Erstellt am: 25. 5. 2010 - 19:09 Uhr
Sehr schlechte WM-Lieder
Text: Pascal Claude
Mister Olympic und die Bayern-Pop-Singer: "Deutschland vor noch ein Tor" (1974)
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Wenn sich eine Band Mister Olympic und die Bayern-Pop-Singers nennt, gilt grundsätzlich allerhöchste Alarmstufe. Posiert der Chef persönlich dann noch im "Mister Olympic"-Pullover auf dem Plattencover, schlägt die Stunde Null. "Deutschland vor … " ist die Spitze eines gigantischen, himmeltraurigen Eisbergs an deutschen Katastrophen-Produktionen, die seit 1974 alle vier Jahre Mensch und Tier in Angst und Schrecken versetzen. Verfassungsschutz – handeln Sie endlich!
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Ab sofort österreichweit im Zeitschriftenhandel!
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Tip & Tap singen: "Ein Fuß, ein Ball, ein Schuß, ein Tor" (1974)
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Im slowenischen Ljubljana bot ein Plattenhändler einst diese Single als jugoslawische Pressung an (auf Jugoton, wie das staatliche Label damals hieß), für sage und schreibe 40 Euro. Sicher: Dem Deutschen nicht Mächtige leiden bedeutend weniger, wenn sie sich nur von der Musik und nicht auch noch vom Text dieses Liedes martern lassen. Für diese Platte zu zahlen, ist trotzdem verboten. Es reicht schon, dass man für das Panini-Album von 1974 zehn verschiedene Sticker von Tip & Tap benötigte. Affig.
Chor österreichischer Sportreporter: "Grüß’ Euch, wir sind aus Öst’reich" (1978)
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"Her mit Euch aus Argentinien, Spanien, Schweden und Türkei, Ungarn, Deutschland und Brasilien, Malta und der Mongolei." Sie ist längst Legende, die erste Strophe von "Grüß’ Euch": Ein Chor von Sportreportern, die einer Hooligan-Firm gleich die Mongolei zum Kampf auffordern – so etwas gibt es in der Geschichte des Fußball- und WM-Liedes mit Sicherheit kein zweites Mal. Und wenn man nach Turnierende auch konstatieren musste, dass Finger, Huber und Seeger den Mund nicht zu voll genommen hatten: Die Platte ist reif für den Index.
Jerzy Dabrowski: "Tango Mundial" (1978)
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Immerhin hat sich Herr Dabrowski für einen Tango entschieden. Rod Stewart schickte seine Schotten seinerzeit mit einem Samba nach Argentinien ("Hauptsache Südamerika", war wohl sein Gedanke). Das bleibt aber auch das einzige Kränzchen, das man dem Polen für seinen WM-Beitrag flechten kann. Denn: Slawischer Synthesizer-Tango, das muss und darf nicht sein. Landsmann Waly Jagiellonski übrigens entpuppte sich acht Jahre später als Synthese von Dabrowski und Stewart: mit einem "Tango Mexico". Infernal.
Dana & the Northern Ireland 1982 World Cup Squad: "Yerman" (1982)
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Kaum je erfährt die sportliche Performance eine würdige musikalische Begleitung. So auch hier: Das nordirische Wunderteam um Opa Jennings und Youngster Whiteside brachte es weiter, als es der offizielle WM-Song hätte erahnen lassen. "Yerman" ist ein langweiliger Schlager mit durchschnittlich einfältigen Reimen ("Up for Spain, never mind the rain"). Das Schlimmste jedoch: der bei Fußballsongs berüchtigte, rhythmisch waghalsige Zwischenteil: "Eviii-va Northern Ireland". Arm.
England World Cup Squad 1986: "We’ve got the whole world at our feet" (1986)
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"There’s not a single team that we can’t beat", lautet die Fortsetzung des Songtitels. Wie Unrecht sie hatten, die guten Engländer. Einen leichten Anflug von Häme kann der geplagte Zuhörer nicht verleugnen, wenn eine Mannschaft stampfend, großspurig und doppeldeutig singt, die Welt liege ihr zu Füßen, und dann im Viertelfinale von einem kleinen Argentinier mit der Hand überlistet wird. Nie wurde England im offiziellen WM-Beitrag so dumm vertont wie 1986. Off you go!
Digitalia: "Coppa del Mondo" (1990)
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"Der zupackende, straighte Italo-Dancer könnte zum Renner der Fußballweltmeisterschaft im Juni 1990 werden", stand im Pressetext zu dieser deutsch-italienischen Co-Produktion. Von wegen. Um welch üble Sorte Trittbrettfahrerei es sich hier handelt, zeigt allein schon das Cover mit seiner durch und durch miesen Kopie des durch und durch hässlichen WM-Maskottchens "Ciao". 1990 gab es von New Order und Nannini/Bennato zwei ernst zu nehmende WM-Songs. Das hier aber: Erdölverschwendung.
Monika Kaelin & Nati-Spieler: "America" (1994)
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Nach Jahrzehnten des Darbens spielte die Schweiz 1994 in den USA endlich wieder einmal im Konzert der Großen mit. Besungen wurde dieses Glück dann aber auf eine Art, dass man sich schämen musste: Ex-Covergirl Monika Kaelin, Gattin der FC-Zürich-Legende Fritz Künzli, trällert sich an die Grenze des Verantwortbaren, und Arrangeur Wolfgang Dütting hat die Verse listigerweise so gelegt, dass es im Refrain "A-merika" heißen muss, mit Betonung auf dem ersten "A". A wie Abgrund.
Del Amitri: "Don’t come home too soon" (1998)
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Sie wollten mit ihrem Titel den Fluch des Vorrunden-Outs bannen, die Herren von Del Amitri, und erreichten doch nur das Gegenteil. Sänger Justin Currie erzählte später in einer Channel-4-Sendung, wie ihn ein älterer Schotte nach der WM in einem Pub in Glasgow ansprach: "Have you written that song?" "Yes, I have." "God bless you, son." Kein übles Stück Musik, nüchtern betrachtet, aber leider komplett am Ziel vorbeigeschossen. Traumatisch.
Stan Boardman: "Stan’s World Cup Song" (2006)
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"We’ll be meeting all the froilains over there, they’ve got lovely figures and blond hair. And we take them in the Alehouse, we’ll teach them how to speak Scouse, and they end up with their legs up in the air!" So freute sich der frivole Engländer Stan Boardman auf die WM in Deutschland. Seinen bizarren, von glucksendem Kichern begleiteten Text singt er zur Melodie des Gassenhauers "Von den blauen Bergen kommen wir". Total kaputt.