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Kap Transmissions

Ein Blog zur Fußball-WM 2010

18. 5. 2010 - 16:52

Ein Land designt seine Zukunft

Nur mit innovativen Ideen kann man international mithalten - Südafrika hat das erkannt und macht sich auf den Weg.

von Barbara Janker

Kaptransmissions ist ein Projekt der Agentur name*it

Design ist mehr als Ästhetik. Design kann echter Problemlöser sein – gerade für Entwicklungsländer. Denn nur mit innovativen Ideen kann man international mithalten. Südafrika hat das erkannt und macht sich auf den Weg.
Der Red Dot Design Award ist nicht irgendein Design- Preis. Vielmehr ist er einer der bedeutendsten Wettbewerbe der Branche weltweit. 11.000 Designer reichen jedes Jahr ihre Projekte ein. In der Kategorie Concept Design werden nach eigener Angabe „Geniestreiche“ prämiert, die das Zeug haben, „künftig zur Verbesserung der Welt beizutragen“.

Ein solcher Streich gelang vor zwei Jahren dem südafrikanischen Designer Y. Tsai mit seinem Entwurf für ein Stockbett: Der Satz aus fünf übereinander liegenden Betten kann nach dem Vorbild der russischen Matrioschka-Puppen ineinandergeschachtelt und ausgezogen werden. Es ist die perfekte Antwort auf die südafrikanische Realität, wo nicht selten Großfamilien auf engstem Raum zusammen leben.

Design mit Funktionalität

Tsai ist beispielhaft für eine ganze Reihe südafrikanischer Designer. Was sie gemein haben, ist ihr Zugang, Design mit Funktionalität zu verbinden. Sie entwickeln Produkte für die Bedürfnisse armer Kommunen; Geräte, die ohne Strom funktionieren, einfach zu warten und obendrein oft noch umweltverträglich sind.

„Dinge zu designen, die dem Vorankommen des Landes dienen, ist tief in den Köpfen der Kreativen verankert“, meint Adrienne Viljoen, Leiterin des südafrikanischen SABS Design Institute, dessen Ziel es ist, die Bedeutung von Design für die Entwicklung eines Landes in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und Ravi Naidoo, Gründer der Design Indaba, der mittlerweile größten Designmesse der südlichen Hemisphäre, ergänzt: „Der Vorteil südafrikanischer Designer ist, dass sie die Bedürfnisse des Landes genau kennen.“

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Design für Entwicklung Das ausziehbare Stockbett ist die Lösung des Designers Y.Tsai, vielen Menschen raumsparend ein Bett zu bieten. Es brachte ihm den begehrten Red Dot Design Award.

Haus mit Hirn

Das war auch das Leitmotiv von Naidoos 10x10 Wohnbauprojektes: Zehn Architektenteams sollten auf pro bono-Basis preisgünstige Häuser für die ärmsten Townships designen. Die Dringlichkeit dafür ist einfach zu erklären: 1995 begann der damalige Präsident Nelson Mandela mit einem groß angelegten Wohnbauplan für einkommensschwache Bevölkerungsschichten.

Was gut gemeint war, war in der Ausführung schlecht gelöst: Die Häuser hatten keine Dämmung, die Fenster waren Richtung Sonne ausgerichtet – mit dem Effekt, dass der Wohnraum im Sommer brennend heiß und im Winter kalt war. Luyanda Mpahlwa, Architekt der Gruppe MMA Architects und Pionier beim 10x10 Wohnbauprojekt, erklärt ungläubig: „In diese Prozesse waren nur Entwicklungshelfer, aber keine Architekten oder Stadtplaner involviert. Dieser Fehler hat dazu geführt, dass es praktisch keine Lebensqualität in den errichteten Häusern gibt.“

Seine Antwort lieferte er in Form einer neuen Bauweise, der „Sandsack-Technik“. Statt Ziegelbauweise bestehen die zweigeschoßigen Häuser aus Holzrahmen, die mit Sandsäcken gefüllt werden. Der Vorteil: Das Baumaterial ist wesentlich günstiger, die Häuser sind energieeffizient, und benötigen dabei zur Errichtung weder Strom noch Facharbeiter.

Ganz im Gegenteil: Die Hilfskräfte aus der Kommune können das Haus eigentlich alleine aufstellen. Im Hinblick darauf, dass in den nächsten Jahren allein in Kapstadt 350.000 neue Häuser für die wachsende Bevölkerung gebaut werden müssen, ist die Sandsack-Technik eine skalierbare, leistbare Lösung, die dem Architekten auch den mit 10.000 USD dotierten Curry Stone Design Preis einbrachte. Vorbild Südkorea „Design kann die Probleme eines Schwellenlandes mitlösen“, ist Naidoo überzeugt, und meint dabei nicht nur Produktideen, die direkt für die Bedürfnisse des eigenen Landes kreiert werden.

Stattdessen „benötigt Südafrika eine diversifizierte Wirtschaft, die jenseits von Rohstoffen auch auf Produkte mit höherer Wertschöpfung setzt“, meint er. „Wir müssen Design mit der produzierenden Industrie zusammenbringen.“

Das ist auch das Ziel der südafrikanischen „Industrial Designers Association“, die vor zwei Jahren von einer kleinen Gruppe Industriedesigner gegründet wurde, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Leichtindustrie zu erhöhen. Obmann Bernard Smith dazu: „Durch Design können wir innovative Produkte zu günstigeren Konditionen herstellen.“ Derzeit würden die meisten in Südafrika angebotenen Gebrauchsgüter entweder im Ausland hergestellt – oder von südafrikanischen Lizenznehmern produziert.
„Die Lizenzgebühren machen aber bis zu 89 Prozent des Produktwerts aus. Da bleibt den Unternehmen kein Spielraum“, erklärt er das Problem.

