Erstellt am: 10. 5. 2010 - 16:11 Uhr
Fußball-Journal '10-14.
Das fussballjournal10 erscheint anlassorientiert.
Die flache Schein-Debatte über die womöglich strittigen Entscheidungen der gestrigen Runde ist hier kein Thema.
Wer immer noch auf diese bewusst gesetzten medialen Ablenkungen (mehr dazu im letzten Journal, hier) reinfällt und sich dadurch von einer echten Analyse abbringen lässt, hat mein Mitleid.
Lässt sich so etwas, eine Bilanz also, bereits jetzt, eine Runde vor Ende der Meisterschaft, wo noch nicht einmal der Titelträger feststeht, ziehen? Seriös?
Definitiv, ja.
Denn es ist recht egal, ob sich Red Bull Salzburg den Titel noch wegschnappen lassen wird: das ist bloß ein Auswurf der Schwäche dieser Liga in dieser insgesamt wirklich erbarmungswürdig niveaulosen Frühjahr-Rückrunde. Wenn strategische Not gegen taktisches Elend antritt, wenn die Zirkuspferde, die halt nur einen vorhersehbaren Trick beherrschen, sich mit spielphilosophischen Nackernbatzeln matchen, dann stellt sich bloß heraus, wer aus mittelguten Möglichkeiten am wenigsten herausholen kann. Meisterlich ist das alles nicht.
Was nach einem durchaus kompetitiven Herbst doch einigermaßen überraschend daherkommt.
Da, in der internationalen Auslage haben sich die drei Titelanwärter und ihr Einzel-Verfolger allesamt bewährt, kollektiv gesteigert und individuell entwickelt.
Der Wurschtigkeits-Tee
Was in den Wintertrainingslagern im Tee drin war, was zu einer derartig lieb-, kraft-, herz- und hirnlos ausgespielten Rückrunde führen konnte, muss im CSI-Labor erst ausgewertet werden. Ich denke es wird das Gift des wurschtigen Zurücklehnens gewesen sein. Dass man sich in Salzburg, Wien-West, Wien-Süd und Graz gedacht hat: super warma, allen zeigt hammas, jetzt heißt es sich auf diesen Meriten ausruhen, wieder durchatmen und alte österreichische Tugenden rausholen - die des langfristigen Zehrens von alten Erfolgen zum Beispiel.
Dass genau das Gegenteil notwendig gewesen wäre, um an der europäischen Mittelklasse anzudocken, hat sich bis in diese Denkmuster von vorgestern nicht herumgesprochen.
Selbst ein Hoffnungsträger wie Dietmar Beiersdorfer konnte nichts bewegen - vielleicht, weil er sich zu stark in Leipzig, New York, Brasilien oder Ghana beschäftigen müsste.
Was offenbar stark an seinen lokalen geopolitischen Kenntnissen nagt: so war sich Beiersdorfer sicher, dass Sierning bei Steyr in Wien liegen muss, wohl weil Österreich für ihn nur aus Salzburg und allem anderen, also Wien besteht. Auch irgendwie bemitleidenswert.
Dieser dummdreiste Ausritt steht prototypisch für die Spielanlage der Salzburger: pampig, wehleidig, sich immer aufs Nötigste beschränkend, bei einem eingerissenen Fingernagel irgendwelchen "Neidern" die Schuld gebend, kalt und berechnend, ohne Emphase. So kommt nicht nur Huub Stevens (der diesen Stil als Philosophie ausgegeben hat und somit die Hauptschuld trägt) daher, oder auch (leider) der große Alex Zickler, so spielt auch ein Teil seiner desinteressierten Mannschaft.
Wenn Salzburg mit Gustafsson, Schwegler, Sekagya, Afolabi, Ulmer, Schiemer, Svento, Leitgeb, Tchoyi und Janko nicht zehn echt großartige Kicker hätte, die Meisterschaft wäre längst in einer Heulsusen-Arie untergegangen.
