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19. 5. 2010 - 17:05

Augustin und Stimmgewitter

Die Musikgruppe der Straßenzeitung Augustin veröffentlicht ihre zweite CD.

Seit 1995 existiert die Wiener Straßenzeitung Augustin, hervorgegangen ist sie aus dem 1991 gegründeten Zeitungsprojekt Uhudla. Der Augustin ist somit die älteste "Straßenzeitung" Österreichs. Verkauft wird sie von Menschen, für die sie die einzige oder eine von wenigen Einnahmequellen ist - Menschen, die vom normalen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind.

Der Straßenverkäufer Herbert war vom Anfang an dabei: "Es war nicht einfach. Ich bin ein wenig schüchtern gegenüber anderen Leuten. Am Anfang waren wir sehr wenige und konnten uns die Plätze aussuchen. Es war schwer, die Menschen anzusprechen. An ein frühes Erlebnis kann ich mich erinnern: Ich bin in der Karlsplatz-Passage gestanden, auf einmal kommt der Robert Hochner vorbei und kauft mir eine Zeitung ab. Aber wie ich ihn später wieder einmal gesehen habe, nicht. Es war recht hart für mich, bis das mit dem Verkaufen ins Laufen gekommen ist." Heute, erzählt Herbert, habe er eine "Stammkundschaft", die er regelmäßig mit dem Augustin beliefert.

Augustin

Augustin

Für den Straßenverkäufer bedeutet das Projekt aber mehr als nur finanzielle Hilfe: "Es ist ein Halt. Ich sehe Leute, die herausgefallen sind aus dem Sozialsystem oder aus Beziehungen, und hier lernen sie wieder, mitzutun. Kreativ, positiv und konstruktiv. Das ist Augustin und das möge wachsen und gedeihen." Ein Grund, warum der Augustin-Verkäufer auch Mitglied von "Stimmgewitter" ist, dem Chor des Sozialprojekts. "Gesungen habe ich schon immer gern." Mit dem Chor hat er sogar schon einige Auftritte in Süddeutschland absolviert, demnächst spielt er auch in Hamburg und Berlin.

Stimmgewitter

Augustin

Stimmgewitter Augustin & Seven Sioux: "Schmankerl der Schöpfung" (2010)

Das Sozialprojekt Augustin ist in den 15 Jahren seiner Existenz stetig gewachsen. Mittlerweile betreibt der Verein auch eine Radiosendung (auf Orange), eine Fernsehsendung (auf Okto), ein Tischtennis-Team oder den Gesangsverein "Stimmgewitter" - all das, obwohl der Verein nur drei Angestellte hat. Die redaktionelle Beiträge stammen vor allem von 70 freien MitarbeiterInnen. Die Redaktion hat sich in den letzten Jahren stark verändert, erzählt Gerda Kolb, selbst seit 2001 beim Verein tätig: "Für mich ist am auffälligsten: Die Lebenssituation der professionellen JournalistInnen und der Menschen, die die Zeitung auf der Straße verkaufen, hat sich in den letzten Jahren immer mehr angenähert. Es kommen viele JournalistInnen, die mit ihren Publikationen in anderen Medien nicht mehr überleben können und für die deshalb auch der Augustin eine nötige Einnahmequelle ist."

Stimmgewitter Augustin

Stimmgewitter Augustin

Stimmgewitter Augustin

Verändert hat sich nicht nur die Redaktion, in der immer mehr sozial Bedürftige mitarbeiten wollen. Auch der ethnische Hintergrund der Augustin-VerkäuferInnen erfährt über die Jahre einen ständigen Wandel. Kolb: "Die erste große Veränderung geschah während der ersten schwarz-blauen Regierung, als viele afrikanische Asylwerber, oder überhaupt Asylwerber, aus der Bundesbetreuung entlassen wurden. Und seit einem Jahr sind es sehr viele Leute aus Süd- und Südosteuropa. Mittlerweile sieht es so aus, dass knapp ein Drittel der Verkäuferinnen und Verkäufer österreichstämmig sind, mehr als ein Drittel aus Ungarn, Rumänien und der Slowakei - vorwiegend Leute mit Roma-Hintergrund -, und ein knappes Drittel sind afrikanische Asylwerber. Das Bild vom klassischen österreichischen Sandler, der die Zeitung verkauft, stimmt einfach nicht mehr. Das hat auch hohe Wellen geschlagen bei der Kundschaft. Viele sagen, ich will dass 'mein' Obdachloser, 'mein' Armer – immer bezogen auf die Nationalität – Geld von mir bekommt. Es war viel Arbeit nötig, damit die Leute akzeptieren: Alle Leute, die Geld brauchen, können die Zeitung verkaufen, unabhängig von ihrem ethnischem Hintergrund, ihrer Religion oder ihrer Nationalität."

Augustin-Zeitschrift

APA/Herbert Neubauer

Zwei Euro kostet eine Ausgabe des Augustin. Ein Euro geht an der Verkäufer, ein Euro an den Verein, der sich hauptsächlich aus dem Verkauf finanziert. Die Verkaufszahlen des Augustin waren 2006 mit 40.000 Stück auf ihrem bisherigen Höhepunkt, seitdem gehen die Verkäufe zurück. Für Gerda Kolb und ihre KollegInnen bitter, weil sich die Zeitung zu 95% aus den Verkäufen und nur zu 5% aus Inseraten finanziert - öffentliche Förderungen gibt es keine. Kolb: "Wir wollen keine Föderdungen. Wir finden, dass eine Zeitung so unabhängig wie möglich sein sollte. Niemand kann mir erzählen, dass Zeitungen, die von öffentlicher Hand Geld kriegen, ganz frei sind in dem was sie schreiben."

"Stimmgewitter", das Musikprojekt des Augustin, tritt heute (Mittwoch, 19.Mai 2010) im Flex auf, um seine dritte CD "Schmankerl der Schöpfung" zu präsentieren. Auf ihr sind neben dem Chor auch Gäste wie Seven Sioux zu hören.