinter diesen Namen vielleicht den Café Latte-Soundtrack für den leicht bewölkten Sonntag Vormittag beim Bobo-Nahversorger ums Eck vermuten. Das Instrumentarium der Band - Gitarre, Bass und Schlagzeug - lässt einem auch noch nicht großartig aufhorchen, sondern höchstens darüber grübeln, wieso so vielen Rockbands eigentlich kein guter Bandname einfällt. Der Nebensatz von Elektro Guzzi, "Techno Tanzband aus Wien", macht dann aber doch neugierig. Eine Techno Tanzband? Wie kann man sich die denn vorstellen? So (Ooh!):
elektro guzzi from elektro guzzi on Vimeo.
"Techno als Band spielen" lautet der Auftrag der drei Herren aus Wien. Ohne Drumcomputer oder Synthesizer, dafür mit sechs Armen, sechs Beinen und drei kreativen Köpfen bewaffnet. Zwischen improvisierten Jazz und Krautrock, zwischen Postrock und afrikanischer Rhythmik ist man Zuhause. Als Ergebnis dieser Einflüsse wird handgemachter Minimal Techno aufgetischt. Und man möchte beim ersten hinhören auch wirklich überhaupt nicht vermuten, dass sich hier echte Menschen hinter den Saiten und Trommelfellen verstecken. Das muss doch geschwindelt sein, irgendwo ist doch sicher wieder einer dieser bunten Minilaptops versteckt, auf dem die Beats & Bits drauf vorprogrammiert ist. Aber nein. Alles echt!
t-on
Jede Soundpark Band des Monats erhält einen Zehnstundenblock des Wiener Tonstudio- /Proberaum- /Musikverleih- Komplex
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Mit äußerster Präzision und Genauigkeit werden hier gängigen Instrumenten ganz neue Töne entlockt, durch das Präparieren von Gitarre, Bass und Schlagzeug neue Soundspektren eröffnet. Ein roter Faden in der Produktionsweise, den die Band seit 2004 konsequent verfolgt:
"Wir haben alle auch unsere Rockbanderfahrungen gemacht, uns aber auch intensiv mit abstrakter und improvisierter Musik und deren Soundästhethik auseinandergesetzt. Das alles hat einen Einfluss auf unsere Musik gehabt. Wir haben auch nicht wirklich gewusst, wo das mit unserer Musik hinführt oder was unser Ziel ist. Wir haben einfach weitergemacht und geschaut, dass wir besser werden."
Die FM4 Soundpark Band des Monats ist auch zu finden auf jedem Snipcard-Board auf www.snipcard.at
So geht es Elektro Guzzi wohl weniger um Effektehascherei durch das Außergewöhliche, viel mehr muss den aktuellen Sound als Ergebnis jahrelangen Tüftelns betrachten. Ja, wieso auch eigentlich nicht so Musik machen? Und da sind Elektro Guzzi im Moment wahrscheinlich die einzigen, die derartiges fabrizieren.
Elektro Guzzi
Vor kurzem haben die drei im Studio von Patrick Pulsinger ihr Debütalbum zusammengebraut. Ohne Overdubs und Cuts, alles wurde wie auch auf der Bühne gemeinsam im Studio live eingespielt. Stundenlanges herumtüfteln an ein paar Beatfetzen und einzelnen Takten gabs zwar trotzdem, aber letztlich ist jeder Track das Ergebnis aus einem Guss. Trotz all der Präzision und Genauigkeit: Der "Faktor Mensch" spielt bei Elektro Guzzi trotzdem immer auch eine wichtige, gern gesehene Rolle.
Elektro Guzzi live:
12.6. The Loft, Wien
15.6. Album Presentation/ MAK nite @ Gefechtsturm Arenbergpark, Wien
17.6. SONAR Festival, Barcelona
3.7. trouw Amsterdam
17.7. un-defined festival, Meran
6.8. Poolbar Festival, Feldkirch
Und anders als bei Kraftwerks "Menschmaschine" werden menschliche Züge hier nicht zu Gunsten der Gruppe als übergeordnetes System, zugunsten der Über-Maschine wegrationalisiert, sondern im Gegenteil:
"Ein Track von uns kann beim nächsten Mal auch ganz anders klingen. Das ist durchaus auch erwünscht. Darum geht es auch. Um die Dynamiken, Tempovariationen, die Unschärfen."
Kurios? Revolutionär? Anachronistisch? Vorbeihören wird man an Elektro Guzzi in Zukunft sicher nicht so leicht können, das beweist schon ein Blick auf den aktuellen Tourplan:
Ein Auftritt am Sónar Festival in Barcelona steht vor der Tür, im Berliner Berghain war man schon und auch das Londoner Fabric hat man schon gemeinsam mit DJ T. von Get Physical bespielt. Alles noch vor erscheinen des Debüts. Na das klingt doch alles wunderbar.
Wer hat also noch einmal schnell behauptet Gitarre, Bass und Schlagzeug sind dem Untergang geweiht? Alles Lüge.