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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

27. 5. 2010 - 17:00

Generation Porno

Wie wirken Pornografie im Web und sexuell explizite Songtexte auf die Lebenswelten von Jugendlichen?

Vor 15 bis 20 Jahren waren es noch verpixelte Fotos am Computer und dann und wann schlüpfrige Anspielungen in Rocksongs. Heute sind sowohl pornographische Inhalte aus dem Netz als auch viele Songtexte und Videos wesentlich expliziter, sexistisch, aggressiv. Rapper wie Sido und Bushido sind durch ihren sogenannten "Porno-Rap" berühmt geworden und Performerinnen wie Lady Gaga oder Christina Aguilera bestätigen in aufreizenden Posen die popkulturell mittlerweile gefestigte Rolle der "Bitch", die auf unterschiedlichste Weise ausgelegt wird.

Wie wirkt sich diese Öffentlichwerdung und zugespitze Darstellung von sexuellen Inhalten auf die Reifung Jugendlicher aus? Damit beschäftigt sich ein aktuelles Buch mit dem Titel "Generation Porno", geschrieben vom 30-jährigen deutschen Journalisten Johannes Gernert.

"Süße kleine Maus"

Porno-Rap ist freilich nicht über Nacht entstanden. Schon 1997 hat etwa die Münchner HipHop-Gruppe Feinkost Paranoia über von Pornoästhetik geprägtem Sex mit der "süßen kleinen Maus" gerappt. Drei Jahre später ist dann Kool Savas aufgetaucht, hat noch einen Gang zugelegt und den vor allem aus Berlin kommenden, sexuell aggressiven Rap-Texten den Weg geebnet.

Fackelträger Verlag

Parallel mit der Zuspitzung der Songtexte hat Mitte der 2000er-Jahre der Aufstieg der Bewegtbilder im Web stattgefunden. YouTube und Co. wurden schnell allgegenwärtig, bald tauchten auch Streaming-Portale auf, die sich auf Sexclips spezialisieren. Johannes Gernert dröselt in seinem Buch diese beiden Stränge auf und beleuchtet davon ausgehend ausführlich die Lebenswelten von Jugendlichen in Bezug auf Pornografie.

Erfolgreich provoziert

Johannes Gernert hat für sein Buch mit Lehrern, Seelsorgern, Forschern, Pädagogen und Eltern gesprochen. Die Entrüstung von vielen von ihnen entspringt zunächst der bloßen Tatsache, dass Jugendliche sich mehr oder weniger stark mit sexuell einschlägigen Inhalten beschäftigen. Viele sind mit dieser Situation überfordert, weil man sich damit auch mit der eigenen Sexualität ausgiebig konfrontieren muss, bevor man zur Kommunikation mit den jungen Menschen schreitet.

Genau darin, schreibt Johannes Gernert, liegt der grundsätzliche Reiz von Porno-Rap, YouPorn und Co.: Viele Erziehungsberechtigte werden durch die für viele als verstörend empfundene Offenheit in die Defensive gedrängt und beschäftigen sich dann oft nicht weiter mit dem Thema. Die Jugendlichen derweilen wissen genau, worauf sie sich einlassen. Gernert selbst hat auf Plattformen wie SchülerVZ oder Jappy Mädchen und Burschen zwischen 13 und 18 zu ihrem Umgang mit Pornografie befragt. Die Antworten fallen zwar vage aus, aber es manifestiert sich ein Bild: Die expliziten Namen, Bezeichnungen und Rap-Inhalte sind nicht wörtlich zu nehmen. Wenn sich eine Userin etwa "Pornokätzchen" nennt und Bushido gut findet, bedeutet das noch lange nicht, dass sie wirklich in Sexfilmen mitspielen oder sich einem sexistischen Duktus unterordnen möchte. Es ist vielmehr ein Abgrenzungsmechanismus, Provokation gegen die Elterngeneration.

Junge Frau

Fackelträger Verlag

Von Pimps und Bitches

Die Kehrseite für Jugendliche ist, dass die permanente Konfrontation mit Sex und Pornographie junge Menschen naturgemäß unter Druck setzt. Vor allem wenn die eigene Sexualität und intime Gefühle einem selbst noch nicht ganz klar sind, wird das permanente Nach-außen-Stülpen dieses Themas ein Problem. Ein gutes Beispiel dafür ist Homosexualität, das in Porno-Rap-Stücken meist aggressiv stigmatisiert wird.

Junger Mann mit Schirmmütze; Cover des Buches "Generation Porno"

Fackelträger Verlag

"Generation Porno" von Johannes Gernert ist im Fackelträger-Verlag erschienen.

Unabhängig der sexuellen Ausrichtung können pornographische Inhalte für eine große Kluft zwischen Mädchen und Burschen sorgen, die später oft über Jahre hinweg nicht überwunden wird. Vor allem dann, wenn ein klarer Wertekanon aus dem Elternhaus bzw. dem Umfeld fehlt, werden in Pornos dargestellte Rollenspiele als tatsächliche gesellschaftliche Rollen missintepretiert. Gangbang, dirty talk, ins Gesicht spritzen und generell wilder Sex mit akrobatischen Stellungswechseln: Nicht immer ist hier für alle Zusehenden klar, dass die Inhalte von pornographischem Bild- und Videomaterial stark inszeniert sind und mit dem echten Leben nicht zwingend zu tun haben.

Aber mittlerweile, so Johannes Gernert, ist das Thema Provokation ohnehin weitgehend durchgespielt. Die popkulturelle Verankerung wird allerdings bleiben. Ebenso wie die Probleme durch sexuelle und gesellschaftliche Fehlinterpretationen, die davon für die "Generation Porno" ausgehen können.