Erstellt am: 17. 5. 2010 - 09:57 Uhr
Mutter, ich geh zur See!
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Die Berufsbezeichnung "Matrose" gibt es seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr. Was aber nicht heißt, dass es keine Seeleute mehr gibt. Denn auch wenn die harte körperliche Arbeit an Bord fast zu Gänze von Maschinen übernommen wird, werden immer noch technische Fachkräfte an Bord benötigt. Denn die Abläufe an Bord sind heute komplett automatisiert, selbst die größten Containerschiffe werden mit einer Mannschaft von 20 Personen gefahren. Das heißt also, mit reiner Muskelkraft ist es als Qualifikation heute nicht mehr getan.
Radio FM4/Irmi Wutscher
Schiffsmechaniker statt Matrose
Susann Marohl macht in der Zentralen Heuerstelle Hamburg Berufsberatung für Leute, die zur See gehen wollen. Ohne Ausbildung, meint sie, kommt man in der Seefahrt heute nicht weit: "Ungelernte Tätigkeiten im Mannschaftsbereich werden durch Bewerber von den Philippinen, aus Kiribati oder Tuvalu abgedeckt. Eine Chance haben sie in der Seeschifffahrt nur, wenn sie sich qualifizieren, sprich, wenn sie nautischer oder technischer Offizier werden. Und da ist auch großer Bedarf da."
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In Deutschland beginnt man zum Beispiel mit der Ausbildung zum/zur SchiffsmechanikerIn. Anders als Matrosen früher, die nur zum Brücken- und Decksdienst ausgebildet wurden, durchlaufen Schiffsmechaniker zwei Bereiche, erklärt Marohl: "Er kann sowohl auf der Brücke stehen, das Ruder bedienen oder im Decksdienst tätig sein, als auch in der Maschinenanlage für die Wartung der Hauptmaschine verantwortlich sein." Diese kombinierte Ausbildung legt den Grundstein dafür, später zum Kapitän oder zum Chief, das ist der Leiter der Maschinenanlage, aufzusteigen. Dafür muss man sich allerdings weiterbilden und - an Land - eine technische Fachschule oder eine Fachhochschule für Nautik besuchen, um entsprechende Zeugnisse zu erwerben.
Ein Job mit Zukunft
Bis heute kann man in der Seefahrt relativ gutes Geld machen. Denn schon als ungelernte Hillfskraft steigt man mit etwa 1.400 Euro im Monat ein, was sich mit längeren Törns und mehr Fahrten erhöht. Allerdings, gibt Susann Marohl zu bedenken, macht Geld alleine nicht glücklich und weist auf die Bedingungen an Bord hin: "Für uns an Land sind so viele Dinge selbstverständlich: Man macht Feierabend, geht nach Hause, trifft sich mit Freunden. Das ist alles nicht gegeben, wenn Sie zur See fahren. Dann sind Sie für die Dauer des Törns, das sind meist 3 bis 5 Monate, rund um die Uhr mit denselben Leute zusammen. Ihr Arbeitsplatz ist für die Dauer des Dienstverhältnisses auch ihr Wohnort. Damit müssen sie klarkommen, das sind ganz andere Bedingungen als an Land."
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Falls man sich aber auf diese Bedingungen einstellen kann, so ist die Seeschifffahrt sicherlich ein Job mit Zukunft, sagt Susann Marohl: "Trotz der derzeitigen wirtschaftlichen Lage, die sich auch in der Seeschifffahrt bemerkbar macht, ist großer Personalbedarf da, aber an qualifiziertem Personal, sprich nautischen und technischen Offizieren". Denn in Deutschland gehen in den nächsten zehn Jahren ein Großteil der Seeleute in Rente, und genügend Nachwuchs ist noch nicht da.
Ka – pi – tä – nin {f}
Übrigens ist die Seefahrt keine Männerdomäne mehr, seitdem Ladung zu schleppen nicht mehr Hauptteil des Jobs ist. Dank der umfassenden Automatisierung der Abläufe an Bord können mittlerweile auch Frauen alle Tätigkeiten ausführen. Und der alte Aberglaube, dass eine Frau dem Schiff Unglück bringe, wird auch langsam ausgeräumt. "Eine Frau an Bord ist sicherlich noch etwas Besonderes", meint Marohl. So stehen derzeit in Deutschland sechs aktive Kapitäninnen etwa 1.500 Kapitänen gegenüber, in den niedrigeren Rängen ist das Verhältnis etwas besser. Dass sich etwas ändert, sieht man aber an den Ausbildungszahlen, wo sich die Frauenquote in den letzten Jahren mehr als verdreifacht hat.
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Meist ist es so, dass man in der Mannschaft das einzige weibliche Mitglied ist: "Sie fahren dann auch mit einer international gemischten Mannschaft, die alle unterschiedliche Ansichten haben, was eine Frau tun sollte, ob an Bord oder an Land." Erklärt Susann Marohl. "Das muss man wissen, damit muss man umgehen können! Man muss sich also der Rolle als einzige Frau schon bewusst sein. Es gibt dann einfach bestimmte Verhaltensregeln, an die sich alle zu halten haben, damit es im Team funktioniert."
Egal ob Frau oder Mann, wenn man mit den Rahmenbedingungen zurechtkommt, so Susann Marohl, dann ist ein Schiff ein hochinteressanter und abwechslungsreicher Arbeitsplatz. "Ich kenne keine Tätigkeit an Land, die damit adäquat vergleichbar wäre."