Erstellt am: 28. 5. 2010 - 21:06 Uhr
Das große ABER
Frauenministerium
Der Frauenbericht 2010 ist online verfügbar.
1975 wurde unter Bruno Kreisky der erste Frauenbericht veröffentlicht, dem folgten weitere 1985 und 1995, während der Schwarz/Blauen Koalition wurden zwar Datensätze zu spezifischen Bereichen veröffentlicht, einen umfassenden Bericht hat aber erst wieder SPÖ Frauenministerin Doris Bures in Auftrag gegeben.
Nach 15 Jahren hat heute ihre Nachfolgerin, Gabriele Heinisch-Hosek, den neuesten Befund präsentiert. Auf 550 Seiten finden sich Daten, Fakten und Analysen zu Lebens- und Wohnsituation von Frauen in Österreich, zu Bildung und Ausbildung, zur Erwerbsarbeit, zur sozioökonimischen Lage oder wie es mit Gesundheit und Pflege steht. Erstmals beleuchtet wurde diesmal die Situation von Frauen im ländlichen Raum sowie der Migrantinnen in Österreich.
Frauen in der Mehrheit. Der Frauenanteil an der Bevölkerung betrug 2009 rund 51,3 Prozent, ihre Lebenserwartung stieg seit 1999 von 80,4 auf 83 Jahre.
In vielen Bereichen hat sich etwas zum Positiven verändert, doch muss einer guten Nachricht in fast allen Bereichen ein ABER folgen. Beispielsweise sind Frauen so gut gebildet wie nie zuvor, mehr Frauen als Männer haben eine Hochschule absolviert, aber: bei Frauen führt die Qualifizierung nicht automatisch in eine entsprechende berufliche Position. In der Führungsebene sind Frauen extrem unterrepräsentiert. Auf 90 Prozent der Chefposten in der Wirtschaft sitzen Männer. Nichts Neues, aber 2010 dennoch erstaunlich, ist die Tatsache, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Im Jahr 2007 etwa verdienen Frauen gemessen am Bruttojahreseinkommen der Männer nur rund 58,4 Prozent, teilzeitbereinigt (nur ganzjährige Vollzeitarbeit wird verglichen) bekommen sie immer noch um ca. ein Viertel weniger als Männer. Bis zu 18 Prozent verdienen Frauen laut Ministerium weniger, nur weil sie Frauen sind, denn diese Zahl sei statistisch nicht erklärbar.
Das A-Typische ist Typisch
Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau im Jahr 2008 lag bei 1,4 Kindern, 1995 waren es noch 1,5 - das erste Kind bekommen die Österreicherinnen im Durchschnitt mit 28,1 Jahren (1988: 24,5 Jahre). Die Kinderbetreuung wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut: Gab es 1995 erst rund 217.500 Plätze, waren es 2008 immerhin etwa 242.800. Während 2008 rund 86,5 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in Kindergärten betreut wurden, zeigt sich vor allem Nachholbedarf bei den unter Dreijährigen (rund 14 Prozent).
Spannende Einblicke in das Wie und Warum liefern Analysen von Expertinnen im Frauenbericht. So haben die Sozialwissenschafterinnen Ingrid Mairhuber und Ulrike Papouschek vom Institut Forba Entwicklung und Status Quo der Frauenerwerbsarbeit beackert und kommen etwa zum Schluss, dass für Frauen das a-typische typisch ist: Knapp zwei Drittel der Frauen in Österreich haben einen Job, aber nicht alle arbeiten fulltime, die Teilzeitquote bei den erwerbstätigen Frauen liegt bei rund 41,8 Prozent – bei Männern sind es knapp acht Prozent.
An sich ist Teilzeitarbeit nichts Schlechtes, aber: Arbeitsmarkt wie Sozialsicherungssystem sind nicht darauf eingerichtet, im Gegenteil, auch heute geht die Norm auf ein Modell aus der Nachkriegszeit zurück, auf den „male breadwinner“, den Mann, der arbeitet und alleine für die finanzielle Versorgung der ganzen Familie aufkommt. Das bisschen Haushalt, so die Annahme, macht sich klarerweise nicht von alleine, sondern Haushalt, Kinderbetreuung die Pflege von Angehörigen, das checkt die (Ehe-)Frau.
Erwerbsarbeit ist also heute noch so konzipiert, dass sie eigentlich nur von dem oder der bewältigt werden kann, der oder die von Betreuungsaufgaben im privaten und familiären Bereich freigespielt ist. So ist die berufliche Situation von Frauen, die keine Kinder haben, vergleichbar mit jenen ihrer Kollegen, aber. Wenn sich eine für Kinder entscheidet, ist die Vereinbarkeitsfrage, wie Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen sind, auch heute noch vor allem eine Frauenfrage. Und bleibt es selbst dann, wenn Frauen/Familien es sich leisten können, Kinderbetreuung oder Haushalt zu delegieren: dann werden nämlich oft Migrantinnen engagiert, und häufig schlecht bezahlt.
frauenministerium
Halbe/Halbe
Deutlich unterrepräsentiert sind Frauen in Politik und Wirtschaft: So lag der Frauenanteil im Parlament nach der Nationalratswahl 2008 mit rund 28 Prozent zwar über dem Durchschnitt der EU-27 (24 Prozent), allerdings beispielsweise unter dem Schnitt von Schweden (47 Prozent). In den Aufsichtsräten der ATX-Unternehmen sind 2010 außerdem rund neun von zehn Plätzen von Männern besetzt.
Die gute Nachricht: Traditionelle Rollenvorstellungen beginnen sich zu wandeln. Zumindest in den Köpfen, wie Studien zeigen, die im Frauenbericht zitiert sind. Väter sollten sich mehr oder gleichberechtigt um Kinderbetreuung und Haushalt kümmern, meint die Mehrheit einer repräsentativen Studie von 2004.
An den realen Verhältnissen können nur die richtigen Rahmenbedingungen etwas ändern, meint Ulrike Papouschek. So wird sich 2011 zeigen, ob durch das einkommensabhängige Kindergeld auch mehr Väter in Karenz gehen. Wichtig ist für die Sozialwissenschafterin auch die von Gabriele Heinisch-Hosek heute nochmal geforderte Transparenz bei den Gehältern. Die Frauenministerin hofft, dass die ÖVP noch heuer ihrem Modell zustimmen wird, mit dem Betriebe ab 25 MitarbeiterInnen anonymisiert offenlegen müssen, wie viel für welchen Posten bezahlt wird.
Der aktuelle Frauenbericht als umfangreicher Daten- und Informationssatz schafft die Basis für viele politische Forderungen und Vorhaben, die auf eine Gleichberechtigung der Geschlechter abzielen. Frauenministerin Heinisch-Hosek hat heute auch die Selbstverpflichtung zu Quoten in Betrieben gefordert, um den Frauenanteil in den Führungsetagen zu erhöhen. An Parteien und Interessensvertretungen wurde appelliert, mehr Frauen in Entscheidungspositionen zu holen – Halbe-Halbe ist auch 2010 eine zentrale Forderung, in vielen Bereichen.