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Das Biber

Artikel aus dem Stadtmagazin für Wien, Viyana und Beč. Mit Scharf.

5. 5. 2010 - 13:21

Das Kreuz mit den Frauen

Wenn die Christen (und andere) den Islam kritisieren, verwenden sie die Frauenunterdrückung als Totschlagargument. Aber wie frauenfeindlich sind die Christen selbst?

Eine Polemik von Bogumil Balkansky

Biber-Cover: Tätowierter Mann. Text: "Tattoo-Trend: Gott - Glaube oder Ästhetik"

Das Biber

Der Artikel "Das Kreuz mit den Frauen" ist in der Mai-Ausgabe von biber. mit scharf erschienen.

"Eine Frau sollte still zuhören und sich ganz unterordnen. Ich gestatte es keiner Frau, zu lehren und sich über den Mann zu erheben. Zuerst wurde ja Adam geschaffen und dann erst Eva." Das sagte 1988 Karol Józef Wojtyla (1920-2005), von Beruf Papst und besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Johannes Paul II". Bis heute unwidersprochen spiegelt dieser unfehlbare, weil päpstliche Erguss den Kern der Frauenverachtung in der katholischen Kirche wider. Da braucht es gar keine Diskussion über Kopftuch, Burka oder Genitalverstümmelung.

Aber der Schleier ist auch bei den katholischen Christenmenschen nicht weit. Zumindest wenn es nach dem Kirchenlehrer Ambrosius von Mailand (339-397) geht: "Die Frau muss das Haupt verhüllen, weil sie nicht das Ebenbild Gottes ist." Ähnlich sieht das auch Tertullian (ca.160 - ca.220) ein Jahrhundert zuvor: "Der Frau steht nur Trauerkleidung zu. Sobald sie dem Kindesalter entwachsen ist, soll sie ihr gefahrbringendes Antlitz verhüllen."

Ein "Missgriff der Natur"

Frau, inszeniert wie Jesus am Kreuz

Lucia Bartl

Den sprichwörtlichen Vogel schießt jedoch Thomas von Aquin (1225-1274) ab. Der Kirchenlehrer und Heilige geht die Sache mit den Frauen wissenschaftlich an. Seine total "wissenschaftliche" Erklärung für die Minderwertigkeit der Frau: "Die Frau ist ein Missgriff der Natur. Mit ihrem Feuchtigkeitsüberschuss und ihrer Untertemperatur ist sie körperlich und geistig minderwertiger. Sie ist eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann." Die biologische Begründung für die Minderwertigkeit der Frauen liefert Aquin gleich mit: "Ein männlicher Fötus wird (bereits) nach vierzig Tagen, ein weiblicher (erst) nach achtzig Tagen ein Mensch. Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder feuchte Winde."

Die Liste dieses Gelabers ist lang und auch die Protestanten haben sich noch immer nicht ausreichend von ihrem großen Frauenverächter Martin Luther (1483-1546) distanziert. Für Luther sind Frauen einfach nur Gebärmaschinen für Männer und sollten sie sich auch "zu Tode tragen, das schadet nichts, lass sie nur zu Tode tragen, sie sind darum da".

Heilige Frauenfeinde

Obwohl dieser frauenfeindliche Unsinn wenigstens nicht mehr im Religionsunterricht vorgetragen wird, hängen nicht wenige erwachsene Christen den schwarzen Peter der Frauenunterdrückung allein dem Islam um. Vielleicht weil die Kleinen sonst bald fragen, wo denn im Christentum die sogenannte frohe Botschaft der Liebe und Toleranz für ihre Mütter und Schwestern zu finden ist? Es ist traurig und schrecklich, dass all diese Männer, die ich zitiere (und eine Legion mehr, die ich nicht zitiere), für die Christen als Kirchenlehrer und Heilige gelten. Man muss sich fragen, warum die christlichen Religionsgemeinschaften das "Werk" dieser Frauenhasser noch immer uneingeschränkt als Leistung würdigen?

Seit der Pharao Amenophis IV (alias Echnaton, ca. 1350-1330 v.Chr.), zusammen mit seiner Frau Nefertiti (alias Nofretete, gestorben ca. 1338 v. Chr.) den Eingottglauben (Monotheismus) erfunden hat, behalten die Männer die Deutungshoheit über die "heiligen" Bücher ausschließlich sich selbst vor. So haben sie weniger Konkurrenz um die Macht, die diese Tätigkeit und die bezahlten Ämter der Kirchen mit sich bringen. Zwar lassen die Protestanten auch Frauen an Ämter und damit an Gehälter, aber solange sie Luthers Aussagen zur Natur der Frau nicht ersatzlos aus ihrem Programm streichen, sind sie um keinen Deut besser als die Katholiken. Ein anderer Grund, die Frauen zu unterdrücken, liegt freilich direkt in der "Natur der Frau" – eben der Fähigkeit zu Gebären. Hat Mann erst Frau gut unter der Knute, kontrolliert Mann auch ihre Gebärmutter und damit die Produktion neuer Christen für Mutter Kirche.

