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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 5. 2010 - 20:25

Fußball-Journal '10-16.

Ein verlorenes Jahr. Eine andere Art Bilanz der Bundesliga-Saison.

Das fussballjournal10 erscheint anlassorientiert.

Eine erste Bilanz gab es bereits hier im Journal 14.
Eine dritte folgt noch.

Ein verlorenes Jahr - damit meine ich nicht die abgelaufene Saison: die hat, vor allem im international glanzvollen Herbst, eine Menge gebracht, mehr, als das elende Frühjahr versauen konnte.

Das "verlorene Jahr" ist so eine Phrase, die ich nicht mehr hören kann und der deshalb heute entgegnet wird.

Off Topic, eine furchtbare und traurige Meldung: Besian Idrizaj, der talentierte junge Stürmer, der immer mit seiner unorthodoxen Spielweise auffiel und oftmals Thema dieses Journals war, ist heute Nacht an einem Herzinfarkt gestorben.

Besian Idrizaj hatte seit zwei Jahren schwere Herzprobleme, er war zweimal (einmal in seiner Zeit beim LASK, einmal in Innsbruck) mit einem Infarkt zusammen-gebrochen, die genaue Ursache, der Auslöser wurde auch nach langwierigen Untersuchungen nie gefunden.

Zuletzt hatte er sich wieder erholt, spielte nach einem Intermezzo in der deutschen Oberliga in England, bei Swansea in der englischen Championship, wo er unter Paulo Sousa trainieren durfte - hier die Meldung des Guardian.

Idrizaj verpasste die U20-WM in Kanada wegen der disziplinären Probleme, die ihn seine Karriere lang begleiteten - er konnte und wollte sich dem österreichischen System nicht so einfach fügen - war vielfacher Jugend-Nationalspieler bis zur U21. Sein Bruder Qerim, ebenfalls Kicker, hat ihn heute morgen daheim in der gemeinsamen Wohnung in OÖ tot aufgefunden.

Im Vergleich zu diesem Verlust ist alles Nebenstehende Verlorene natürlich lächerlich.

Vom verlorenen Jahr sprechen nämlich die Sichtgeschädigten unter den Blinden, also die heimischen Fußball-Coaches, die außerhalb Österreichs keiner auch nur mit der Zange anfassen würde, weil sie (warum wohl?) dort nichts gelten, wenn sie sich mit den österreichischen Spielern, die das geschafft haben, was ihnen versagt blieb (ins Ausland gehen, beim richtigen Fußball mitspielen), beschäftigen.
Manchmal zu recht. Jimmy Hoffer oder Stefan Maierhofer haben riskiert und verloren. Der schweigsame Kurze, weil er nicht rechtzeitig verstanden hat, dass zum internationalen Klasse-Kicker auch Kommunikationsfähigkeit dazugehört (was wiederum die Schuld der heimischen Trainer-"Elite" ist, bei denen das nicht auf der Agenda steht), der redselige Lange, weil seine Technik eben nicht für England reicht. Beides zutiefst wichtige Erfahrungen; die sie in der heimischen Liga nicht gemacht hätten.

Expertisen ohne Wert

Dort kocht man im eigenen Saft - und verliert die Jahre ganz unbemerkt, ohne begleitenden Grantel-Soundtrack von Constantini, Pacult und anderen.
Auf den zu hören sowieso Schwachsinn ist.

Das belegt etwa das Champions League-Finale nächste Woche. In den Kadern von Bayern und Inter stehen nämlich zwei, die diese Sprüche seit Jahren zu hören kriegen.
Als David Alaba mit nicht einmal 16 zu den Bayern ging, raunzte von Herbert Prohaska abwärts jeder der üblichen Trainer/Experten-Verdächtigen in populistischer Manier den "Viel zu früh! Das wird nix!"-Chor. Und das defätistische Geblöke, das Marko Arnautovic seit Jahren von Seite der mediengeilen Meute begleitet, muss ich hier nicht zitieren.
Jetzt werden beide ein CL-Finale erleben, als Teil des Teams, nicht vorm Fernseher wie die heimischen "Experten".

Von den vielen verlorenen Jahren und Monaten, die die heimische Liga und vor allem die geistige Unbeweglichkeit der dort Verantwortlichen auf dem Gewissen haben, hört man von den „Experten“ nichts. Klar, sie wollen in dem Bereich, in dem sie auf Jobs hoffen, niemanden anpatzen. Deswegen aber ist ihre Expertise auch derart wertlos – und das „Ausland“ anpatzen, ist ja eine kronigliche Strategie.

Schaun wir uns also einmal das „Inland“ und seine Problemzonen an.

Ein verlorenes Jahr...

... ganz ohne ins Ausland zu gehen, hat etwa Yasin Pehlivan hinter sich. Keine Entwicklung nach vorne, bei Rapid zugunsten des hochgradig überschätzten Finnen Heikinnen bewusst kleingehalten, Stammplatz- und Transferwert-Verlust.

