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Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

27. 5. 2010 - 12:02

Rape-aXe

Ein Kondom mit Zähnen soll Südafrikas Frauen vor Vergewaltigungen schützen. Und umschifft damit das eigentliche Problem.

Südafrika. Rund 49 Millionen Einwohner, südlichster Teil des afrikanischen Kontinents, Austragungsort der Fußball-WM 2010 - und: "Rape Capital of the World". In keinem anderen Staat der Welt werden täglich so viele Menschen vergewaltigt wie in Südafrika. Die Dunkelziffer wird von Menschenrechtsorganisationen bis zu 1,5 Millionen pro Jahr eingeschätzt. Bei einer kürzlich stattgefundenen Umfrage, durchgeführt vom staatlichen Forschungsinstitut des Landes, gab ein Viertel aller Männer an, schon einmal eine Frau vergewaltigt zu haben, die Hälfte von diesen mehrmals. Und nur 8% aller angezeigten Vergewaltiger werden auch verurteilt.

Inmitten dieser Tatsachen lebt und arbeitet Dr. Sonnet Ehlers. Sie ist die Erfinderin des sogenannten "Anti-Vergewaltigungs-Kondoms" Rape-aXe. Ein Produkt, das Selbstermächtigung und Schutz verspricht. Es wird das Problem der Vergewaltigungen aber leider nicht lösen.

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"If I only had teeth down there."

"Für eine in Südafrika geborene Frau ist die Wahrscheinlichkeit, sexuell missbraucht zu werden, höher als die, lesen und schreiben zu lernen." Spiegel

Ausschlaggebend sei die Aussage eines 20-jährigen Vergewaltigungsopfers gewesen, die, als sie stark traumatisiert zu Ehlers ins Krankenhaus eingeliefert wurde, sagte: "Wenn ich da unten nur Zähne gehabt hätte." Mehr als 30 Jahre investierte die Südafrikanerin Ehlers anschließend in die Erfindung eines Kondoms, das an den Mythos der "Vagina Dentata" erinnert: Eine Vagina mit Zähnen. Um zurückbeißen zu können.
2005 konnte sie ihre Erfindung erstmal öffentlich vorstellen, und die Fußball-WM in Südafrika ist für sie der richtige Zeitpunkt, um es unter die Leute zu bringen. 30.000 Stück wird sie gratis verteilen lassen.

Widerhaken, Schmerzen, Anzeige

Die Funktionalität von Rape-aXe ist leicht erklärt: Ein Latexschlauch, ähnlich wie ein Kondom, der in die Vagina eingeführt wird und bis zu 24 Stunden lang getragen werden kann. An den Innenseiten verläuft eine Reihe von Widerhaken, die sich bei Penetration in den Penis krallen und sich nur chirurgisch entfernen lassen - was neben starken Schmerzen und dem sofortigen Abbruch der Vergewaltigung auch zu einer leichteren Identifizierung der Täter führen soll. Außerdem ist die Möglichkeit einer Schwangerschaft und die Übertragung von Geschlechtskrankheiten und AIDS ausgeschlossen.

Soweit die Basisdaten.
Dem spontanen "Hurray!" über das emanzipatorische Sich-Wehren folgt allerdings die kritische nähere Betrachtung. Denn problematisch wird das ganze, wenn es um den Gebrauch und die Wirksamkeit der Erfindung geht.
Wie das Amen im Gebet rief die Einführung von Rape-aXe sofort das Mahnen derjenigen auf den Plan, die Missbrauch gegen unschuldige Männer befürchten. Und auch frauenpolitische Gruppen, die Ehlers hohen Respekt für ihre Arbeit zollen und Rape-aXe als Ausbrechen aus der Ohnmacht angesichts einer gewalttätigen Gesellschaft sehen, kritisieren das Kondom.

