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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

26. 5. 2010 - 11:22

Wie böse ist David Guetta?

Monsieur Sexy Bitch und das Urban Art Forms Festival.

Das Urban Art Forms Festival, kurz UAF oder liebevoll Öabn genannt, steigt von 3. bis 6. Juni am Festivalgelände in Wiesen.

Wenn Metallica aufs FM4 Frequency Festival kommen, ist die Hölle los: jetzt hat endlich auch das Urban Art Forms Festival sein Metallica.

Einen vergleichsweise sehr teuren Hauptact, der viele Fans anziehen soll (oder ausziehen, oder wie man da sagt), höchstgradig polarisiert und ganz schön bekannt ist.

Kommerz und Prolomusik? Oder Garant für fette Party am wichtigsten Draußen-Festival für elektronische Musik in Österreich?

Mann bei Keyboard, lächelt freundlich.

davidguetta.com

David Guetta ist Baujahr 1967, kommt aus Paris, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit diesem Jahr hat er einen Grammy für den When Love Takes Over Remix zu Hause stehen.

Die Fans

Ich kann mich noch gut an meinen ersten Besuch beim FM4 Frequency Festival erinnern. Hunderte verschüchterte Bright Eyes Fans fürchten sich halb zu Tode, weil neben ihnen grimmige, langhaarige Typen in Metallica-Ganzkörpermontur stehen. Was so eine rüde und ungehobelte Band auf ihrem Festival zu suchen hätte, fragen sie einander verschreckt.

Das Problem ist nicht Guetta an sich, sondern eher das Publikum, das er mitbringt, sagt irgendwer auf der Facebook-Gruppe Wir sind gegen David Guetta am Urban Art Forms! sinngemäß. Soll heißen: Leidenschaftliche Fans, die jeden Drum'n'Bass DJ aus der zweiten Reihe und jeden Electro-Underground-Act kennen, die Szene verfolgen, fühlen sich durchs Booking gefrotzelt. Irgendwelche Leute, die zwar die Guetta-Hits aus den Charts kennen, denen alles andere aber egal ist, nehmen ihnen jetzt ihr Festival weg. Das macht schlechte Laune unter Fans.

Aber ehrlich gesagt: ich weiß nicht, ob ich mich vor David Guetta Fans oder vor David Guetta Hatern mehr fürchten soll. Auszug aus der Facebokgruppe gefällig?

es gibt so viele Spitzen DJ´s und dann holens den SPAST

der woame passt dort ned hin!

Ein gutes hat es das David pisskopf andackelt - die Spackos die auf seinen Sound stehen weils vielleicht nix anderes kennen kriegen mal richtig fette mucke von GUTEN Artist serviert und stellen fest: "hey - der kann ja eigentlich garnix der schwulietta" :)

Umgekehrt (was dem Facebook so alles einfällt...!) gibts natürlich auch eine Gruppe. Wir freuen uns auf David Guetta beim UAF! hat 28 Mitglieder, die zum Beispiel Davids Frisur spitze finden.

Der so genannte Kommerz

140.000 Euro kassiert David Guetta für einen Auftritt, berichtet Ö3. Mit Sexy Bitch (mit Akon) ist er seit mittlerweile 41 Wochen in den österreichischen Charts, war drei Wochen auf Platz 1. Memories war zuletzt monatelang in den Top 10. Für die Black Eyed Peas oder Nicole Scherzinger produziert er Songs - umgekehrt sind diverse Charts-Stars von diesseits und jenseits des Atlantiks auf seinen Songs zu hören. Seine Partyreihe im Pasha in Ibiza heißt Fuck Me, I'm Famous, kurzum: der 42jährige Pariser ist alles mögliche, nur kein tiefstapelnder Undergroundproduzent.

Andererseits krieg ich persönlich bei Argumenten wie das ist zu kommerzig immer irgendwie die Krise. Weil: wenn ich es mir aussuchen könnte, dann würden sehr viele Leute die Musik hören, die ich selber gut finde. Und ab und zu findet ja auch tatsächlich sehr supere Musik den Weg in Charts und die Herzen möglichst vieler Menschen. Insofern ist Massen-Appeal und Pop (beziehungsweise der so genannte Kommerz) nicht zwangsläufig das Gegenteil von künstlerischem Anspruch. Daher auch ein recht untaugliches Kriterium, um Musik zu beschreiben. Oft genug verbirgt sich dahinter einfach nur recht schlecht versteckter Neid von Leuten, die weniger kommerziellen Erfolg haben.