"Das Bild der Frau im Christentum kommt vom Patriarchat - und dieses regiert auch den Rest der Welt!" So die Seelsorgerin und Pastoraltheologin Veronika Prüller-Jagenteufel im Biber-Interview: "Es behauptet sich seit Urzeiten und ist bis heute sehr erfolgreich." Für Pessimismus sei dennoch kein Platz: "Es ist schon vieles weitergegangen. Gesellschaftspolitisch wie auch innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaften, haben sich Frauen stabil vernetzt und betreiben erfolgreich eine Änderung der Verhältnisse." Warum allein Männern die Deutungshoheit der Heiligen Schrift vorbehalten bleibt, erklärt die Theologin so: "Man muss das im historischen Zusammenhang sehen. Die zwölf Apostel waren Männer, einfach weil zu Zeiten Jesu eben nur Männer als Vertreter ihrer Sippe oder des Hauses bzw. des Stammes agieren durften. Mit keinem Wort ist geschrieben, das es bis in alle Ewigkeit dabei bleiben muss!"

Sex nach Gottes Plan

Wie gelingt es den christlichen Religionsgemeinschaften, die Frauen, und damit mehr als die Hälfte ihrer Gläubigen, seit so vielen Jahrhunderten zu unterdrücken? Wie findet das groteske Frauenbild dieser gläubigen Männer seinen Weg in die Köpfe einer jeden neuen Generation? Unter anderem wohl auch mit dem Aufzwingen einer widernatürlichen Sexualmoral. Als Katholik darf man sich nur nach Gottes Plan sexuell vergnügen: um Schwangerschaft zu bewirken. Sex einfach nur zum Spaß ist Sünde, die von der Frau ausgeht, weil sie ja mit der "Erbsünde" behaftet und außerdem die "Eingangspforte des Teufels" ist! Der Teufel wohnt also ausschließlich in der Vagina!

Der andere Knüppel der Religionsgemeinschaften ist tatsächlich ein Knüppel: nackte Gewalt. Die christlichen Religionsgemeinschaften hatten eine Jahrhunderte alte Tradition, jeden, der dumme Fragen stellte oder dieses System kritisierte, mundtot zu machen. Und in manchen Köpfen lebt die Inquisition auch heute noch weiter. Zum Faschismus war es dann mitunter gar nicht mehr so weit. Es war daher kein Zufall, dass gerade der Katholizismus immer in Staaten erblühte, die von einem faschistischen, katholischen Diktator oder einer Junta regiert wurden, wobei diese Diktatoren und Junta selbstredend ausschließlich Männer waren.

Den perversen Höhepunkt der christlichen Frauenunterdrückung kennen wir alle: die Hexenprozesse. Vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit, haben die Christen hunderttausende Frauen gefoltert, vergewaltigt und lebendig verbrannt, weil sie nachts auf Besen fliegen und Teufels Werk tun. Heute haben die Christen Jesus auf jugendlich getrimmt und gehen besonders in den USA auf junge Seelen los. Komplizierte Fragen wie Frauenrechte werden nicht gestellt. Stattdessen wird gebetet und Cumbaya gerappt. Realsatire: Es wird ausgerechnet von einem österreichischen Kirchenvertreter das jungfräuliche Waisenkind Harry Potter bezichtigt, Aberglaube und Teufels Werk zu verbreiten.

Jesus der Frauenversteher

Ironischerweise gilt Jesus (wie Mohammed) unter Theologen und Historikern doch tatsächlich als Frauenbefreier. Jesus (wie Mohammed) befreite die Frauen in seinem Kulturkreis von der Knechtschaft des Alten Testaments, worin sie gerade einmal ein wenig mehr als tumbe Sklavinnen sind. Freilich gesteht Jesus (wie Mohammed) den Frauen nichts ein, was sie damals nicht ohnehin schon an Rechten hatten - allerdings im römischen Bürgertum und davor in der griechischen Antike. In Israel leben bis heute rund 500.000 ultraorthodoxe Juden nach dem Schema des Alten Testaments. Ihre Kinder lernen nur Lesen, Schreiben und die vier Grundrechenarten. Der Rest steht ja im Alten Testament und dessen Studium widmen die Männer ihr ganzes Leben, während die Frauen arbeiten und den Haushalt erhalten, sprich: alles andere machen müssen. Von Jesus wollen diese heiligen Männer allerdings nichts wissen. Genau so wenig wie von Frauenrechten als Menschenrechten.