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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

9. 5. 2010 - 17:15

Es geht auch vielfältig

Paul Divjaks Buch "In der grauen Lagune" legt sich auf kein Genre fest und verfolgt kein Thema

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Roten Faden gibt es eigentlich keinen, weder inhaltlich noch sprachlich. Für die Bearbeitung so unterschiedlicher Sujets wie Müll, König und Königin, Fernsehen, Ruhm und Glück bedient sich Paul Divjak so unterschiedlicher literarischer Gattungen wie Märchen, Gedicht, Drehbuchfragment, Aphorismus und Kurzgeschichte (da ist für jeden Geschmack was drinnen könnte am Cover stehen und der Reigen wäre um einen Werbespruch erweitert). Die sprachliche Bandbreite reicht von experimentell bis narrativ, von sachlich bis blümerant. Der Autor selbst bezeichnet seine Textsammlung "In der grauen Lagune" als "Phänomenologie der Sprache und der Dinge".

Das Cover des Buches "In der grauen Lagune" von Paul Divjak zeigt einen grauen, verlassenen, unordentlichen Raum

Czernin Verlag

In der grauen Lagune ist 2010 im Czernin Verlag erschienen.

Das Vorwort - es ist mit "Vorworten" übertitelt und oszilliert sprachlich zwischen Ernst Jandl und jenem Deutsch, das Österreich für Ausländer entwickelt hat (du verstehen?) - macht klar, dass Tatsachen Gegenstand anderer Bücher sind. Die vorliegenden Texte sind also Mutmaßungen. Mutmaßungen über das Leben, den Alltag, die Liebe. Kurz: über alles bis hin zum Nichts - so weit reicht es, sofern man geneigt ist, aus einzelnen Sätzen eine eigene gedankliche Assoziationskette zu basteln (unter uns gesagt, die Welt ist schön, um nur einen zu nennen).

Im Text "Herbstfarben" begegnet man einer jungen Frau, die in Form eines inneren Monologes eine Reise wiedergibt (mit Rauchen, Schwitzen, Ficken), auf der sie sich noch ein Mal von einem Mann erholt, an den sie sich ewig binden wird.
Der Gedichtzyklus "Zeitbohrung" spürt einem Mann nach, der aus Wien nach New York emigrieren musste. In seinen Gedankenschnipseln schwingen Sehnsucht nach Geborgenheit und der Zweckoptimismus des Reisenden.
In "Altenmarkt" interviewt eine junge Fernsehmoderatorin einen berühmten Schriftsteller. Die Moderatorin unterbricht, sondert Allgemeinplätze ab, geht keinem Thema nach: ein Paradebeispiel für die mediale Verpestung des Alltags.

Und siehe da, in all ihrer Vielfalt findet sich in dieser grauen Lagune doch noch eine thematische Klammer, eine inhaltliche Richtung, ein roter Faden: die Vergänglichkeit, die bereits in Divjaks vorletztem Buch "Hinter der Barriere" tonangebend war. Wenn die Literatur, wie Marcel Reich-Ranicki in kecker Abkürzung sagt, nur zwei Themen habe, nämlich die Liebe und den Tod, dann ist Paul Divjak literarisch beim Tod zuhause.