Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Geldgeschäfte "halal""

Sarah Seekircher

(Sub-)Urbia und Überall. Reportagen, Hörspiele und andere Hauptsächlichkeiten.

19. 5. 2010 - 12:29

Geldgeschäfte "halal"

Korankonform und krisensicher. Ist Islamic Banking eine Alternative zum herkömmlichen Finanzsystem?

Riba

Koran

afghanistanblog.files.wordpress.com

Der Koran

Religiöse Muslime und Muslimas stecken in einem Dilemma, wenn sie hierzulande Erspartes auf die Seite legen wollen. Entweder sie legen das Geld daheim unter die Matratze, was zwar ein Verlustgeschäft aber dafür Frieden mit Allah bedeutet. Oder sie geben das Geld auf die Bank. Das bringt Zinsen aber leider auch ein Ticket in die Hölle. Denn im Koran - zumindest nach zahlreichen Auslegungen - gibt es ein Zinsverbot (Riba). Zinsen zu kassieren, also zum Beispiel ein konventionelles Sparbuch anzulegen, gilt als schwere Sünde. Ebenfalls verboten ist es, einen Kredit aufzunehmen, denn das hieße, einer Bank Zinsen zu geben.

Die Wurzeln für dieses Zinsverbot liegen mehrere hundert Jahre zurück: Zu Zeiten des Propheten Mohammed waren Wucherzinsen gang und gäbe und führten oft dazu, dass arme Menschen in den Ruin getrieben wurden. Auch die islamische Philosophie war mit Zinsen nicht einverstanden, bedeuten Zinsen doch, Geld für sich arbeiten zu lassen bzw. dass Geld wieder Geld produziert. Deshalb wurde im Koran - und übrigens auch in anderen Religionen - ein Zinsverbot erlassen.

"Halal"

Eine Alternative für gläubige Muslime und Muslimas ist Islamic Banking, das es in Österreich derzeit noch nicht gibt. Mit Finanzprodukten des Islamic Banking kann man Geld "halal" - also nach den Regeln des Islam - anlegen und ausleihen. Islamic Banking ist eine Erfindung der 1960er Jahren, mittlerweile hat das islamische Bankwesen Ableger in ganz Europa. Als erste europäische Bank hat 2004 die "Islamic Bank of Britain" mit islamkonformen Finanzprodukten gelockt. Inzwischen haben auch mehrere deutsche Banken neben konventionellen Anlageformen islamische im Portfolio.

Islamic Banking

Palani Mohan

Wer einen Islamic-Banking-Kredit aufnimmt, zahlt nicht schwankende Zinsen sondern fixe Gebühren. Und anstatt das Ersparte auf ein Bankkonto zu legen und am Ende des Jahres Zinsen zu kassieren, investiert man bei Islamic Banking das Geld in Immobilien oder in ein reales Geschäft - bei dem dann allerdings weder Alkohol, noch Prostitution oder Schweinefleisch im Spiel sein dürfen.

Krise

Das Zinsverbot im Koran erwies sich vor allem nach Ausbruch der Finanzkrise als segensreich. Islamische Banken haben aufgrund des Zinsverbots nicht mit Schuldpapieren gehandelt, so dass sie keine amerikanischen Schrottimmobilien gekauft haben. Und weil im Koran neben Zinsen auch Spekulationen (Gharar) und Glücksspiel (Maysir) verboten sind, sind im Islamic Banking risikobehaftete Finanzmittel wie Derivate oder Hedgefonds tabu. Islamic Banking scheint deshalb auch für Nicht-Muslime, die ihr Geld krisensicher und nach ethischen Kriterien anlegen wollen, interessante Ansätze zu bieten.

Ganz ohne Risiko funktionieren aber auch Investitionen im islamischen Bankwesen nicht. "Es ist natürlich nicht so, dass der Islam einen Weg gefunden hätte, risikofreie Renditen zu erwirtschaften", sagt Rahim Taghizadegan, austro-iranischer Wirtschaftsphilosoph vom Think-Tank "Institut für Wertewirtschaft" in Wien, "allenfalls haben wir dort einen klareren Umgang mit Risiken".

Vielleicht wird es Islamic Banking auch bald für die muslimische Community in Österreich geben. Nach deutschem Vorbild könnten österreichische Banken sogenannte "islamic windows" schaffen, also eigene Abteilungen mit islamischen Finanzprodukten.