Erstellt am: 11. 5. 2010 - 06:25 Uhr
Stereo Total in Graz
"Schön von hinten", erklärt ein junger Mann in der Schlange vor der Grazer Postgarage einer Freundin, ist ein Lied: "Und darin singt sie nur davon, wie schön es ist, wenn der Freund endlich geht." Sie, das ist Françoise Cactus, und gehen lassen werden sie die vielen Menschen am Ende des FM4 Überraschungskonzerts in Graz lange nicht. Und auch ihren Kompagnon Brezel Göring nicht. Stereo Total werden noch zwei Mal auf die Bühne zurückkehren, und encore une fois, nein, fünf oder waren es sechs Stücke Zugaben spielen. Die Übergänge sind fließend, Stereo Total sind nicht in der Disco, sie sind die Disco.
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Das wissen die Besucherinnen und Besucher, einige haben eigens Seifenblasendosen in ihren Taschen - doch das ist eine Überraschung für später. Die ersten, die einen der Gästelistenplätze gewonnen haben, stehen um acht Uhr abends bei der Postgarage, binnen weniger Minuten wächst die Schlange auf Parkhöhe. Kurze besorgte Blicke, ob sich das noch ausgeht für die nachgekommenen Freunde ganz hinten? Wer auf der Gästeliste steht, darf überholen, dann ist auch schon freier Einlass für alle. Da kann einem der einsetzende Regen nicht mehr viel anhaben. Knapp, aber doch finden alle Platz in der großen Halle der Postgarage, das fängt gut an mit Philipp L'Heritier an den Turntables.
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Hinreißend
Vom ersten Drum Beat an sind Stereo Total hinreißend. Und mitreißend ist auch die Stimmung im Publikum, wir tanzen. "Im Viereck!" ruft bald jemand. Zum Glück haben die Kolleginnen Alexandra Augustin und Irmi Wutscher die Atmosphäre in Ton und Bild festgehalten. Denn wie Françoise Cactus und Brezel Göring das anstellen, muss man sehen.
Überraschungen, die schon waren
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Konfetti, Vogelwasservogelpfeifen und Seifenblasen
Françoise Cactus lässt sich assistieren, ein junger Mann aus dem Team Stereo Total serviert auf einem Tablett quietschbunte Vogelwasserpfeifen für eine Handvoll Freiwilliger in den ersten Reihen. Was folgt, ist eindeutig "Du bist gut zu Vögeln". Kaum eine Band vermag so charmant unverforen zu spielen.
Stereo Total instrumentalisieren die Angewohnheit Zuhörender, bei eben vernommenen Sätzen, die sie aus dem Konzept bringen oder eine Antwort verlangen könnten, erst einmal nachzufragen. Exusez-moi, hat Madame Cactus soeben gesagt: "Jetzt will er Mutter werden!" und auf ihren Kollegen gedeutet? Hat sie und schon singt Brezel Göring "I Wanna Be A Mama", eines der Stücke des neuen Albums "Baby Ouh!". Stereo Total haben darauf Andy Warhol ein Lied gewidmet und Kraftwerks "Tour de France" gecovert, beide Stücke werden ebenso live vorgestellt wie "Barpe a papa" und "Hallo Damenklo", letzteres angekündigt als sozialkritisches Stück. Wenn Françoise Cactus den Berufsalltag einer Klofrau besingt, dann ist das humorvoll und ein bisschen traurig zugleich. Sie sind jung und wollen Spaß, schminken sich auf meinem Klo - mit Lippenstift und Mascara, ich war früher auch mal so. Bei diesen Lyrics wünsche ich mir, Cactus würde bald wieder ein Buch schreiben.
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"Jetzt kommt ein ganz altes Lied, von unserer ersten Platte. Da ward ihr noch gar nicht geboren", mutmaßt Françoise Cactus. Und schon bei den ersten Takten wird munter weitergetanzt, den Refrain zu "Miau Miau" des 1995er Albums "Oh Ah" braucht man nicht zwei Mal zu hören, um mitzumiezen.
Eva Brunner über Stereo Total und Touren in der Endlosschleife
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"Isch muss in Shorts auftreten oder in Bermuda", sagt Cactus, als sich ihre Hose mit dem Schlagzeug verheddert. Krempelt ein Hosenbein hinauf, setzt sich wieder an das kleine Drumset und legt los. So schnell bringt Stereo Total nichts und niemand aus dem Konzept. Mit einer Handvoll eigentümlicher elektronischer Instrumente, von denen man am leichtesten das Theremin beim Namen nennen kann, jongliert das Duo, und Cactus switcht vom Deutschen ins Französische ins Englische ins Japanische ins Spanische und zurück ins Deutsche.
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Wenn ich ein Junge wär', hätte ich mich auf dutzenden Konzerten auf Händen tragen lassen. Mädchen sieht man selten stagediven, auch Françoise Cactus überlässt das Brezel Göring.
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Kommt ein Brezel geflogen, heißt es Hände hoch und weiterreichen. Bis Brezel Göring eine Runde über das Publikum gesurft ist und zurück kopfüber an der Bühne anlangt, direkt vor mir. Zuvor ein Auge zugekniffen und vor dem anderen den Fotoapparat gehalten, gilt es, Brezel Göring aufzufangen. Göring deutet auf die Bühne, da steht eine Dose Seifenblasen. Ich habe Angst um seinen Kopf, der haarscharf an Bühnenbrettern vorbeirutscht, doch die tragenden Stützen lassen Göring nicht so schnell aus, er landet auf der Bühne, mein Arm unter Göring, der sich die Seifenblasendose schnappt und lachend lospustet. Während Françoise Cactus weiter groovt. Stereo Total sind Superman und Superwoman.
Video vom Stereo Total-Überraschungskonzert
Kamera: Alexandra Augustin, Wolfgang Bauch, Irmi Wutscher; Schnitt: Alexandra Augustin, Irmi Wutscher