Erstellt am: 15. 5. 2010 - 12:43 Uhr
Reclaim Tempelhof
Der Flughafen Tempelhof war für alle eingeborenen Berliner, höchst emotional besetzt, immer mehr als ein Flughafen. Er war ein Mythos, ein Symbol, steht für Nazi-Architektur, für die Luftbrücke und die Rettung des freien Berlin, er garantierte Reisefreiheit ungehindert von DDR-Grenzschikanen, und brachte als Drehort vieler Agentenfilme des kalten Kriegs, der "spying sixties", ein wenig Hollywood-Glamour nach Berlin. Kaum ein Westberliner steht also dem ehemaligen Zentralflughafen der Stadt neutral gegenüber.
Bundesarchiv, B 145 Bild-F001298-0004 / Brodde / CC-BY-SA / Wikipedia
Die Schließung von Tempelhof war ein Politikum, Zehntausende Berliner stimmten in einem Bürgerentscheid für die Aufrecherhaltung des Flugbetriebs. Aber es nützte nichts, im November 2008 nahmen weinende Anwohner Abschied von ihrem Flughafen. Danach ging der Streit weiter.
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Die Flughafenbefürworter wollten einen von Investoren betriebenen Privatflughafen, andere träumten von einem Central Park vor der Haustür, und sogar ein Luxuskrankenhauskomplex für vermögende herzkranke Araber mit eigener Landebahn war im Gespräch. Der Senat phantasierte von Luxussiedlungen und Flächen für die Kreativwirtschaft. "Gentrifizierung!" witterten da die Linken und Grünen, die Stadtentwicklungssenatorin beruhigte daraufhin, alle Berliner Bürger könnten sich auf eine "Phantasie und Kreativität anregende Freifläche" freuen.
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Im Juni 2009 wurde das Gelände kurz von der Gruppe "Squat Tempelhof" besetzt und von der Polizei sofort wieder geräumt, und nun ist die 380 Hektar große Brachfläche - sie entspricht 525 Fußballfeldern - endlich für die Bevölkerung freigegeben. Ein echter Park ist es noch nicht, aber es gibt viele Sportplätze, drei Hundeauslaufgebiete, mehre Vogelbrutstellen und kilometerlange Wege für Jogger, Walker, Inline-Skater und Radfahrer, das alles mitten in der Stadt.
Offen ist das Gelände aber nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, nachts hält ein Zaun die Besucher fern, außerdem wird der Park rund um die Uhr bewacht. Ergo zogen am Eröffnungstag Antifa und andere Aktivisten unter "Der Zaun muss weg"-Sprechchören von der Polizei flankiert über das Gelände, vorbei an der Bühne, auf der ein hochkarätiges Showprogramm lief. Spontan solidarisierte sich der dort tätige Entertainer Frank Zander, der als Neuköllner Junge schon die Schokoladenschirmchen der Rosinenbomber auf dem Flugfeld aufgelesen hatte, mit den Demonstranten. Die Sicherheitskräfte geleiteten alle zum Ausgang und um halb zehn abends lag der Flughafen wieder friedlich und verlassen da.
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