…brachte den sensiblen Feintechniker Emin Sulimani dazu sich der mazedonischen Nationalmannschaft an den Hals zu werfen. Er zerschellte am absurden Festhalten an der Diva Acimovic, erst die zweite Welle (Junuzovic und Liendl) bekam die Chance, die ihm vorenthalten wurde.

… war auch diese Saison für Andreas Dober, dem alleingelassenen Verteidiger hinter Diva Hofmann, der auch heuer die Scapegoat-Rolle annehmen musste und das hinnahm, als wäre er ein Nutallabrot.

… war es für Jakob Jantscher und Daniel Beichler – die konnten bei Sturm Graz heuer genau gar nichts dazulernen. Ebenso wie Alex Dragovic bei der ihm längst viel zu klein gewordenen Austria.

… wird auch Mark Janko noch nachhängen. Warum der nicht schon im vorigen Sommer oder spätestens im Winter den internationalen Abflug gemacht hat, ist unerklärlich; vor allem seit Mateschitz' Klarstellung, dass er Salzburg als U21-Standort und Zulieferer für Leipzig sieht.

… ist der gesamten LASK-Truppe passiert. Wozu sind die eine Saison lang aufgelaufen? Haben die etwas gelernt? Konnte ein einziger Spieler dort sein Potential erhöhen? Eben.

… dürfen sich auch Roland Linz, Roman Kienast und Rubin Okotie in den Kalender eintragen. Letzterer, weil ihn Verletzung und Wickel behindern, die beiden anderen, weil sie nach ihrer Rückkehr nach stockender Auslands-Karriere erst wieder die Anpassung ans hiesige Niveau suchen.

… war es für alle Rapid-Spieler. Wieder ein Jahr, in dem sie nichts lernen konnten, obwohl die Vorraussetzungen (Euro-League) so gut waren.

Aber, keine Sorge, wo Schatten ist, gibt's auch Licht.

Ein gewonnenes Jahr…

… war es etwa für Julian Baumgartlinger. Bei der Austria durchgesetzt, als Junger, gegen heftige Konkurrenz durch vom Trainer eigentlich vorgezogene Alte, sogar als einziger 6er in einem mutig-offenem System, wow. Dass man bei der Austria als Konsequenz den alten Peter Hlinka verpflichtete, zeigt, dass die sportliche Führung diese Entwicklung nicht gecheckt hat.

… war es für Dusan Svento. Er hat (sehr große) Hoffnung auf eine WM-Teilnahme, sich mit einer lässigen Saison dort reingespielt. Dass das Somen Tchoyi, wohl auch Rabiu Afolabi, Schwegler und vielen anderen nicht gelingen wird, zeigt nur, dass deren Nationen mehr Auswahl in besseren Ligen haben und das Signet „Österreich“ eher stört, wenn es drum geht staatstragend ernstgenommen zu werden.

... war es auch für Nikica Jelavic. Der hat sich mit seiner Saison in den kroatischen Nationalkader gespielt, was angesichts der dortigen Exportleistung kein Lapperl ist.

… war es für Christoph Leitgeb und Zlatko Junuzovic, die sich beide aus leichten Krisen derrappelt und in den Vordergrund gespielt haben.

… war es für die Youngsters bei Magna Neustadt, Alex Grünwald, Guido Burgstaller, Tomas Simkovic, Mario Reiter, Christian Ramsebner ua. Die bekamen nicht nur genug Eiszeit, sondern auch Geduld, um sich einzuspielen und alte, schon morsche Knochen zu ersetzen, letztlich schon die ganze Saison lang.

… war es für Franz Schiemer. Ich war zwar schwer dagegen ihn als defensiven Mittelfeldspieler (wie Stevens) oder als Rechtsverteidiger (wie Constantini) einzusetzen, weil er als Innenverteidiger so herrlich intelligent spielt, aber weil sowohl bei Salzburg als auch im Team einige vor ihm stehen, war dieses Umfunktionieren, diese Umschulung eine gute Idee; und hat der Herrn deutlich weitergebracht.

… hatte Christian Gratzei. Während sich die Konkurrenz selber aus dem Spiel nahm (Schranz durch krisenbedingte Fehler, Payer wegen mysteriöser Krankheiten und Streitereien, Macho wegen Verletzungen), blieb er stabil. Blöd nur, dass mit Eddie Gustafsson wieder einmal ein echter Weltklassemann in Österreich zu sehen war, neben dem alle anderen Torleute dann echt Scheiße aussehen.

… gab es auch für Heinz Lindner. Der kam zu seinen Einsätzen wie die Jungfrau zum Kind und war in dieser entscheidenden Saison-Phase so gut, als würde er schon Jahre im Austria-Tor spielen. Etwas, was den Herren Lukse, Zaglmaier, Eisl, Poyraz, Schober, Königshofer und Co verwehrt blieb.

Mittig

Der Rest schwimmt so in der Mitte mit. Wie Steffen Hofmann, der von mir den Anton-Polster-Award bekommt. Morgen dann, im nächsten Teil der Saison-Bilanz, wo ein paar Preise vergeben werden.