Erstellt am: 22. 5. 2010 - 11:23 Uhr
Survival Horror für Serienjunkies
Eigentlich hätte ich nicht gedacht, dass mich nach Heavy Rain heuer noch ein Videospiel so bewegen würde, wenn es um dessen Charaktere geht. Andererseits: Als alter Stephen-King-Fan darf es mich nicht wundern. Alan Wake finde ich gut, nicht nur, weil es seinen gleichnamigen Protagonisten, einen Romanautor mit Schreibblockade, gleich zu Beginn ein Zitat von Stephen King wiedergeben lässt. King wiederum mag ich, weil er nicht nur Horror-Autor ist, sondern auch Schöpfer eines der großartigsten Bücher über das Dasein als Schriftsteller, On Writing ("Das Leben Und Das Schreiben"). Wo war ich - ach ja, Alan Wake ist gut. Auch, weil es das Genre des Survival Horror Games um neue Ideen bereichert. Und vor allem aufgrund einer gekonnten Vermischung der Formen Videospiel, Literatur und Fernsehserie. Aber eins nach dem anderen.
Microsoft
Das King-Zitat: "Nightmares exist outside of logic. There is little fun to be had in explanations, they are antithetical to the poetry of fear. In a horror story, the victim keeps asking why. But there can be no explanation, and there shouldn't be one. The unanswered mystery is what stays with us the longest."
Remedy erschafft ein mysteriöses Setting, das entfernt an David Lynchs "Twin Peaks" erinnert. Das Mysterium besteht nicht nur im Verschwinden eines Menschen und eines Gebäudes, sondern - unerklärlich für den Protagonisten Alan Wake - im Wahrwerden der Ideen seines noch ungeschriebenen Romans. Tagsüber scheint alles normal zu sein im kleinen Städtchen Bright Falls, doch in der Nacht verwandelt sich die idyllische Berglandschaft in eine vom Nebel des Grauens erfüllte Geisterbahn. Dass die Antworten auf das Mysterium am Ende weniger befriedigend ausfallen als die aufgeworfenen Fragen, liegt in der Natur der Sache. Aber, ach ja, eines nach dem anderen.
Microsoft
Die neuen Ideen: Alan Wakes wichtigste Waffe ist die Taschenlampe. Geschossen wird im Spiel, gemessen an anderen Vetretern des Survival Horror Genres, wenig. Vielmehr liegt der Fokus im Erkunden der wunderschön gestalteten Wälder, Berglandschaften und Gebäude. Remedy hat mit vielen Details eine Spielwelt erschaffen, die lebendig anmutet und in der Erkunden auch heißen kann: Nimm dir eine Minute Zeit, um neben einem Radio- oder Fernsehgerät stehenzubleiben. Die Talkshow könnte wichtige Hinweise liefern, die Fernsehsendung ist vielleicht eine humorvolle Referenz auf die TV-Serie "X-Files". Dasselbe gilt auch für die computergesteuerten Charaktere in Bright Falls: Wer dem Geplauder des biederen Landarztes oder der schrulligen Dame in der Bar nicht zuhören will, braucht es nicht zu tun, versäumt dann aber möglicherweise Dinge, die das komplexe Geflecht der kleinstädtischen Gesellschaft tiefer offenbaren.
Auf der Suche nach seiner verschwundenen Frau findet Alan Wake Seiten des Manuskripts zu seinem nächsten Buch, kann sich jedoch nicht erinnern, sie je geschrieben zu haben. Ob man diese Kapitel liest oder nicht, ist dem Spieler überlassen - doch auch hier gilt: Je mehr man sich auf das Spiel einlässt, desto deutlicher offenbart sich seine Tiefe.
Microsoft
Alan Wake präsentiert sich in Episodenform. Sechs Folgen der "Serie" sind auf der DVD (für Xbox 360) enthalten, jede davon ist in etwa zwei Stunden durchgespielt. Nach dem Absolvieren einer Episode gibt es stilgerecht einen Abspann mit Musik - großartiger Soundtrack mit Songs u.a. von Harry Nilsson, Nick Cave And The Bad Seeds oder Among The Oak & Ash. Nach dem Abspann kann das nächste Kapitel gespielt werden. Dass zusätzliche Episoden später als Download-Content angeboten werden, kann als sicher gelten.
Remedy ist es gelungen, einen Hybrid aus den Formaten Roman, Fernsehserie und Videospiel zu gestalten - gruselig, spannend und mit einem Schuss Selbstironie.