Gestützt werden die Ambitionen der Vereinigung durch das Vorbild der asiatischen Tigerstaaten, allen voran Südkorea, die ihren Aufschwung ganz wesentlich dem Fokus auf lokales Design verdanken. Den größten Nachholbedarf im direkten Vergleich hat Südafrika bei der Ausbildung: Während Industriedesign in Korea an nicht weniger als 156 Universitäten und Akademien gelehrt wird, bieten in Südafrika gerade einmal drei Institute das Studium an.
Umgelegt auf Absolventen bedeutet das: In Südkorea gibt es jedes Jahr 3.400 fertig ausgebildete Industriedesigner, in Südafrika gerade einmal zwischen 18 und 22.

Rohbau

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Innovation „Sandsackbauweise“ Architekt Luyanda Mpahlwa entwickelte ein Haus, das energieeffizient, günstig in den Materialkosten und von jedermann leicht aufzustellen ist.

Verkanntes Genie

Das größte Hindernis in Südafrika – da sind sich alle Branchen-Experten einig – ist das noch fehlende Verständnis für den inhärenten Wettbewerbsvorteil. So beklagt Smith, dass nur sehr wenige heimische Unternehmen bereit sind, Kapital für die Entwicklung neuer kompetitiver Produkte bereit zu stellen: „Auch wenn man die Kosten über den Lebenszyklus des Produkts zehn- bis hundertfach zurückbekommt.“

Aber auch bei den Politikern auf höchster Ebene besteht noch wenig Bewusstsein dafür, dass „Design nicht nur Ästhetik ist, sondern tatsächliche Problemlösung“, so Viljoen.
Zwar sah bereits der frühere Präsident Thabo Mbeki die Kreativindustrie als Schlüsselindustrie für ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum im Land. Dabei wird aber meist nur auf die Bereiche Kunsthandwerk und Mode referenziert. Das zeigt sich auch daran, dass für diese Unterbereiche zahlreiche Public-Private-Initiativen – mit durchaus ansehnlichem Erfolg – bestehen.

So wurde im Jahr 2005 etwa das Fashion Fusion Projekt vom Kunst- und Kulturministerium und der bedeutendsten Modemesse des Landes, der Sanlam SA Fashion Week, ins Leben gerufen. Mit dem Ergebnis, dass südafrikanisches Kunsthandwerk in die Kreationen der heimischen Designer integriert wird. Und bekannte Namen wie Black Coffee auf diesen Mehrwert schwören: „Die Stickereien geben nicht nur den einzelnen Stücken mehr Persönlichkeit, sondern sind auch ein Unterscheidungsmerkmal für uns Designer.“

Vor den Vorhang

Im Produktund Industriedesign finden sich solche Initiativen erst vereinzelt – und vielfach von Einzelpersonen initiiert. Eine, die sich dafür stark macht, ist Viljoen. Als Managerin des SABS Design Institutes setzt sie seit Jahren auf eine ganze Reihe von Preisen und Auszeichnungen, um heimische Innovationen vor den Vorhang zu holen – und lokale Designer in ihrem Tun zu bestärken.

„Denn gerade im Produkt- und Industriedesign könnten wir unsere Stärken ausspielen. Allein im Bergbau hat Südafrika eine unglaubliche Expertise“, ist sie überzeugt. Kein Wunder also, dass beim Design Excellence Award letztes Jahr zwei Produkte aus dieser Industrie einen Preis abräumten: der Autorock,ein unterstützender Mini- Bohrständer, der speziell für vertikale oder steil abgewinkelte Bohrungen in schmalen Schächten konstruiert wurde; und die Cheetah Sump-Pumpe, die mittels Druckluft Wasserschlamm aus den Schächten beseitigt.

Aber auch Produkte aus ganz anderen Bereichen – wie Orga 8, ein baukastenartiges Ablagesystem aus recycelten Materialien – hielt die Jury für auszeichnungswürdig.

Model mit Hut

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Traditionell trifft Modern Südafrikanische Designer integrieren Kunsthandwerk in ihre Kollektionen – und schwören auf dieses Unterscheidungsmerkmal.

International gefragt

Einige der solcherart ausgezeichneten Produkte sind auch auf der südafrikanischen Designmesse Design Indaba Expo ausgestellt. Sie warten hier darauf, von internationalen Käufern entdeckt zu werden. Denn die vor fünf Jahren von Naidoo gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium gegründete Messe soll vor allem Marktplatz für südafrikanisches Design aller Art sein.

Und das funktioniert: Selbst im heurigen Krisenjahr stieg sowohl die Zahl der Aussteller (auf 250) als auch die der Käufer an (auf 150). Darunter befinden sich bekannte Namen: The Gap, Benetton und Wal-Mart sind einige der internationalen Unternehmen, die hier shoppen gehen – und zeigen, dass südafrikanisches Design auch globalen Qualitätskriterien entspricht.

Weckruf für den Schläfer

Vielleicht wird es noch ein wenig dauern, bis Design richtig zu boomen anfängt, aufzuhalten ist die Entwicklung laut Naidoo aber nicht mehr. „Die Kreativindustrie ist ein ‚Schläfer’, der aber das Potenzial hat, für unsere Wirtschaft genauso wichtig zu werden wie die Automobilindustrie oder der Tourismus. Gerade in wirtschaftlich härteren Zeiten braucht die Welt kreative Lösungen.“ Und er ergänzt: „Eine bessere Zukunft kann und muss designt werden.“

Alle Bilder: corporAID