Erstellt am: 23. 5. 2010 - 19:42 Uhr
Could I be more excited?
Weitere Fotos vom Linzfest findest du hier
Zugegeben: Diese Woche war heftig. Am Montag noch freudig zitternd, ob mich die Aschewolke in England festhalten wird, am Dienstag wissen, dass dies nicht passieren wird, in good old Interrail-Erinnerungen schwelgen, dann autistisch, ähm, automatisch am Arbeitsplatz durchhalten bis zu einem Großereignis, nämlich dem des Pavements-Konzertes und dann ins Glücks-Koma fallen bis heute: dem Tag, an dem es ein Wiedersehen gibt mit der überaus sympathischen und großartigen Broken Social Scene.
Eine Band, definitiv größer als meine Augenränder und besser als meine Vorstellungskraft von "perfekt". You get the picture.
Nein? Macht nichts. Ich bin jetzt hier:
linzfest
Und ja, auch Broken Social Scene wären gerne eine Nacht früher nach Linz gereist, um AC/DC zu sehen. Aber dazu später. Hier sind wir also an der Donau, bei dem, was die WettereinsagerInnen gerne "wechselhaft", aber eigentlich lieber auch "unvorhersehbar" nennen würden. Wenn sie könnten. Ich kann. Also: Wetter ist gewürfelt, also unvorhersehbar. Eine Runde Buch aufschlagen und am Fluss sitzen, bis es losgeht mit dem versprochenem kurzem Regenschauer zur Abkühlung, aber dann wieder Kopfbedeckung runter und dem ersten Act des feierlichen Abends zuhören: Lonely Drifter Karen.
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"It drifts into your dreams and hangs about there!" schreibt die BBC über die Musik von Lonely Drifter Karen, alles klar und vor allem JA! Mit ihrem zweiten Album "Fall Of Spring" geht die Band von Tanja Frinta den Weg der Pop-Leichtigkeit weiter, nein tiefer. Musik, die man sich gerne und oft alleine anhört, denn dieser glasklare Gesang ist nichts für Hintergrund-Beschallungen. Hier wird Aufmerksamkeit gefordert, kurzes Stehenbleiben und Innehalten und Genießen. Es ist der sanfte Start in einen langen Abend hier in Linz. Lonely Drifter Karen ist keine Grüne Ampel-Erfahrung auf der Singer/Songwriter-Kreuzung. Dafür ist das Zusammenspiel aus Keyboards, Schlagzeug und Gitarre zu vielschichtig, will mehr als nur textliche Emotion übermitteln.
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Schönster Moment ist, als sich die Bandmitglieder um Tanja Frinta´s Gitarre versammeln und das Instrument als perkussiven Klangkörper verwenden, eine schöne Einheit, ein Cover wird eingestreut und zwar kein leichtes: Kraftwerk´s "Model" dargeboten. Ein ruhiger, beschaulicher Anfang einer Band, die einen samtenen Teppich verdient hat. Einen, der sie gut wieder in ihre Heimat bringt: wo diese ist? In deinem Gehörgang natürlich.
Weitergeht´s mit Frittenbude und ihrem wohl jüngsten Fan.
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Die Hände in die Höhe, wir machen uns startklar für Beats und nochmal Beats. Ich muss schnell auf einen Baum klettern und ein bisschen "Forgiveness Rock Record" auswendig lernen. Nina Hofer übernimmt hier gleich die Worte zu folgendem Bild: Frittenbude:
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"Acid, Acid, Acid" kam´s da laut von der Bühne und Hildegard öffnete die happy hour der Frittenbude. Mit Weingläsern die Bühne betretend, völlig relaxed, obwohl mit einiger Verspätung und fast keinem Soundcheck. Die Angst, Frittenbude funktioniere nur in vernebelten, verrauchten Spelunken hat sich schnell verflogen. Bumm und Bumm funktionieren auch neben der Donau im Freien. Endlich waren die Besten in der ersten Reihe: Vor mir stand eine Horde sehr kleiner Menschen, garantiert noch nicht schulpflichtig. Jung, glücklich, aber noch nicht kaputt. Was nicht ist, das kann noch werden, weil früh übt sich wer ein Pandabär werden will! Während sich die Kurzen gut und das Publikum bestens amüsierten, war anscheinend ganz hinten an der Promenade Raveland ohne Bewegung, wie Streuner lächelnd bemerkte.
Zu Hören gab es bekannte Remixkracherklassiker, sowie viel Neues vom sehr gelungenem Katzengold, wer das noch nicht hat, sofort zulegen! Zum Schluss ist dann aus dem Trio plötzlich ein munteres Quartett geworden und der charmant wirkende junge Mann mit Sonnenbrillen und kariertem Hemd ist wohl weder den Securities aufgefallen, noch scheint er die Musiker irritiert zu haben. Über Fusionsgerüchte wird gemunkelt, als Tänzer könnte man ihn jedenfalls einstellen.