Die Musik

"Uninteressant", tönt es aus der FM4-Musikredaktion. "Das ist so ganz ein anderes Universum, das ich lang komplett ausgeblendet habe", sagt auch Functionist, der gemeinsam mit FM4 Unlimited Partner Beware ebenfalls beim Urban Art Forms Festival auflegen wird. Allerdings: "Bei den DJs, die oft als Kommerz bezeichnet werden, bin ich dann immer überrascht, wieviel harte Arbeit dahintersteckt. Insofern ist die Gage dann auch eine Art Schmerzensgeld für den Zirkus, den sie so mitmachen."

Ich selber bin bei David Guetta recht zwiegespalten. Gegen Sexy Bitch lässt sich bei aller Cheesiness auch nach tausend Mal hören nix sagen. Das Teil funktioniert und fährt einfach, wurscht ob es aus dem Gaga-Radio kommt oder aus den Boxen im Club. Da gibts an der Pop-House-Front bei weitem sehr viel sehr Fadgasigers.

Andererseits nerven Songs wie When Loves Take Over gewaltig. Als würde das Finale eines blöden und biederen Kitschfilms in einer Disco spielen, wie sie sich Regisseure von blöden und biederen Kitschfilmen so vorstellen. So schal und leer, so unnachvollziehbar und belanglos, dass ich nicht einmal nach Ausschalten meiner allerletzten Gehirnzelle auf die Idee kommen würde, dazu eine Tanzfläche zu stürmen oder nicht schleunigst einen anderen Radiosender einzustellen.

Was mich allerdings freut: endlich kommt ein Musikproduzent für seine Skills ins Rampenlicht. Die Diskrepanz zwischen der Person, die im Video tanzt und das Lied singt (die wird extrem berühmt und kommt dann in Promi-Magazinen vor), und der Person, die für das alles verantwortlich ist (kennt im Normalfall kaum wer), gehört gebrochen. Insofern reiht sich Monsieur Guetta da in eine Reihe mit N.E.R.D. oder Timbaland, die es ja trotz diverser Gastvokalisten auch zu Superstarruhm gebracht haben. Und das ist für die vielen tausend Musikproduzentinnen und Produzenten, die entweder im Hintergrund werkeln oder aber für eine größere Masse komplett untergehen (weil ja keiner singt) doch recht erfreulich.

Der DJ

Was aber alles natürlich vollkommen wurscht ist, weil David Guetta beim Urban Art Forms ja nicht als Produzent und Songschreiber vorbeischneit, sondern als DJ. Das hab jetzt gerade nicht nur ich um ein Haar vergessen, sondern auch all die Lovers und Haters bedenken das wahrscheinlich nur in zweiter Instanz.

Und wie David Guetta so auflegt, ist wahrscheinlich die große Frage des UAF Festivals. Erfahrungswert hab ich da keinen, weil ich weder auf der Party in Schladming (im Winter) noch bei diesem Clubbing im Wiener Palais Eschenbach (vor vielen Jahren) war. Die Internetvideos sind da leider nur halb aufschlussreich. Housige Interpretationen von mehr oder weniger soulful R'n'B-Tracks, dazu sehr viel Standardclubfutter Marke Underworld oder Run DMC und genaue Kenntnis der Sample- und Effektknöpfe an den CD-Playern. Kann bei der richtigen Stimmung und den richtigen Leuten gut gehen - kann aber auch austauschbar oder fad werden.

Und von wegen Stimmung: für alle David Guetta Verweigerer fällt der Campingplatz als Alternative schon mal aus. Fette Soundsystems sind nämlich auch dieses Mal beim Urban Art Forms Festival nicht erwünscht. Dafür sollte es auf den anderen Bühnen durchaus das eine oder andere Ersatzprogramm geben. Alle Infos und das genaue Lineup gibts hier.