Erstellt am: 6. 5. 2010 - 15:37 Uhr
Docs.com
Für kurze Zeit im April hatte die Website Facebook mehr Besucher als Google - dass der Suchmaschinen-Riese von einer anderen Website überholt wurde, ist bisher einmalig in der Geschichte des World Wide Web. Von den 400 Millionen registrierten Facebook-Usern spielen manche Farmville, einige organisieren Events und andere begnügen sich mit Chat und Statusmeldungen. Facebook ist vielseitig einsetzbar, weil es auch eine API, eine Programmierschnittstelle für Anwendungen ist. Die Plattform ist beliebig erweiterbar und verfügt über gute Andockstellen nach außen. Eine Neuentwicklung, die Microsofts experimentelles, Sechs-Mann-Team Fuse Labs in den letzten Monaten entwickelt hat, wurde jetzt in die frühe Testphase geschickt: Docs.com macht Facebook zur Plattform, über die Word-Dokumente, Excel-Tabellen oder Powerpoint-Präsentationen mit den Freunden bearbeitet und geteilt werden können.
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2009 kaufte Microsoft für 240 Millionen US-Dollar zwei Prozent Anteile an Facebook - über die Gründe dafür wurde spekuliert. Microsoft hatte erkannt, dass Social Networks die Ausgangsbasis für neue Software sind. Für gemeinsam benutzbare Software.
Konkurrent Google stellt schon seit Jahren Dutzende "Büro-Applikationen" wie Google Mail oder Google Docs gratis zur Verfügung. Mit Google Docs können User Dokumente erstellen und gemeinsam bearbeiten. Kerngeschäft von Microsoft ist aber kostenpflichtige Bürosoftware - eine Gratisversion von "Microsoft Office" in Facebook ist also ein Spagat für den Konzern. Peter Hössl von Microsoft Österreich erklärt, was Docs.com von Google Docs unterscheidet: "Das Web ist eine andere Technologie, hier kann ich nicht das selbe bieten, wie in einer fest installierten Applikation. Google hat ausschließlich Web-Applikationen. Wir wollen am PC eine volle Desktop-Applikation anbieten, wo alle Funktionen zur Verfügung stehen, und dazu Web-Applikationen, mit denen ich vom Internetcafé aus auf meine Dokumente zugreifen kann. Und als drittes mobile Applikationen, mit denen ich vom Telefon aus auf die Dokumente zugreifen kann."
FM4 / Alex Wagner
Die Facebook-Applikation kann entweder direkt aus der Social-Networking-Plattform heraus, oder in einem zweiten Browser-Tab über die Website Docs.com aufgerufen werden. Office-Dokumente können hochgeladen, erstellt und per Mausklick mit beliebigen Facebook-Freunden geteilt werden. Hössl: "Wir wollen alle Browserplattformen gleich gut unterstützen, egal ob Firefox, Safari oder Internet Explorer."
Im Moment ist für das vollständige Ausprobieren von Docs.com ein Passwort erforderlich und bei Anfrage werden die meisten User noch auf eine Warteliste gesetzt. Weiter gediegen als die Facebook-Variante ist die Sache dagegen schon bei Windows Live, Microsofts hauseigener Social Networking Plattform: Dort läuft ein ähnlicher Beta-Test schon seit Ende letzten Jahres, und jeder User erhält eine virtuelle 25 Gigabyte Festplatte, das sogenannte SkyDrive zur Ablage seiner Daten. Peter Hössl: "Lädt man ein Office-Dokument auf das SkyDrive hoch, erscheint nicht nur ein Button 'Ansicht', sondern auch einen Button 'Bearbeiten'. Dann öffnet sich im Browser die gewohnte Office-Umgebung. Jeder, der Office kennt, wird leicht damit umgehen können."
Für IT-Infrastrukturen und Software, die über das Netz zur Verfügung gestellt werden, hat sich in der jüngeren Vergangenheit der Begriff Cloud Computing zunehmend durchgesetzt. Das Arbeiten in der Wolke ist praktisch, wirft aber auch Fragen der Datensicherheit auf: Gerade bei Facebook konnte man vor kurzem wegen eines Fehlers die privaten Chats anderer User mitlesen. Eine gröbere Sicherheitslücke ist kaum vorstellbar - ob man angesichts solcher Lücken auch die geheimen Firmendaten in Facebook bearbeiten will, ist wohl eine Frage des Vertrauens.