Und gleich geht es weiter mit den Textgedanken zu Bonaparte, davor aber noch -> check this out:
andreas kepplinger
Passend im Anschluss an Frittenbude und die untergehende Sonne ein bunter Reigen unter strenger schweizerischer Kandarre: Bonaparte.
andreas kepplinger
Zirkuspunk, der an den Linzer Geschmacksnerven gekratzt hat, aber auch das nichtkindergeburtstagsaffine Publikum sympathisch beeindruckt hat. Die Tänzerinnen waren im Dauereinsatz: bis zum totalen Blutverlust im wechselnden Kostüm. Zum besten gegeben wurden unter anderem verliebte Computer, Anti Anti´s und too much pills. Laut Frittenbude heißt der Track allerdings too much matsch. Die drei Männer waren übrigens in der ersten Reihe mit beim Kinderspielplatz selbst gemalten Bonaparte Shirts zu sehen. Wunderbar!
andreas kepplinger
Broken Social Scene.
Wunderbar auch, als es endlich später geworden ist. Dunkel und später. Broken Social Scene-Zeit also. Headliner. Als Opener musste "World Sick" herhalten, ist es doch auch der Eröffnungstrack auf dem neuen "Forgiveness Rock Record". Eine Nummer, die wie viele Broken Social Scene-Tracks durch Sehnsucht entstandene Entschlossenheit als Stärkungsmittel anbietet.
andreas kepplinger
Das über Paris und Heidelberg angereiste Broken Social Scene-Komittee hat Produzenten, Freund und Tortoise bzw. Sea & Cake Musiker John McEntire mit in den Nightliner gepackt, schließlich geht es Richtung Primavera Festival und das liegt für Mr. McEntire auf dem günstigen Reiserouten Weg. An den Percussions im lichtlosen linken Eck neben einem Verstärkerturm geparkt, ist das neue Broken Social Scene Mitglied eine vielleicht unsichtbare aber nicht unüberhörbare Stütze. Und noch eines muss man über die Band wissen - die Gesichter mögen altern oder nach geographischen und persönlichen Möglichkeiten wechseln, aber ein Broken Social Scene Konzert, dieses liebgewonnene Ereignis bei dem Sound in Bewegung verschmilzt, ist nur so gut, wie ihr Publikum. "What´s that road doing here?" fragt Kevin Drew also zu Recht, als er den Notweg/Graben zwischen Bühne und BesucherInnenmauer sieht.
andreas kepplinger
Wayne Coyne bietet eine Show, bei der das Publikum automatisch an seinen Lippen und vielen Kostümen klebt, s´Augerl weiss gar nicht wohin zuerst schauen. Einer wie Jason Pierce von Spiritualized braucht auf der Bühne kein Wort zu verlieren, die Kombination aus Licht und Verzerrung macht aus einer Spaceman-Show einfach mal so eine Sensation. Broken Social Scene hingegen, diese rockistische Herzband verursacht zwar mit ihren orgiastischen Songs ähnlichen Bombast, nährt sich aber zusätzlich aus den Funken, die das Publikum entgegenschleudert. Germteig-Philosophie auf Masse angewendet: Sound wird zu Bewegung. Kollektiv auf der Bühne spielt mit Kollektiv vor der Bühne.
Lässt dass der Grabenabstand nicht zu, besinnen sich Broken Social Scene der eigenen Blockparty untereinander.
ondrusova
Broken Social Scene presents Broken Social Scene: "We´re going to continue playing songs for you!" meint Kevin Drew nach den ersten Minuten Hitprogramm, das sich von "Stars And Sons" aus "You Forgot It In People" über "Texico Bitches" vom neuen Album zu Klassikern wie "7/4 Shoreline" und "Fired Out Boy" erstreckt. Letzterer bekommt sogar ein weichgezeichnetes Saxophon-Solo verpasst. I have no fear! "Forced To Love" wird leise Sandra Bullock gewidmet, bei "Water In Hell" einer "smells like Neil Young"-Nummer sind die Broken Social Scene Musiker wie Soldaten in einer Reihe aufgestellt um gemeinsam gegen die anzusingen, die wiederum aus anderen Soldaten machen. "These aint the kind of men that I wanna defend - it´s the year of 2010!" Die instrumentale Einigkeit und Spielfreude wird bei den beiden schwesterlichen Schlussnummern "KC Accidental" und "Meet Me In The Basement" von "Forgiveness Rock Record" nochmal perfekt dargeboten. Zehnköpfig, der Roadie hilft an der Gitarre aus, damit Charles Spearin zur Trompete greifen kann.
Leg kickin, feet stomping, hips hipping, jaws droppin.
ondrusova
Broken Social Scene spielen am 22.Juni im Wiener Flex, am 4.Juli sind sie in der Poolbar in Feldkirch zu Gast. Sagt Hallo!
Wer hätte allerdings gedacht, dass beim ersten Open Air-Broken Social Scene Konzert seit drei Jahren die ruhigen vom Bombast entladenen Momente jene sein werden, die am meisten Energie geben. "Sweetest Kill" zum Beispiel, "All In All" oder "Ungrateful Little Father". Stopp! Das sind ja alles Songs vom neuen Album, meine dumme Nachmittagsfrage wie sich "Ibi Dreams Of Pavement" neben "Chase Scene" einreihen soll, hat sich also erübrigt, beide Songs hatten im Set keinen Platz. Nach Major Leagues, äh pardon, Major Label Debüt war dann erstmal Schluss mit dem Konzert an der Donau. "I´m just coming here to come down!" Ja, ich auch. Zum entladen, zum aufladen. Dafür sind Gigs da, dafür brauchen wir "people".
andreas kepplinger