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Pia Reiser

Filmflimmern

30. 5. 2010 - 19:12

Gogo gadgetto Gaganess galore

"Sex and the City 2" spielt in Abu Dhabi und dauert auch gefühlte 1001 Nächte. Wärs ein Musical, hätts mir vielleicht sogar gefallen.

Ein Swarovski-Steine Brechdurchfall eröffnet den Film. Alles funkelt, alles glitzert. Jeder Name in der Eröffnungssequenz ist mit Glitzersteinchen versehen, das ist kein Frühstück bei Tiffany, das ist eine ganze Armada an Tiffany'schen Schlachtplatten. Die Kamera schmiegt sich an blitzeblanke Hochhausfassaden, saugt die Oberfläche auf und weidet sich an ihr. Und das konnte Sex and the City, die Serie, immer schon hervorragend. Jede Episode war eine kostüm- und szenerietechnische Augenweide.

1998 eröffnete HBO mit der Serie neue Welten, denn vier weibliche Hauptfiguren, deren alleinstehend-Status nicht als Versagens-Stigmata dienen musste und die sich nicht über Beziehungen zu Männern defnierten, das war in der TV-Landschaft der ausklingenden 90er Jahre neu. Frauenfreundschaft als rotes Satinband, das über sechs Staffeln die Episoden zusammenhielt. (Weil es im Nachhinein immer so leicht zum Analysieren und Motschkern ist, empfehle ich Pamela Rußmanns Artikel aus dem Jahr 2001 zu lesen, ein flammendes Freudenfeuerwerk.)

Szenenbild aus "sex and the City"

Warner Bros

2008 - vier Jahre nach Serienende - kam der erste Film und mit ihm der natürliche Feind jedes guten Films, eine Hochzeit. Carrie Bradshaw trat mit Mr. Big, dem gelungenen Experiment aus Fadgas und Nicht-Ausstrahlung einen Menschen herzustellen, vor den Altar. Auch bei Teil 2 nahm Regisseur Michael Patrick King am Regiestuhl Platz und entführt uns auch wieder zu einer Hochzeitszeremonie - und die stellt dann auch gleich klar, was der ganze Film ist. Over the top UND over the rainbow. In einem Gene Kelly/Fred Astaire/Stanley Donen-Fiebertraum aus Schwänen, singenden Adonissen mit Zylindern, Glitzersteinchenvorhängen, in einer überhöhten Hysterie aus Weiß, schwarz und Silber heiraten Stanford und Anthony.

When there's this much gay energy in one room, Liza manifests, murmelt Miranda im besten Kleid des ganzen Films und tatsächlich teilt sich der Glitzersteinchenvorhang und Liza Minnelli in Strumpfhosen und schwarzem Glitterhemd erscheint und traut das Paar. Da geht noch mehr, denkt ihr euch - und ihr habt Recht. Mit zwei Minnelli-Lookalikes, die auch Minnelli-Enkelinnen sein könnten, singt, tanzt und covert sie Beyoncés "Single Ladies".

Für derartige Gaganess, in der man auch keine Ironie mehr verorten kann, hab' ich durchaus was über. Das ist camp ohne derartige Intention und mir wird klar, dass die ganzen verheerenden Kritiken auf einem Missverständnis und falschen Erwartungshaltungen beruhen: "Sex and the City 2" ist ein Musical, in dem nicht gesungen wird.

Das hat mit der Serie, die sich mit einem Themenkatalog gesellschaftlicher Fragen (nein, nicht Frauenthemen, Biologismus bringt einen nie weiter) auseinandergesetzt hat und sie in einen zuckerlpapierlenen Mikrokosmus aus Großstadt und Luxus eingewickelt hat, damit wir es leichter und gerne schlucken, nichts mehr zu tun.

Szenenbild aus Sex and the City2

Warner Bros

Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda sind bei ihrer Leinwandwerdung Karikaturen ihrer selbst geworden. Den Film mit Maßstäben zu bemessen und ihn auch nur ansatzweise wo zu verorten, wo er etwas mit der echten Welt zu tun hat, ist völlig fehl am Platz. Weil "Sex and the City 2" ein Eskapismusmarschbefehl ist. Diesmal nicht nur fürs Publikum, sondern auch für die vier Protagonistinnen.

