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Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

29. 5. 2010 - 15:15

Die Abkömmlinge des William Fitzsimmons

Der US-Songwriter lernt auf der Remix-EP "Derivatives" seine eigenen Songs neu kennen. Und er präsentiert sie am 1. Juni im Haus der Musik. Bei freiem Eintritt!

In Amerika lernt man Typen wie William Fitzsimmons auf eine Weise kennen, die uns in Europa etwa befremdend erscheint: nämlich auf dem Soundtrack einer TV-Serie. Ein Gutes hat es ja: Hätten die Produzenten von "Grey´s Anatomy" die Songs "Passion Play" und "Please Don´t Go" nicht als geeignete musikalische Untermalung einiger Szenen ausgewählt, hätte Fitzsimmons seine musikalische Karriere vielleicht schon längst aufgegeben.

William Fitzsimmons

William Fitzsimmons

Karrieren hat der introvertierte und zugleich charmante Mann aus Illinois schon einige hinter sich. Vor seiner musikalischen Laufbahn absolvierte Fitzsimmons das Studium der Psychotherapie in Pittsburgh und arbeitete daraufhin als Psychotherapeut mit psychisch kranken Menschen. Der sensible Umgang mit seinem Umfeld wurde ihm schon in die Wiege gelegt: William Fitzsimmons wuchs als jüngstes Kind zweier blinder Eltern auf.

Trennungsgeschichten

William Fitzsimmons

William Fitzsimmons

Fitzsimmons beschrieb diese Erfahrung kürzlich im Interview als eine relativ normale Kindheit, die jedoch rasch davon geprägt war, dass die Kinder auf die Eltern und nicht umgekehrt aufpassen mussten.

Während sein erstes Album "Until When We Are Ghosts" die musikalische Flucht eines Psychotherapeuten war, die er im eigenen Keller aufgenommen hat, sind die Folgealben Spiegelbilder familiärer und persönlicher Trennungen. Das zweite Album "Goodnight" behandelt großteils die Scheidung der Eltern und der jugendliche Sohn, der damit klar kommen muss. Das bis dato erfolgreichste Werk "The Sparrow And The Crow" ist wiederum ein Blick auf Fitzsimmons' eigene Scheidung. Dass "Goodnight" und "TSATC" eine enge Verbindung aufweisen, zeigt nicht nur der narrative Anknüpfungspunkt der letzten und ersten Nummer ("Afterall" auf "Goodnight" und "After Afterall" auf "TSATC"), sondern auch die getragenen Melodien, sanften Vocals und die brüchige Atmosphäre, die von Schmerzen und Kummer erzählen.

Trennung von der Trennung

William Fitzsimmons - Derivatives

Grönland

Nicht zu letzt die erfolgreiche Tour im letzten Jahr ist dafür verantwortlich, dass William Fitzsimmons seine intimen Abschiedsbotschaften nun aus der Hand gibt und mit der digitalen EP "Derivatives" anderen KünstlerInnen den Vortritt lässt. Auf diese Weise präsentiert Fitzsimmons die Ableitungen, aber auch Abkömmlinge, seines letzten Albums.

"I came to a place with the "Sparrow" record where I didn't want to live in the somberness of the songs forever. I made those songs an extremely certain way because I needed to at the time. I needed to saliently feel the darkness of what I had done and where I was. But over time, as I began to slowly walk out of that point, I started to see so many others experiencing the songs differently, even positivistically. And I wanted to understand and assimilate that experience for myself as well."

Normalerweise sind solche Remix-EPs immer auch ein Weg um Altes neu aufzuwärmen, aber hier ist das anders. Neben Remixen von George Raquet, Mikroboy und Pink Ganter arbeitet Fitzsimmons bei einer Neuaufnahme von "You Still Hurt Me" mit einem Chor zusammen, der genau jenen Gesangspart übernimmt, den Fitzsimmons live von seinem Publikum einfordert. Und mit dem er den Song schon damals aus den Händen gegeben hat.

William Fitzsimmons live in Österreich:

1.6. Haus der Musik, Wien

Im Rahmen von "10 Jahre Haus der Musik" (1.-10.6.) u.a. auch mit Giant Sand, Clara Luzia, Sophie Hunger, Irmi Vesselsky und Sir Tralala. Alle Konzerte bei freiem Eintritt!

2.6. Schloss Hartberg, Hartberg

Persönliches Highlight und augenzwinkernder Abschluss ist das grandiose Cover von "I Kissed A Girl" von Katy Perry, wodurch jemand anderer einen Song an Fitzsimmons übergibt. Und der macht daraus wie gewohnt sein ganz eigenes Original. Ich erinnere in dem Zusammenhang nur an seine großartigen Versionen von "King Of Wishful Thinking" von Go West und Kanye West's "Heartless".

"Derivatives" ist als Download only-EP in den digitalen Musikshops eures Vertrauens zu erstehen. Wer trotzdem eine CD in der Hand halten will: "Derivatives" wird auch exklusiv bei allen William Fitzsimmons-Konzerten der aktuellen Tour verkauft. Also auch bei den beiden Auftritten in Österreich in Wien und Hartberg. Die EP erschien dafür übrigens bei Grönland Records, dem Label von Herbert Grönemeyer.

Bonus: "Finding Home Tour Documentary"

Zur Einstimmung auf die Konzerte wurde vor kurzem im Internet auch eine Dokumentation der letzten Europa-Tour veröffentlicht, mit Interviews, Performance-Ausschnitten und akustischen Eindrücken von "Derivatives".