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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

27. 5. 2010 - 00:40

Cop Shoot Cop

Was das Verschwinden eines schottischen Musikblogs über die Machtverhältnisse in den neuen Gratismedien zu sagen hat.

Ich hab glatt das zehnjährige Jubiläum meines Blogs hier verpasst. Zehn Jahre und fast ein Monat, das klingt nicht so spektakulär wie zehn Jahre geradeaus, also werd ich das jetzt einmal nicht an die große Glocke hängen. Damals jedenfalls nannten wir es nicht bloggen, sondern „hosten“, und ich konnte mir selber kaum vorstellen, dass ich damit irgendjemand erreichen würde. Überraschenderweise kam es dann aber so.

Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, zu diesem Anlass hier Geschichten aus diesen letzten zehn Jahren rauszusuchen, aber es ist wohl gar kein schlechtes Zeichen, dass ich dann doch immer was Besseres zu tun hab, als in der Vergangenheit zu wühlen.

Zum Beispiel einen der heutigen Tweets der nach Australien verzogenen Musikschreiberlegende Everett „The Legend“ True zu lesen. Da schrieb der selber bloggende Journalist, dass der schottische Musikblog The Pop Cop von Googles Blogger-Service abgedreht worden ist und wir daher fürderhin in Solidarität alle jene Plattform boykottieren sollten.

Die Hintergrundgeschichte dazu ist unter anderem bei Drowned in Sound nachzulesen. Kurz gesagt, es ging um ein paar unerlaubt verbreitete mp3s, die allerdings zum Zeitpunkt der Verwarnungen und darauf folgenden Suspendierung jenes Blogs schon längst offline waren, und die in der Zielrichtung des Blogs, unbekannte schottische Bands bekannt zu machen, eine völlig unwesentliche Rolle spielten.

Logo The Pop Cop

the pop cop

Wie The Pop Cop hier erklärt, gab es für ihn gar keine Möglichkeit, wirksamen Einspruch zu erheben. Ich kann ihm da nachfühlen als einer, dem Myspace eines Tages eine Verwarnung schickte, weil offenbar Anwälte von Sony behauptet hätten, die Rechte an meinem Song „Schengenländer Die“ seien in ihrem Besitz.

Völliger Schmafu, wie ich Myspace mittels eidesstattlicher Erklärung wissen ließ. Mit der Konsequenz, dass sie den Song (aber ironischerweise nicht das Video dazu) aus meinem Profil gelöscht haben.

In zumindest einem Punkt muss ich der Darstellung von The Pop Cop allerdings entschieden widersprechen:

Was ihm widerfahren ist, ist nämlich eben nicht so, als käme man eines Tages nach Hause und fände das Schloss gewechselt vor. Der Unterschied liegt nämlich genau darin, dass man sein Haus/seine Wohnung mietet/kauft, die Blogger-Seite aber eine Gratisdienstleistung darstellt, deren Preis einerseits in der Verwertung der darauf deponierten Daten, andererseits in der Abgabe des Rechts auf diese Dienstleistung liegt.

Natürlich darf Blogger/Google Konten willkürlich abdrehen, und natürlich sind die Mechanismen, nach denen dies passiert, völlig unzureichend. Ist ja schließlich alles gratis.

Mit unserem über zehnjährigen Jubiläum hier, das auch bestehende und gewesene KollegInnen wie Trishes, Stefan Pollach oder Susanne Niedermayer feiern, hat diese Unterscheidung durchaus einiges zu tun. Dieser Host-Bereich sprich Blog wurde damals nämlich als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begründet und als Teil dessen journalistischen Angebots von Gebühren finanziert. Ihn abzudrehen wäre eine dementsprechend völlig andere Geschichte.

Mir ist schon bewusst, dass ich mich als einer, der nicht in Österreich, sondern in Großbritannien seine – übrigens ziemlich beträchtlichen Gebühren – zahlt und seinerseits vom ORF bezahlt wird, argumentativ auf einem anderen Boden bewege als jene KonstumentInnen, die gern in diversen Foren über die Gebührenpflicht herziehen. Aber die Geschichte von The Pop Cop erklärt nicht nur, warum es für eine Gesellschaft wichtig ist, sich öffentlich-rechtliche Medien zu leisten. Sie demonstriert auch, warum das Gratismodell gegenüber der alten Macht der Verleger nicht jene grenzenlose Freiheit bedeutet, deren Anschein die Anbieter dieser Dienste, in diesem Fall Google, so gern vermitteln. Insofern ist Everett Trues Entrüstung über das Vorgehen von Blogger/Google sogar ein bisschen naiv.

Natürlich wird The Pop Cop sich eine andere Plattform suchen können. Aber solange jemand anderer die Serverfarmen betreibt, den Strom zahlt und die Daten bündelt, bleibt die Freiheit, per Blog zu publizieren, eine geborgte. Solange es nur um einen Musikblog geht, ist das kein großes Ding. Wenn es an politische Berichterstattung geht, sollten wir auf solche jederzeit entziehbaren Gefälligkeiten aber besser nicht angewiesen sein.