Der Film ist zwar zu Beginn schon überhöht (bizarrerweise erklärt uns Carries voice over noch, dass sie und Big krisenbedingt das Penthouse gegen eine Wohnung weiter unten, also mehr down to earth tauschen mussten, aber Bodenhaftung ist dem Film so fremd wie gute Dialogregie), endgültig hebt "Sex and the City 2 "aber mit der privaten Fluglinie eines Scheichs ab, der die Vier nach Abu Dhabi eingeladen hat.

Abu Dhabi Doo, schreit Miranda und das Quartett landen dort, wo man es nach Serienende hätte hinschicken sollen: In der Wüste. Die vier Reiterinnen der kapitalistischen Apokalypse, bei denen Mode inzwischen mit Markenfetischismus endgültig synonym wurde, fallen dann leicht unangenehm kulturchauvinistisch im Mittleren Osten ein und auf. Doch einen Schnitt später wandeln die vier Dünnen durch die Dünen, eingekleidet in die Beute aus dem letzten Überfall auf einen Drag Queen-Fundus und man wird wieder daran erinnert, dass man sich in einem eskapistischen Szenario befindet.

Szenenbild aus Sex and the City2

Warner Bros

Der Mittlere Osten könnte genausogut Oz sein, er ist genauso La-la-Land wie die Hochzeit am Beginn und einzig und allein der Hintergrund für ein paar lahme Witze und geografische Entschuldigung für modische Experimente, die in Frauenzeitschriften garantiert als "1001 Nacht"-Flair beschrieben werden. Kleine turbanartige Hütchen, goldglänzende Pluderhosen, kaftanartige Badekleider. In diesem Luxuswunderland wird Karaoke und Helen Reddys Song "I am Woman" zur Völkerverständigung. Da sind im Musical-Xanadu für einen Moment die Unterschiede zwischen den Amerikanerinnen, den Burkaträgerinnen und den Bauchtänzerinnen aufgehoben. Und soll das Imelda Marcos sein, die da kurz sich zum Songhöhepunkt erhebt und einstimmt? Ist das eine sehr danebene Schuhfetischismus-Anspielung oder fatamorgane ich da bereits?

Denn schön langsam nagt der Film mein schickes Nervenkostüm zu einem löchrigen Fetzen, die Übertreibung und Schrillheit können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dialoge aus der hölzernen Sprachhölle stammen und dass ich nach 12 Jahren "Sex and the City" auch das Spiel der Schauspielerinnen allmählich leid bin. Dreitausend schiefgelegte Sarah Jessica Parker-Köpfe und an die Stirn gelegte flache Hände sind genug, fünftausend hochgezogene Catrall-Augenbrauen bei Waschbrettbauch-Vorkommnissen sind ebenfalls mehr als genug und ich bin auch die immer leicht empörten Vorträge von der pferdeschwänzigen Ethikkomission Charlotte leid.

Szenenbild aus Sex and the City2

Warner Bros

filmplakat "sex and the city 2"

warner bros

"Sex and the City 2" läuft bereits in den österreichischen Kinos

Nachdem der Sex schon in den späteren Staffeln der Serie immer weniger wurde, fällt im zweiten Film-Machwerk jetzt also auch die City weg und so auf sich allein gestellt fällt das einst von Candace Bushnell kreierte Universum auseinander. Verliert nicht nur Bodenhaftung, sondern fährt mit einem funkelnden Panzer auch alles platt, wofür die Serie mal gestanden ist: Ein potentielles Identifikationsuniversum.

Der endgültige, fast verräterische Dolchstoß folgt am Ende des Films. Wenn Carrie endgültig nach alter romcom-Manier doch gezähmt wird. Geködert mit einem funkelnden Ring und von nun an gerne zuhause bleibt, um mit Mr. Big fernzuschauen. Man kann ihr nur wünschen, dass ihr Filme von Michael Patrick King erspart bleiben. Uns übrigens auch.