Erstellt am: 16. 5. 2010 - 15:00 Uhr
Das Reh ist nicht nur schlecht
Vor vier Jahren veröffentlichte ich an dieser Stelle einen Text, mit dem ich Ruf und Ehre des Rehs zu retten versuchte. Zwar erscheinen mir die meisten Aufsätze aus meinem 'Frühwerk' heute stilistisch zu unausgegoren, manchmal irritierend bemüht und nicht selten etwas übereifrig, der eine oder andere gefällt mir aber noch heute recht gut, besonders dieser, aber auch jener.
Der Reh-Text ist mein eindeutiger Favorit. Leider sind die Kommentare der klassischen FM4-Seite nicht mehr gespeichert. So sind die teils recht barschen Reaktionen wie auch die rührende Begeisterung von Herrn Ostermayer nicht mehr nachzulesen.
Immerhin eine Mail-Reaktion habe ich noch gefunden:
"also wenn du das erst meinst dann gutenacht. das rehe so einen ruf haben wäre mir bisher nicht aufgefallen. fällt dir nichts anderes ein über das du schreiben kannst, wenn du sowas erfinden musst?"
Da sich die Entstehung der kontrovers rezipierten Zeilen nun zum vierten Mal jährt, habe ich zu diesem unrunden Jubiläum eine Coverversion in Gedichtform verfasst. Da dem heißen Thema aber meines Erachtens auch damit noch nicht Genüge getan ist, kündige ich hiermit die Umsetzung meiner neuen Lebensaufgabe an: Ich plane, von nun an jährlich eine andere Kunstform der Reh-Imagepolitur zu widmen. So darf sich die geneigte Leserschaft schon jetzt auf "Das Reh ist nicht nur schlecht"-Fotostorys und -Dokumentarvideos, womöglich gar -Protestsongs freuen.
jugendfotos.de
Das Reh ist nicht nur schlecht
Man merke auf und lese:
Das Reh ist nicht nur böse!
Ja, Sie lesen recht:
Das Reh ist nicht nur schlecht.
Ein Standpunkt, ungleich kontrovers,
jedoch begründet Vers für Vers:
Schon lange hofft der Mensch, sie weiche
einst von selbst, die braune Seuche.
Die Wirklichkeit scheint Hohn zu spotten:
Sie ist nun mal nicht auszurotten.
So gilt es, sich zu arrangieren
mit den so unbeliebten Tieren
und einzusehen, dass die Tierart
an positiven Seiten vier hat:
Die erste nutzen wir fast täglich,
sie macht es uns bei E-Mails möglich,
im Betreff klar dazulegen,
dass man Antwort gibt, weswegen
man, worauf sie sich bezieht,
schlicht mit einem Reh versieht.
Zweitens schriebe sich manch Lyrik
ohne diese Tiere schwierig.
Liegt an einem See kein Schnee,
äst daneben halt ein Reh.
Erfreun wir uns denn nicht an Scherzen?
Lohnt es, Tiere auszumerzen,
die es drittens möglich machen,
schallend Nächtelang zu lachen?
Das Gegenteil vom Hirschen, der
hinterm Haus steht ist doch sehr
köstlich. Über das Reform-
haus brüllt man zumeist enorm.
Viertens kann man Rehe schießen
und sie durchgegart genießen.
Den Ruf des Rehs mit der kompletten
Argumentation zu retten,
ist mir hoffentlich gelungen, braten
wir zur Feier Lungenbraten!
(Forsetzung folgt im Mai 2011)