Die Zufalls-Starken
Diese Schwäche erlaubt es dem einzigen Team, das sich im Frühjahr inhaltlich zu steigern verstand, so knapp heranzukommen: die Austria Wien hatte diesen Lauf allerdings nicht geplant, er war ihr eher zufällig passiert.
Das hatte mit dem Glücksfall des Ausfall der 'Crucial Three' zu tun: Safar, Bak und Acimovic. Das sind allesamt Männer mit hohen Verdiensten, aber Blockierer und (mit Unterstützung einer übervorsichtigen, fast schon feig zu nennenden sportlichen Leitung installierte) Sesselkleber. Und erst ihre Abwesenheit brachte die Violetten in das gefühlte Finale.
Hinten bildete sich mit den jungen Heinz Lindner (der nie die drei, vier Unsicherheiten pro Spiel, die sich Herr Safar immer leistet, zeigte), mit Abwehrchef Dragovic (der schon letzte Saison den überforderten Bak wie ein Zivildiener im Altenheim behandeln musste) und Ortlechner sowie Baumgartlinger davor eine Defensiv-Zentrale, die aktuell ihresgleichen sucht.
Und Junuzovic und Liendl dürfen sich, seit sie nicht mehr dem Faulen Willi, dem manchmal genialischem Acimovic zuarbeiten müssen, sondern selber spielen (im Wortsinn: "spielen") können, entfalten.
Das macht Laune und bringt auch dann Siege, wenn man nicht unbedingt die druckvollere und stärkere Mannschaft ist (wie zuletzt gegen Rapid und eben auch in Salzburg), aber einfach mehr Hirnschmalz aufs Matchbrot schmiert.
By the way: die diamantene Raute, die Daxbacher seine Austria die letzten Partien spielen lässt, ist die mutigste (weil sehr offensive) aber auch schlaueste (weil seinen Spielern entsprechende) System-Variante, die in Österreich ein Trainer in den letzten Jahren spielen ließ.
Und da ist es eben doppelt traurig, dass sich sowas aus einem Zu/Unfall heraus entwickeln muss. Solche Dinge wären nämlich durchaus planbar.
Warum es egal ist, wer Meister wird.
Was die Konkurrenten könnten, könnte Rapid auch.
Hier scheitert man seit Jahren auf recht gutem Niveau am selben Problem: mangelnde strategische Intelligenz.
Selbst wenn sich Coach Pacult (wie im Derby) zu einem 4-2-3-1 (also einem seiner Mannschaft durchaus dienlichem System) durchringt, besetzt er es falsch, mit Hofmann nominell rechts, auf einer Position also, die der nie einhält (nicht weil er unbedingt Torschützenkönig werden will, sondern weil es ihm mittlerweile echt wurscht ist, weil er glaubt mit Einzelaktionen alle taktischen Fehler geraderücken zu können, weil er weiß, dass die Gegner oft noch dümmer aufgestellt sind).
Weil Rapid sich jüngst auch gern im Doppel-W, im wehleidigen Winkerl (das klingt so) aufhält, ist es nur recht und billig, dass sie sich im Finish überrannt fühlen. Wer aus den Spielen gegen Hapoel einfach keine Lehren zu ziehen verstand und so wieder einmal eine Halbsaison hat verstreichen lassen, um sich strategisch endlich zu verbessern, verdient es nicht anders.
Insofern ist es total wurscht, wer in der letzten Runde den Titel holt: keiner wird aus diesem "Der am wenigsten Schwache ist dann vorn" etwas lernen: Salzburg wird was von Gerechtigkeit a la Highlander schreien, die Austria den Zufall hochleben lassen und Rapid wird, wie so oft, Irrationales absondern.
Immerhin, die Schnapsidee mit dem Kunstrasen gehört praktisch schon der Vergangenheit an: seit heute wird er abgetragen.
