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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

19. 5. 2010 - 11:46

Generalprobe für die Zentralmatura

In vier Jahren soll die erste Zentralmatura stattfinden. Heuer wurden bereits großflächige Schulversuche in den lebenden Fremdsprachen durchgeführt. Wir haben gefragt, wie sie waren.

Die neue Reifeprüfung

Ab 2014 müssen österreichische AHS-MaturantInnen eine vorwissenschaftliche Arbeit präsentieren, standardisierte Klausuren schreiben und wie bisher eine mündliche Prüfung ablegen. Für den BHS-Bereich gilt dasselbe ab 2015.

Alle Infos vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zur neuen Reifeprüfung:

Auf diese Weise werden Noten fair und objektiv vergeben und Maturazeugnisse bald national und international vergleichbar, hofft Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Zudem könnten sich Universitäten und potentielle Arbeitgeber ein besseres Bild von den Fähigkeiten der MaturantInnen machen.

Unter diesen Vorzeichen ist die Zentralmatura, zu der schon seit dem Schuljahr 2007/08 Schulversuche laufen, scharf kritisiert worden. LehrerInnen wie SchülerInnen befürchten, dass der Unterricht vereinheitlicht und verstärkt auf wirtschaftliche Verwertbarkeit ausgerichtet werde, und dass unterschiedliche schulische Schwerpunkte in Zukunft außer Acht gelassen werden.

Alles eins für neusprachliche und Realgymnasien?

Tatsächlich wird die neue Reifeprüfung nicht vollständig standardisiert. Das "zentral" in Zentralmatura muss korrekterweise durch "teilzentral" ersetzt werden, betonen BildungsforscherInnen. So werde es z.B. für neusprachliche bzw. Realgymnasien entsprechend den jeweiligen Lehrplänen unterschiedliche Aufgaben in Mathematik geben, und in den Fremdsprachen werde berücksichtigt, in welcher Klasse die SchülerInnen damit beginnen.

Grundsätzlich ist aber vorgesehen, dass Aufgaben, Termin - einer für ganz Österreich - und Dauer der schriftlichen Klausuren zentral vorgegeben werden, während die vorwissenschaftliche Arbeit und die mündliche Prüfung eigene Interessen und schulautonome Schwerpunkte abbilden sollen.
Bis 2014 bleibt die endgültige Form der neuen Reifeprüfung jedoch unklar, da die Schulversuche vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) laufend evaluiert und angepasst werden.

Listening Comprehension verschärft

Deckblatt des Listening Tests für die schriftliche Englischmatura 2010

BIFIE

Das BIFIE entwickelt die Aufgaben für die neue Reifeprüfung und betreut die Pilotschulen. Bei den lebenden Fremdsprachen sind die Versuche schon weit fortgeschritten. Dieses Jahr, das heißt in den vergangenen drei Wochen, haben mehr als 300 Schulen die neue schriftliche Teilzentralmatura in Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch getestet. Dazu haben sie Aufgaben zu sprachlichem Lese- und/oder Hörverständnis übernommen.

Bei Jenny Cheng und Richard Petras, beide MaturantInnen am Schulschiff in Wien Floridsdorf, hat die Hörverständnisübung der Englischmatura 45 Minuten gedauert. Ihnen wurden mehrere Hörtexte vorgespielt - Radio- oder Fernsehbeiträge oder ein Ausschnitt aus einer Touristenführung - jeder zweimal mit einem Abstand von 45 Sekunden. Nebenher mussten sie Multiple-Choice-Kästchen ankreuzen, Sätze ergänzen, Aussagen zuordnen und Fragen beantworten. Ihre Antworten durften dabei nicht länger als vier Worte sein.

Nächstes Jahr starten die Schulversuche für die Zentralmatura in Mathematik, übernächstes Jahr in Deutsch, Latein und Altgriechisch.

"Ich finde das nicht so gut", sagt Richard später im Interview, "immerhin geht es doch um die Sprache und nicht darum, sich möglichst kurz zu halten." Auch Jenny hat viel Zeit mit Kürzen und Wörter zählen verbracht. In den anderen Maturaaufgaben hat die Teilzentralmatura nämlich weitere rigide Wortbeschränkung gebracht, erzählt Vicky Reiter, die in Französisch maturiert hat. "Ich musste einen persönlichen Brief schreiben, der nicht länger als 150 Worte sein durfte. Plus minus zehn Prozent, das heißt zwischen 135 und 165 Worten ist alles ok. Aber für alles, was darunter oder darüber liegt, werden Punkte abgezogen. Und bei einem Brief, den ein 16jähriges Mädchen an ihre beste Freundin schreibt, ist so eine Wortbeschränkung doch unrealistisch."

Kritik an den zentralen Aufgabestellungen kommt auch von Vickys Lehrerin, Lotte Högelsberger. Die Hörübungen seien sehr anspruchsvoll gewesen und dafür nicht gut aufbereitet, findet die Französischlehrerin. Das vom BIFIE zur Verfügung gestellte Übungsmaterial hätte längst nicht ausgereicht, weshalb sie teilweise auf Unterlagen des DELF, eines internationalen Sprachzertifikats in Französisch, zurückgreifen musste.

Außerdem sei der standardisierte Korrekturschlüssel viel zu starr. Absolut akzeptable Antwortmöglichkeiten seien nicht zugelassen worden, weil sie nicht ins vorgegebene Schema gepasst haben. Die Fragehotline, die das BIFIE für solche Fälle eingerichtet hat, sei kein adäquater Rahmen, darüber zu diskutieren und die Hilfestellungen per Mail eher dürftig. Überhaupt findet Högelsberger den Messbarkeitswahn um schulische Leistungen bedenklich und bezweifelt, dass die Ergebnisse der Zentralmatura etwas über die wahren sprachlichen Fähigkeiten, Meinungen und Ideen eines Menschen aussagen könnten.

Englischlehrer Klaus Schraffl stimmt seiner Kollegin zwar zu, dass die neuen Hörverständnisübungen noch zu überarbeiten seien, hält sie grundsätzlich aber für eine Erleichterung und Verbesserung der Prüfungsart. Den einzigen Nachteil an der Teilzentralmatura sieht er darin, dass die Schulbücher noch nicht angepasst sind. "Aber leider ist es bei uns üblich, dass zuerst das Ende eines Prozesses reformiert wird und dann erst der Weg dorthin.", so Schraffl.

Den BildungsforscherInnen des BIFIE bleibt bis 2014 viel zu tun.