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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

14. 5. 2010 - 18:16

Techno mit richtig echten Instrumenten spielen

Höhepunkte in Konzertform: Tag 2 beim Springfestival mit Elektro Guzzi, Moritz von Oswald Trio, Christian Prommers Drum Lesson

Nun mag man sich vielleicht ein wenig abgeschreckt von dem leicht doofen Bandnamen gefühlt haben und sich dabei gedacht, dass das sicher wieder so eine witzige Electroclash-Band aus Berlin ist, nach dem Konzert am frühen Donnerstag Abend im Grazer Orpheum aber darf man sich sehr sicher sein, dass man an dieser Gruppe in Zukunft nicht mehr vorbeihören wird wollen: Elektro Guzzi. Der Donnerstag beim Springten bringt vor allem konzerttechnisch gesehen einige Höhepunkte - was mögliche ähnliche Zielgruppen anbelangt leider auch einige Terminkollisionen - und Elektro Guzzi sind da nur der Anfang.

Elektroguzzi

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Elektro Guzzi

Das Trio aus Wien baut an Gitarre, Bass und Schlagzeug - und nur das - am so nicht für möglich gehaltenem Bindeglied zwischen Postrock und Minimal Techno. Eine Band, die ohne Elektronik elektronische Musik nachstellt, Menschmaschinen gewordene Tanzkapelle, Techno mit echten Instrumenten spielen. Das demnächst erscheinende Album von Elektro Guzzi hat Großmeister Patrick Pulsinger produziert, klingen tut diese ganze Wundermusik so als hätte sich Engineer Steve Albini im alten Chicago eine spröde House-Musik zusammengeträumt. Da passen Minimalismus und Funkiness, Formstrenge und größte Tanzbarkeit locker in den selben Proberaum, da kann man bisweilen an die herrliche Wiener Band Radian in ihren poppigeren Momenten denken, gleichzeitig aber auch an den japanischen Disco-Magier Zongamin. Elektro Guzzi, das ist eine Band, die tritt beim Steve-Reich-Festival auf und im Berghain. Tatsächlich spielen Elektro Guzzi schon längst solch großkalibrige Gigs wie beispielsweise im Londoner Fabric an einem Abend mit DJ T. von Get Physical, hierzulande darf es allerhöchsten nur noch zwei Wochen dauern, bis diese Band flächendeckend bemerkt wird. Von den nicht gar so vielen Leuten, die um halb zehn schon im Orpheum sind, tanzen nicht wenige. Sie haben recht.

Elektro Guzzi

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Elektro Guzzi
Moritz von Oswald

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Moritz von Oswald, Max Loderbauer

Danach wird das Tempo gedrosselt. Das Moritz von Oswald Trio, das wir jetzt einmal großspurig eine Supergroup der Elektronik nennen wollen, erscheint. Neben Moritz von Oswald, mit Basic Channel Miterfinder von Minimal Techno und Semigodfather of Dubtechno, sitzen noch Max Loderbauer, der sonst in solch schönen Projekten wie NSI und Sun Electrik werkt, und Sasu Ripatti mit im Boot, das da weltbewegende Musik heißt. Sasu Ripatti! Der zeitlebens unbeindruckt dreinblickende, blasse finnische Mann hat mit seinem Projekt Luomo - und da muss man jetzt gar nicht allzu groß ausholen - Microhouse sozusagen erfunden, unter den Namen Vladislav Delay und Uusitalo entdeckt er zwischen Ambient, Glitch und experimentellem Knacken das Universum neu. Ein paar andere Namen hat er auch noch und wenn ihm dann nach getaner Arbeit langweilig ist, spielt der gelernte Schlagzeuger Percussions im Moritz von Oswald Trio. Das Trio, da ja schon in der Namensgebung quasironisch in Richtung Jazz-Combo mit dem Kopf nickt, ist dann auch in musikalischer Hinsicht offener für Improvisation und Experiment als die sonst von ästhetischer Strenge geprägten Arbeiten von von Oswald. Im vergangenen Jahr hat die Gruppe mit "Vertical Ascent" ein Album des Jahres veröffentlicht, auf dem unter der Schirmherrschaft von entschlacktem Dub und Minimalismus auch Raum war für Ungenauigkeiten, Verwischungen und die Freude am Spielerischen. Live stellt sich die ganze Angelegenheit als groß angelegter, großartiger Spannungsbogen dar, der sich aus anfänglich partikelhaften Soundfetzen zu einem extrem massierenden, hm, Groove entfaltet. Dennoch vielmehr Musik für zuhause als für die Live-Darbietung. Wobei: Einmal zusammen gesehen haben will man die drei doch.