Allerdings hat Alleinherrscher Mateschitz, wie er im Gespräch mit der APA erläutert, vor, Salzburg langfristig als Farmteam für das Champions-League-Projekt RB Leipzig in die zweite Reihe zu schieben.
Konsequenzen hätte es keine.
Stevens wird Salzburg umbauen und ich traue ihm aktuell nicht zu, dass er die nächste Saison mit zwei möglichen Spielsystemen beginnt, um variantenreicher zu werden.
Die Austria wird das gute System zerstören und alte Knochen zukaufen.
Und Rapid bleibt Rapid. Jenseits einer sachlichen Behandlung. Und das ist eine Drohung.
Der Rest vom Fest
Sturm Graz kann als Königsmacher und Cupfinalist die Saison noch mit einem Peak, den die Mannschaft heuer eigentlich nicht verdient hat, beenden.
Vielleicht war es aber auch ganz gut nicht noch eine Meisterschaft weit über Potential und Finanzkraft zu spielen und sich, Umfeld, Fans und Erwartungen dann dauerhaft unter Druck zu setzen.
Nächste Saison wird eh alles anders: der Angang der Zwillinge Jantscher/Beichler wird nicht zu kompensieren sein. Wer da wieder Europa als Ziel ausgibt, ist mutig.
Wiener Neustadt ist das einzige Team, das positiv überrascht hat, trotz Magna-Wahnsinn, trotz hirnrissigen Trainer-Wechsels. So wie Schöttel aktuell spielen lässt, so wie aufgestellt und verlängert wird, deutet alles auf tatsächlich strukturierten Aufbau hin.
Das was bei der Austria zufällig passiert ist, war hier Plan und Absicht: der Einbau der Anfang-20er, die Variationsfähigkeit der Systeme. Der beste Beweis dass es geht, auch in Österreich.
Und Peter Schöttel, da muss ich Abbitte leisten, hätte ich das nicht in diesem Umfang zugetraut.
Was ist ein Chrappan?
Dass sich Mattersburg überraschend leicht getan hat in dieser Saison, für die alle schwarz gesehen hatten, lag nicht nur an der sportpolitischen Performance von ganz Kärnten, sondern auch an einer dann doch schnellen Erkenntnis und der Umsetzung. Dass nämlich der Dauer-Import von Billigware aus den Nachbarländern nichts bringt: Hamouz, Sedlak, Stjepanovic - nur Makulatur.
Stattdessen wurde einer von den Amateuren hochgeholt, auch Slowake, aber seit einiger Zeit an die Mattersburger Art gewöhnt: Peter Chrappan.
Das ist mein Spieler der Saison, im Burgenland zumindest. Kommt aus dem B-Team und spielt dann quasi durch. Respekt. Dass es die Herren Rath, Spuller, Farkas und Seidl waren die die Saison einschlugen, großteils auch Hervorbringungen der eigenen Amateure, sollte Bestätigung genug sein.
Mit Mattersburg noch um Platz 6 balgen sich die beiden oberösterreichischen Vereine, bei denen die Gefahr, dass sie eine Zwischensaison einlegen, von vornherein hoch war.
In Ried hatte Gludovatz wohl im Vorjahr den Plafond erreicht, da war heuer nicht mehr zu machen, außer die Mannschaft endlich an ein Leben nach dem Drechsel zu gewöhnen.
Beim LASK ist das System Reichel natürlich nicht zufrieden, was sich in planlosen Zukäufen und einem unrunden Kader äußerte - weil es niemanden gibt, der die Macht hat laut "Halt!" zu schreien, wenn der nächste Blödsinn passiert (auch weil er ihn gar nicht als solchen identifizieren könnte) wird sich da auch nächstes Jahr nichte bessern.
Kapfenberg hat ein ähnliches Problem, nur ohne Reichel, da sorgt Gregoritsch für Unübersichtlichkeit.
Und zu Austria Kärnten fällt mir gerade nichts ein - das wird sich im Lauf der Lizenzierungs-Entscheidung aber noch von selber ergeben.