Erstellt am: 21. 5. 2010 - 21:33 Uhr
Fußball-Journal '10-20.
Beschönigende Worte zu einem in jeder Hinsicht entlarvend miserablen Spiel.
Und - als Gegenmodell - ein mutiger Kommentar auf laola1.
Wer sich auf seinen Instinkt verlässt, wer auf das sogenannte Reptilienhirn vertraut, hat grundsätzlich meinen Respekt.
Weil fühlen mindestens genauso viel kann wie denken.
Allerdings nur dann, wenn Anderes, was es in einer zivilisatorischen Stufe wie der Unseren halt noch braucht, dazukommt - dann sind diese Urtriebe ein perfekter Berater.
Wie man mit dieser Getriebenheit offensiv umgeht, zeigen seit einigen Jahren die politischen Populisten vor, die just die Themen, die im primitiven Binär-Code unserer Ja/Nein-Angriff/Flucht-Ursprungs-Prägung sofort einfahren, aufgreifen und instrumentalisieren.
Für eigene Zwecke, eigene Ziele.
Jörg Haider etwa war da ein wahrer Meister.
Dietmar Constantini ist kein Haider.
Er ist nicht einmal ein Strache.
Nicht nur wegen Sprache, Umgang und Pose - auch, weil ihm Zweck und Ziel fehlen; denn das eigene Fortkommen taugt für eine solche Methodik nur bedingt.
Für erfolgreichen Populismus
ist es nämlich zuwenig, sich die Stimmung zu erschnuppern und dann alles nach ihr auszurichten. Dazu benötigt man strategische Ziele; und dafür bedarf es einer Philosophie des Kampfes. Und eines taktischen Offiziers - was ein Mölzer dem Haider war oder ein Kickl dem Strache ist.
Constantini hat nicht nur niemanden dafür (oder soll ich hier seinen Stab aufzählen?), er weiß nicht einmal, dass er so jemanden brauchen würde, weil er sich auch in den Bereichen, wo er (als Manager des ÖFB-Teams) strategisch vorgehen müsste, bloß das Reptilienhirn einsetzt.
Constantini ist Opfer eines Missverständnisses: dass nämlich Populismus nur ein lässiges Dahin-Improvisieren sei.
Der Teamchef hat nicht kapiert, dass gerade das scheinbar Hingeschmissene mit hoher Überlegung gesetzt ist - wie ein Zug im Schachspiel.
Es ist kein Problem, heute das Gegenteil dessen zu behaupten, was man gestern ebenso treuherzig in die Kameras gesprochen hat - wenn dieses Hakenschlagen eine Taktik verfolgt und System hat.
Was wir seit Anbeginn der Ära Constantini mitansehen, ist aber nur die Kindergarten-Interpretation dessen, was auf politischer Bühne abgeht - und dementsprechend daneben.
Nur eine kulturell extrem rückständige
Fußball-Kultur wie die österreichische ist imstande, einen solchen Unfug derart lange ohne große Widerrede zu dulden - ein ungebildetes Publikum, eine inferiore Medienlandschaft und eine völlig versumpfte Lobby-Zweckgemeinschaft derer, die von diesem Blödhalten immer noch recht gut leben können (auch wenn die Proponenten außerhalb unserer Grenzen schlichtweg unvermittelbar sind) tragen die Schuld daran.
Dabei hat Constantini den Bogen jetzt deutlich überspannt.
Und er weiß es selber.
Und er zeigt es auch, wohl weil er sich auch hier schlicht auf seine Reflexe verlässt.
Das geht sich aber nach einer gewissen Zeit nicht mehr aus - das Publikum beginnt die zunehmende Verwirrung, das kontur- und strukturlose Vorgehen zu spüren (es hat ja auch ein Reptilienhirn... ) und begegnet dem Planlosen mit zunehmendem Misstrauen.
Das wiederum spürt Constantini und reagiert darauf, wieder gedankenlos, wieder falsch: Er rudert um sein Leben, ist unsicherer und ratloser denn je und überspielt das nicht mehr mit Gegenangriffen, Schilehrer-Schmähs oder galliger Laune, sondern macht den Eindruck eines angeschlagenen Boxers, der in seiner Ecke hängt; mit hoffnungslosem Punkte-Rückstand, blauem Auge und der schieren Angst, in der nächsten Runde brutal auf die Bretter geschickt zu werden.
Ich verstehe, warum das so ist, klar.
Nur: das nach außen abzustrahlen, ist das Ende jedes Populisten.
So widerspricht sich der Mann,
der zuletzt (um Ivanschitz zu demütigen) die deutsche Bundesliga schwachgeredet hat (ein Brüller, vor allem in Deutschland sorgte das für eine noch schlechtere Reputation der ohnehin schon belächelten österreichischen Fußball-Lehrer) und dafür die Qualität der heimischen Liga in den schönsten Farben gemalt hatte, zum wiederholten Male. Und stellt jetzt im Gegenzug die österreichische Bundesliga, ganz Schwarz-Weiß-Maler, in Frage.
Ein DiCo-Klassiker: abwechselnd entweder die Legionäre und die (viel besseren) Ligen, in denen sie spielen und dann wieder die Ö-Bundesliga anludeln wie der freche Huck Finn. Wie's grad passt.
