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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

21. 5. 2010 - 10:52

Wunsch, Ritter zu werden

"Mount & Blade: Warband" reitet im gestreckten Galopp durchs mittelalterliche Schlachtgemälde.

"Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glattgemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf."

Wenn man von der obigen Miniatur mit dem Titel "Wunsch, Indianer zu werden" ausgeht, kann man vermuten, dass Franz Kafka an "Mount & Blade: Warband" vielleicht seine Freude gehabt hätte. Denn das Independent-Spiel eines türkischen Entwicklerpaares, das als erweiterte Version mit Multiplayeranteil des zwei Jahre alten Quasi-Vorgängers "Mount & Blade" runderneuert zum Reitausflug einlädt, macht vor allem eines sehr gut: Es setzt uns als Ritter auf ein Pferd - und entlässt uns in die Freiheit.

Taleworlds

Das Glück der Erde ...

"Mount & Blade: Warband" ist vieles - ein bisschen Rollenspiel, ein bisschen Sandbox, ein bisschen Adventure und auch ein bisschen Strategie. All das umfangreiche Beiwerk verblasst aber vor dem, was unwidersprochen das Herzstück und die Faszination bei den zahlreichen Fans ausmacht: Sich hoch zu Ross mit allerlei spitzen Stöcken und Schneidwerkzeugen ausgestattet hügelabwärts auf Scharen mehr oder weniger angsterstarrter Fußsoldaten zu stürzen oder sich mit gegnerischer Kavallerie gefinkelte Hetzjagden zu liefern. Die optische Ähnlichkeit zur "Total War"-Serie täuscht: In "Mount & Blade: Warband" herrscht Schlachtgetümmel aus der Third-Person-Perspektive, im Einzelspielermodus ebenso wie im hektisch-hysterischen Multiplayerpart, doch im Grunde geht's um Gefühle: das Gefühl der Freiheit, wenn man durch die Steppen auf seinen Gegner zurast, das Gefühl der Geschwindigkeit, wenn man an Bogenschützen und anderem Fußvolk vorbeigaloppiert, das Gefühl der diebischen Freude, wenn man seinen Gegner aus gestrecktem Galopp mit Pfeil und Bogen zu Boden streckt - Indianer ist man hier zwar keiner, aber das Glück liegt in diesen Spielmomenten eindeutig auf dem Rücken der Pferde.

Man muss es den Entwicklern hoch anrechnen, dass sie sich dieser Stärke ihres Spiels bewusst sind, aber trotzdem auch rund um diese Hauptattraktion der actionlastigen Schlachten ganz schön viel Spiel gebaut haben. Einzelspieler können sich im riesigen Sandkasten austoben, der sich ordentlich an Sid Meiers Klassiker "Pirates!" bedient: Mit einem beliebig gestaltbaren Jungritter begibt man sich in die Dienste untereinander verfeindeter Fürsten, erobert widerspenstige Dörfer als Basis, treibt Handel, gewinnt Turniere, legt sich mit Banditen oder feindlichen Heeren an, verbessert seine Eigenschaften und vergrößert seine eigene Gefolgschaft, die man im Kampf dann vom Pferderücken aus selbst mit einfachen Kommandos strategisch befehligt. Zauberei gibts nicht, Waffen, Rüstungen und auch Umgebung orientieren sich am realen Mittelalter. Wer sich an den manchmal etwas steril wirkenden NPCs und generischen Missionen nicht stört, kann hier im Lauf der Zeit vom Räuberbaron bis hin zum Händler oder gar zum König alles werden - ziemlich viel Programm und fast endlose Wiederspielbarkeit für ein Spiel, das eigentlich damit nur Vorwände für die immer fordernder werdenden Reiterschlachten gegen immer größer und bedrohlicher werdende Gegnerscharen bietet.

Mount & Blade Warband

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Ein Königreich für ein Pferd

Im Mehrspielermodus, der das wirklich Neue an "Warband" bietet, braucht es das ganze Rundherum nicht, hier stürzen sich regulär bis zu 64 Spieler in verschiedenen Spielmodi in Belagerungen oder Massenschlachten. Was im Spiel gegen den Computer noch als simples Actiongeplänkel durchgeht, zeigt hier überraschende taktische Tiefe: Wer abseits aller Formation Alleingänge riskiert, bergauf angreift oder nicht brav
Deckung sucht, macht die Erfahrung, dass "Mount & Blade: Warband" trotz simpler Handhabung überraschend viel Simulationsanspruch hat. So bleibt jeder Truppentyp - zu Pferd, zu Fuß oder Fernkampf - sinnvoll und es entscheidet stets das reine Können über Erfolg oder Niederlage in der Schlacht.

"Mount & Blade: Warband" ist als DVD oder Download für PC Windows um etwa 27€ erhältlich. Die kostenlose Demo bietet einen guten Überblick und lässt sich bei Gefallen einfach zur Vollversion freischalten.

In Sachen Fan-Einbindung ging das Ehepaar Yavuz schon beim Vorgänger "Mount & Blade" sehr innovative Wege: Lange vor dem regulären Verkaufsstart konnten sich Fans die spielbaren Betaversionen zum Vorzugspreis und damit den Anspruch auf das fertige Spiel sichern - so finanzierte das Independent-Team die Entwicklung mit den von diesem Indie-Geheimtipp begeisterten Spielern, die zudem bereits für Mundpropaganda und wertvolles Feedback sorgten. Es ist ein bisschen schade, dass ausgerechnet die Käufer des Original-Spiels von 2008, die durch ihr Mitwirken die Weiterentwicklung des Quasi-Vorgängers zu "Warband" ermöglichten, jetzt nochmals zur Kasse gebeten werden - denn Besitzern von "Mount & Blade" bietet "Warband" abgesehen vom Multiplayerteil nur unwesentliche Neuerungen.

Anscheinend nimmt die Fan-Gemeinde dem kleinen Independent-Studio Taleworlds das aber nicht allzu übel, denn immerhin war schon der Vorgänger auch in anderer Hinsicht sehr kundenfreundlich: Auch die Modding-Szene wurde von Anfang an mit ins Boot geholt und vorbildlich unterstützt. Für den Vorgänger gab es zahlreiche beliebte Fan-Modifikationen, die auch schon jetzt, wenige Wochen nach Verkaufsstart, auch den Nachfolger gründlich erweitern; so sind etwa inzwischen Multiplayerschlachten mit beängstigenden 222 Mitspielern Realität. Doch damit sollte nicht Schluss sein: Der Vorgänger "Mount & Blade" ließ sich mit Modifikationen in historisch akkurate europäische und sogar Wildwest-Varianten verwandeln. Und so ist er dann doch erfüllbar - der Wunsch, Indianer zu werden.