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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

23. 5. 2010 - 20:43

Geflickte Herzen, verschwundene Naturelemente

Der Frühling bringt neue Musik österreichischer Songwriter- und Sängerinnen. Marilies Jagsch und Violetta Parisini veröffentlichen neue und erste Alben.

Die österreichische Sängerin und Songwriterin Violetta Parisini.

violettaparisini.com

Für jemanden wie mich, der mit elektronischer Musik sozialisiert wurde, sind Songtexte immer noch eine ungewöhnliche Angelegenheit. Sie sind ebenso interessant wie mysteriös, inhaltlich nehme ich sie beim ersten Hören zunächst gar nicht wahr. Musik ist für mich zuallererst ein Bauchgefühl und funktioniert durch ein Zusammenspiel von Klängen und dadurch geschaffene Stimmungen und Emotionen. Ich habe auf der Gefühlsebene nie so richtig verstanden, warum man sich Songtexte auf Schultaschen, in Tagebücher oder auf HTML-Seiten schreibt, wo die Stimme, der Gesang, doch in erster Linie ein extrem vielseitiges und mächtiges Instrument ist.

Ich dachte immer, diese persönliche Gefühligkeit sei mein eigener kleiner Spleen - zumindest bei Artists, die alles andere als oberflächliche Musik machen. Doch Marilies Jagsch beruhigt: "Ich weiß, dass es oft so ist, dass manchen nur die Melodien gefallen." Schlimm sei das aber nicht. Dieser Zugang zur eigenen Musik ist oft sogar schmeichelhafter als wenn manche Menschen poetische und mit Metaphern geschmückte Songtexte eins zu eins übernehmen und dann ins Interpretationsfieber geraten. "Ich bin manchmal verwundert, wie wörtlich die Texte genommen werden.", so Jagsch im FM4 Soundpark-Interview.

Melancholie und Aufbruch

"From Ice To Water To Nothing" von Marilies Jagsch erscheint am 28. Mai bei Asinella Records.

Das Spiel mit kryptischen Texten und einer mysteriösen Aura ist aber auch etwas, dass von der KünstlerInnenseite gerne ein bisschen angestachelt wird. Marilies Jagsch treibt das zwar nicht aktiv voran, hat aber ebenso wenig Lust auf allzu viel Klarheit. Ihre intimen, melancholisch-verträumten Lieder behandeln auch auf ihrem zweiten Album "From Ice To Water To Nothing" Themen wie Unveränderlichkeit, Unvollkommenheit, Vergänglichkeit sowie Schwächen und Schicksale des Alltags.

Die österreichische Sängerin und Songwriterin Marilies Jagsch mit Band.

Asinella Records

Weil das Album vom Komponisten, Elektroniker und Gitarren-Experten Martin Siewert produziert wurde, werden die Stücke nun aber stellenweise auch mal lauter und brechen die fragile Atmosphäre angenehm auf. Marilies Jagsch ist mittlerweile ein fixer Bestandteil der jungen österreichischen Songwriter-Szene. Die Legende besagt, dass dieser Freundeskreis sie ermutigt hat, doch endlich ihre eigene Musik zu veröffentlichen. Allerdings, so die Künstlerin, hat bei dieser Entscheidung nicht nur Schüchternheit mitgespielt - irgendwann war es einfach Zeit, die Rolle des passiven Nesthäkchens endgültig abzulegen.

Glitzernder Pop mit Indie-Credibility

"Giving You My Heart To Mend" von Violetta Parisini erscheint am 28. Mai bei Universal.

Eine komplett andere musikalische Ausrichtung hat jene Frau, die manche noch vom Gewinnersong des Protestsongcontest 2007 kennen könnten. Violetta Parisini hat damals die Gesangsteile zum Stück "Nicht meine Revolution" von Mieze Medusa und Tenderboy beigesteuert und legt in diesen Tagen ihr Debütalbum "Giving You My Heart To Mend" vor. Das ist so lebensfroh und frühsommerlich geworden, dass auch der viele Regen dagegen nichts anhaben kann. Die lebendige Ausstrahlung von Violetta Parisini beim FM4-Interview passt perfekt zu ihren Songs: Schimmernder Pop und schmachtender Soul glänzen von ihrem Debüt - und doch sei ihr der Pop "passiert" wie sie im Interview erzählt.

Die österreichische Sängerin und Songwriterin Violetta Parisini.

violettaparisini.com

Die FM4 Soundpark-Sendung, jede Woche in der Nacht von Sonntag auf Montag, von 1 bis 6 Uhr. Das genaue Programm gibt es hier.

Ab Montag Mittag gibt es die Sendung als Stream zum Nachhören.

Ähnlich wie bei Bunny Lake sei durch das gemeinsame Ideen austauschen und Arrangieren mit dem Produzenten Florian Cojocaru ein lebensbejahender, eingängiger Sound entstanden, der fast im Kontrast zu den eigenen musikalischen Ursprüngen - im konkreten Fall Radiohead, Jeff Buckley, Portishead und Techno - steht. Und doch ist letztlich alles stimmig geworden, "wahrhaftig", wie es Violetta nennt. Was das für sie bedeutet und wie man Kitsch und Pop definieren kann - diese und mehr Gesprächsthemen kann man heute ab 1 Uhr Nacht im FM4 Soundpark hören, ebenso wie natürlich einen Querschnitt der Musikstücke der beiden Songwriterinnen.