Erstellt am: 8. 5. 2010 - 11:19 Uhr
Donaufestival vorletzter Tag
Wir glauben uns jedes Wort: David Pfister, Philipp L´heritier und ich schliessen die Augen und blicken den Highlights des vorletzten Donaufestival Tages ins Auge.
Carla Bozulich´s Evangelista
von David Pfister
Weitere Informationen zum Donaufestival in Krems
"We tour in a way - hopefully in the end we haven't used any of our money out of our bankaccount to pay for the tour. There's no fucking money. So we are there for you! We are there for you! That's what we're doing. We're not there for anything else!" sagt Carla Bozulich im Interview. Und so ist dann auch der Auftritt. Ein kompromissloses Spiel auf den Gefäßen Blues, Todesrock und störrischer Klangmalerei. Und eine Ahnung von einem Kammermusikgefühl. Carla Bozulich treibt ihre Band durch trockene Songgebilde über Stürme, die verrückt machen und Sehnsucht und Verderben und am Ende predigt sie doch nur sanft von Liebe. Das ist die Musik, die PJ Harvey immer probiert zu spielen. Gemeinsam mit Xiu Xiu und den Parenthetical Girls mein bisheriges Highlight beim Donaufestival. "Komisch", meint Carla noch, "Krems ist eine mittelalterliche Stadt und trotzdem gibt es hier keine Gothpeople". Die sind alle in Wien und kommen nur einmal im Jahr nach Krems.
ondrusova
Wiedersehen mit alten Freunden: Die Tindersticks
von Susi Ondrušová
Der irische Musiker David Kitt ist seit der letzten Platte "Falling Down A Mountain" Gitarrist seiner neuen alten Lieblingsband rund um Stuart S. Staples. Nein, an seinen eigenen Sachen werde Kitt wegen seines Tindersticks-Engagements nicht aufhören zu arbeiten, versichert der in sich ruhende und eloquente Staples im Interview. Das will der Arbeitgeber ja auch nicht. Eine Minute schwelgen über Kitt´s 2004er Album "The Black And Red Notebook" und über die Schwierigkeiten des Coverns. Tinderstick´s Slowdance-Interpretation von Pavement´s Ballade "Here" kommt mir in den Sinn, aber Rosen streuen für Staples, der mir mit Rotwein bewaffnet Auskunft erteilt über "Falling Down A Mountain", muss nicht sein. Schwierig nach 19 Jahren Bandgeschichte nie die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen.
Neue Alben Neues Glück:
Tindersticks spielen am 10.5. im Grazer Orpheum.
Die neue Schaffensphase mit neuen Bandmitgliedern empfindet Staples als eine zweite Chance: "It´s very rare and very special to be in a situation and to feel the excitement of how you felt when you started off - only you´re older and mature!" Das neue Tindersticks Album "Falling Down A Mountain" könnte auch "Falling Up A Mountain" heissen, nicht das die Tindersticks nun eine Speed-Platte gemacht haben, aber es geht eben nach oben. Tempo egal, die Schritte sind groß und die Staple´schen lyrischen Tränen und musikalischen Umarmungen erwischen einen mit voller Wucht! Im Rahmen des Livekonzertes nach anfänglicher Zurückhaltung umso stärker am Ende. Wenn die Tindersticks zum Beispiel "Harmony Around My Table" anstimmen. Wow.
ondrusova
Wolf Parade´s Österreich Debüt
von Philipp L´Heritier
Wolf Parade ist eine Band aus der Vergangenheit. Eine Band aus der Mitte des letzten Jahrzehntes, als nicht Brooklyn die Welthauptzentrale von sophisticated Indierock war, sondern Kanada. Jeder war Arcade Fire und Broken Social Scene, oder aber auch Metric, Stars und Frog Eyes. Wo Wolf Parade auf Platte hauptsächlich vom Widerstreit zwischen den beiden Frontmännern Spencer Krug an Gesang und Keyboards und Dan Boeckner an Gesang und Gitarre und der relativ gleichmäßigen Aufsplittung des Songmaterials zwischen den beiden lebt, ist Wolf Parade live eindeutig eine Dan-Boeckner-Show.
ondrusova
Spencer Krug, eigentlich der interessantere Songwriter der beiden, verpufft mit Gesang und den auf Platte so sauber ausbalancierten Keyboardmelodien ein wenig im dezenten Klangsumpf der großen Halle, während Boeckner mit ausgemergeltem Punkrock-Gestus und demonstrativer Rockgitarre unmittelbarer den Abend an sich zu reißen weiß. Als abgefuckten Mittelweg aus Tom Verlaine von Television, Iggy Pop und Blixa Bargeld kann man mit Boeckner einen geil stumpfen Frontmann erleben, dem, so scheint’s, jede Artsyness fremd ist, der aber trotzdem seine Talking Heads gelernt hat und jeden Bruce-Springsteen-Impersination-Contest gewinnen würde.
Wolf Parade veröffentlichen im Juni ihr drittes Album "Expo 86" und treten am Dienstag, 11. Mai im Rockhouse Salzburg auf.
Nachzusehen auf Youtube: Boeckner bei einem Wolf-Parade-Konzert: "We’re basically just a punk band. We drink, uhm, - beer." Und diese relative sehr gut zusammengespielte Punkband Wolf Parade, die man vielleicht lieber in einem kleinen Club mit immer kaputter Toilette und unfreundlichem Barpersonal erleben würde, ist eine sehr gute Live-Band.
ondrusova
Rock-Musik, eindeutig, unvermittelt und trotzdem smart ausgedacht und mit doppeltem Boden. Die Darstellung einer Rockband. Mit großen Tunes. Neben den unvermeidlichen Hits "I’ll Believe In Anything", "Shine a Light" und "You Are A Runner And I Am My Father’s Son" vom Debütalbum "Apologies To The Queen Mary" gibt’s auch "a bunch of new songs" vom relativ wunderbaren, demnächst wieder bei Sub Pop erscheinenden neuen Album "Expo 86". Die Zugabe "Kissing The Behive" vom leider etwas untergegangenen zweiten Album "At Mount Zoomer" entlässt uns mit leicht überzuckertem, prog-haftem Instrumente-Freak-Out und Gitarrengedaddel aus einem sonst eigentlich nur großartigen Konzert in die Nacht. Wer sich denn gefragt haben sollte, ob denn das noch gehen kann mit relativ straightem Indierock, ohne - wie schön das alles auch sein mag - Elektronik und Firlefanz, weltmusikalischem Konfetti und Discokugel, dem dabei aber trotzdem jede konservative Muckerhaftigkeit fremd ist - hier kommt die Antwort.