Plötzlich ist das, was vor Wochenfrist noch pfuigack war, nämlich zeitgerecht ins Ausland gehen, wieder lässig, sogar im offiziellen ÖFB-Interview.
Schuld sind also in wirrem Zickzack-Kurs immer die, bei denen der Teamchef öffentliche Unterstützung wittert.
Eine dumme Strategie: der Sündenbock sollte schon immer derselbe sein; zudem sollte das durch eine Philosophie dahinter unterfüttert sein (so machen's die Polit-Populisten, so geht's).
Komischerweise immer unschuldig, an allem: der Teamchef selber, der ÖFB-Trainerstab. Die putzen sich mit dem "Ja mei, wos soll ma machn, mit dem Material?"-Schmäh ab.
Das ist einerseits billig,
andererseits nur bedingt richtig. Andere schaffen mit vergleichbarem Material wesentlich mehr, wieder andere, die schon länger und planstabsmäßig vorgehen (die Schweiz etwa) sind Dauergäste in großen Turnieren (und nicht nur Katzentisch-Geduldete bei Eigenveranstaltungen).
Man müsste sich halt zur Arbeit auf internationalem Niveau überwinden oder zumindest den Fleiß eines Slaven Bilic, der sich selbst für ein Testspiel die letzten vier Spiele des Gegners in die Analyse-Werkstätte nahm, an den Tag legen.
Ich wette, dass weder Constantini noch Zsak noch Peischl auch nur die letzten vier Länderspielgegner Kroatiens überhaupt wissen, geschweige denn die Spiele angesehen haben - von einer echten Analyse gar nicht zu reden. Was ein Manfred Zsak unter diesem Begriff (miss)versteht, müssen TV-Zuschauer immer wieder grausam über sich ergehen lassen.
Die Schere zur Europa-Klasse klafft offen wie der Eyjafjallajökull.
Und genau diese Europa-Klasse ist Gegner in der nächsten Qualifikations-Campaign, neben Weltmacht Deutschland wird das etwa die Türkei sein, die etwa in der Stärke von Kroatien einzuordnen ist (ihr Coach Guus Hiddink steht sicher noch über Bilic und er weiß jetzt schon mehr über Österreich, als die ÖFBler über die Türken vor dem Anpfiff der ersten Begegnung) und gegen die Constantini im letzten Spiel des letzten Jahren zumindest genauso hilf- und chancenlos ausgesehen hat. Entwicklung in der Zwischenzeit: null.
Mittlerweile klagt sogar der Medien-Mainstream
einen Plan B ein (woher ist mir dieser Begriff nur so geläufig??), und ganz Mutige (die natürlich nur im Netz unterwegs sind) wagen es, etwas zu fordern, was anderswo Grundbedingung für den Job ist: eine Strategie.
Wohl wissend, dass diese Administration keine hat; ebensowenig wie einen Plan B. Und der hektisch aus dem Ärmel gezogene Plan A, das mit dem "Konter-Team", klappt nicht einmal ansatzweise so wie das die Euro-Truppe damals, ebenso erfolglos, aber zumindest optisch frischer, gebracht hatte.
Da auch das Durchschnittsalter der Teams 08 und 10 mittlerweile identisch ist, fällt der "Jugend"-Schmäh auch noch in sich zusammen - und es bleibt: Nichts.
Dieses Coaching-Team hat keinen Plan, keine Idee und ist nun auch in jeder Hinsicht hinter die Vorlage zurückgefallen: nix mehr mit frischem Angriffsmut, nix mehr mit Jugend-Schmäh, nix mehr mit der Überlegenheit der Talente aus der Liga.
Er bringt in einer Phase, in der die halbe WM-Teilnehmer-Schar in Österreich trainiert, kein einziges Test-Spiel zusammen.
Mit diesem blanken Nichts ist die EM-Qualifiaktion nicht zu machen.
Wäre Constantini ein Nachdenker und nicht bloß ein Reflex-Handler, dann würde er die WM als mediales Schutzschild benutzen und Ende Juni zurücktreten. Er befindet sich in einer ausweglosen Lose-Lose-Position - keine Möglichkeit zu bestehen, keine Chance auf Entwicklung; seine (geringen) Möglichkeiten sind erschöpft.
Das ÖFB-Team braucht jetzt
einen Streber der Marke Ralf Rangnick, einen akribischen Analytiker und Aufbauer, einen Mann, der aus geringen Möglichkeiten, überschaubarem Personal und medialem Gegenwind etwas macht, allein aufgrund der simplen Tatsache, dass er einen Plan hat, was von Taktik versteht und das auch vermitteln kann.
Das geht ja, ein Harnik und ein Fuchs spielen in Deutschland schließlich auch besser, weil sie dort mehr mit auf den Weg bekommen. Und auch Ümit Korkmaz kann erzählen, warum das so ist.
Es wird also ein Ausländer sein müssen, jemand mit einem Blick aufs Wesentliche, ganz ohne alte Zöpfe und diverse Rücksichtl.
Wer jetzt noch auf heimische Grüßauguste und Frühstücksdirektoren setzt, wird in den Zehner-Jahren nichts zu melden haben.