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Anti Anti

Neben der Tatsache, dass Rape-aXe nicht vor Vergewaltigung schützt, sondern nur die Tortur verkürzt und rechtliche Konsequenzen für die Täter ermöglicht, ergeben sich längerfristig gesehen noch andere Probleme.

Zum Beispiel, dass ein zähnefletschender Schlauch zwischen den Beinen nur die Symptome bekämpft, nicht die Ursache. Es steckt traurige Resignation in einer Erfindung wie dieser - sie geht davon aus, dass Vergewaltigungen sowieso passieren. Frauen haben sich damit abgefunden, die gesellschaftlichen Parameter nicht ändern zu können, sondern die Folgen tragen zu müssen. Rape-aXe hilft, diesen Bereich noch besser unter Kontrolle zu haben: Keine Krankheit, keine Schwangerschaft, und der Peiniger gebrandmarkt. Es geht nicht um Schutz, sondern es geht um Vergeltung, und es geht auch nicht um Prävention, es geht um Strafe. Völlig nachvollziehbare Beweggründe. Für die Perspektiven, die jungen Frauen damit in Südafrika und dem Rest der Welt aufgezeigt werden, ist diese Resignation allerdings fatal.

Ein anderer Kritikpunkt ist die Tatsache, dass Vergewaltigung nur als vaginale Penetration wahrgenommen wird; andere Formen der körperlichen Misshandlung (oder der Fakt, dass Männer auch Männer vergewaltigen) kommen in der (zum Glück stattfindenden!) Diskussion nicht vor.

Oder die Folgen, die der unmittelbare Vergeltungsschlag auslösen könnte. "Nur der Himmel weiß", schreibt beispielsweise Lara Williams von der Manchester Object Supporter Group für Vergewaltigungsopfer, "wie die Vergewaltiger reagieren werden. Ich denke, sie werden ihren Zorn über die erlittenen Schmerzen eher an der ohnehin schon vergewaltigten Frau auslassen, als sich kraftlos davonzuschleichen und man fragt sich, wie die Wiederbelebung des Mythos der Vagina Dentata dazu beitragen soll, Angriffe abzuwenden, die aus (Kastrations-)Angst und Frauenfeindlichkeit erwachsen."

In Anbetracht der erschreckend niedrigen Zahl an Verurteilungen wegen Vergewaltigung kann man sich außerdem vorstellen, wie viele der aufgesuchten Ärzte nach Entfernung der Stacheln tatsächlich auch die Polizei einschalten werden.

Sei vorbereitet. Immer.

Ein Schlauch mit Zähnen ist eine der vielen Möglichkeiten, die Verantwortlichkeit wieder einmal den Frauen zuzuschieben. Wieder einmal liegt es an den Frauen, sich zu schützen, sich zu wehren, sich jeden Morgen gut vorzubereiten, um ja nicht die falsche Kleidung oder zu provokantes MakeUp oder was auch immer zu tragen, weil... Ja, warum eigentlich? Weil Männer unkontrollierte Triebtäter sind? Und Frauen deshalb dazu verdammt sind, mit Helm und Schlauch und ständiger Vorsicht durchs Leben zu gehen, weil sich Naturgesetze wie diese eben nicht ändern lassen?

Keine Frau der Welt ist selbst schuld an einer Vergewaltigung. Egal was sie trägt, egal was sie nicht trägt, egal was sie tut. Und keine Frau der Welt sollte ihren Tag damit beginnen müssen, ihre Vagina zu einer Waffe umzugestalten. Es liegt in der Verantwortung jeder Gesellschaft und jedes Staates, die Täter zu konfrontieren. Mit den Tätern zu arbeiten, ihnen klarzumachen, welche Auswirkungen eine Vergewaltigung auf das Leben ihrer Opfer hat.

Oder, wie Lara Williams meint: "Wann werden wir endlich akzeptieren, dass das einzige Mittel zur Verhütung von Vergewaltigungen in der bewussten Entscheidungen eines jeden einzelnen besteht, nicht zu vergewaltigen?"