Sasu Ripatti

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Sasu Ripatti: Luomo, Vladislav Delay, Moritz von Oswald Trio
Sofa Surfers

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Sofa Surfers

Verlässt man das Orpheum etwas vorzeitig, um pünktlich zum Konzert von Christian Prommers Drum Lesson in die Postgarage zu gelangen, und entscheidet sich also die vermutlich wunderbare Album-Präsentation von Patrick Pulsinger (wird nachgeholt) zu versäumen, dann kommt man glücklicherweise zu früh, und kann noch einige Nummern der Sofa Surfers mitnehmen. Die Sofa Surfers haben die schon sehr volle Postgarage wasserdicht im Griff, ihre aktuelle, ziemlich rocklastige Inkarnation steht den Herren außerordentlcih gut zu Gesicht. Es ist wie es ist: Das Publikum flippt aus. Auf dem FM4 Unlimited Floor bereitet DJ Trashtray mit einem vollkommen gut durchgerüttelten Partypaket aus Beastie Boys, Dizzee Rascal und Lenny Kravitz auf Meister Functionist vor. Bonkers, in echt. Vor dem Konzert von Christian Prommers Drum Lesson hat sich im Vergleich zu den Sofa Surfers das Publikum leider ein klein wenig ausgedünnt, was die Laune des sichtlich gut draufen Münchners Christian Prommer, sonst z.B. Fauna Flash und Voom:Voom, nicht mindert. Hell (aka DJ Hell), der alte Bayer, ist auch da. Christian Prommer hat mit seiner Drum Lesson zwei wirklich allen Menschen ans Herz zu legende Alben veröffentlicht, die zeigen, dass der Weg von Jazz nach Techno ja nicht unbedingt ein weiter ist. In Bandbesetzung, logischerweise sehr on the drumheavy side, baut er Klassiker der elektronischen Tanzmusik nach. Was auch live formidabelst funktioniert: Man muss die Stücke nicht kennen und erkennen, Tanzen ist Dogma. Eigentlich nur Höhepunkte, herausragend aber: "Rej" von Âme, der zeitloseste Detroit-Klassiker "Jaguar" von DJ Rolando und Kraftwerks "Trans-Europa Express". From Station to Station, von Düsseldorf nach Motor City.

Sofa Surfers

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Sofa Surfers
christian prommers drum lesson

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Christian Prommers Drum Lesson
Christian Prommer

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Christian Prommer

Im Dom im Berg (heiß) steht dann Hell hinter den Geräten und der Schweiß in den Gesichtern. Profi-DJ Hell ravet uns solide, vielleicht etwas zu solide, bis ins Frühstück. Was fehlt? Neben zwanzig sicher auch nicht üblen Dingen aus zeittechnischen Überschneidungsgründen verpasst: Ebony Bones, James Yuill, Patrick Pulsinger, Noze, Michel Cleis. Heute nicht versäumen: Baby Monster, Drums Of Death, La Boum Deluxe Party im Depot Wiesler mit speziellsten Spezialgästen, Pantha Du Prince, außerdem: Drums Of Death.

Hell

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Hell in Hell: Was ist los?