Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Teufel trägt eben doch Prada"

Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

4. 5. 2010 - 15:25

Der Teufel trägt eben doch Prada

Philipp Tingler legt mit "Doktor Phil" einen modernen Faust-Roman vor, in dem der Teufel in der Gestalt von Adorno und Meryl Streep auftritt. Und er mag Käsebällchen.

Philipp Tingler: Doktor Phil

Kein & Aber

Philipp Tingler: "Doktor Phil" ist 2010 bei Kein & Aber erschienen.

Der erfolgreiche Schriftsteller und Lebemann Oskar Canow hat eigentlich keinen Grund sich zu beklagen. Er lebt in Zürich, ist glücklich verheiratet und seine Bücher verkaufen sich bestens. In der Züricher High Society ist er ein gern gesehener Gast auf wichtigen Parties. Hinzu kommt, dass er dem Rummel um seine Person mit einer gehörigen Portion Ironie und Sarkasmus begegnet. Oskar Canow ist einer, der auf der Suche nach Ästhetik, nach wahrer Größe und Anmut ist, und daher dem zumeist oberflächlichen gesellschaftlichen Parkett nur mit Spott begegnen kann.

Als es eines Nachts an seiner Tür läutet, rappelt sich Oskar Canow nach einem weiteren Tag voller öder Interviews und Fotoshootings aus seinem Sessel, um zu öffnen. Er staunt nicht schlecht, als der italienische Modeschöpfer Roberto Cavalli vor ihm steht und behauptet, er sei der leibhaftige Teufel.

Oskar folgt seiner amüsierten Natur und lässt Satan herein. Da er kein unhöflicher Gastgeber sein will, bittet er ihm das an, was gerade da ist: eine Tüte Käsebällchen, die Lieblingsspeise von Eric Cartman. Der Fürst der Finsternis stopft sich das zierliche Backwerk unmanierlich in den breiten Mund, während im Hintergrund "Like A Virgin" läuft. Aber der Teufel, der etwas an Bonos MacPhisto erinnert, kommt natürlich nicht wegen der Knabberei. Er möchte Oskar einen diabolischen Pakt anbieten.

Bono Vox als MacPhisto

Anton Corbijn

"Real devils don´t wear horns" - Bono Vox als MacPhisto

Final Destination

Der Teufel verspricht dem Schriftsteller ein Leben ohne Missmut und große Sorgen. Oskar könne, ohne je von seinem öden Umfeld gestört zu werden, an seinen Romanen, Essays und Gedichten über Ästhetik und Schönheit schreiben. Ab und zu gäbe es vielleicht einen kleinen Aufreger, aber alles in gesundem Maße: Das natürliche Ärgernis als Inspirationsquelle für seine Texte. Er bietet dem Autor ein Leben an, in dem Sarkasmus und Ironie keine Abwehrreaktion auf das Äußere sind, sondern ästhetisches Potential für die Kunst darstellen. Hochphilosophisch also und für einen Mann wie Oskar daher mehr als verlockend. Im Gegenzug will der Teufel nicht etwa Oskars Seele, wie zu vermuten wäre. Nein, er will ihm lediglich mitteilen, an welchem genauen Tag Oskar sterben wird.

Oskar nimmt den Deal auf Probe an, ein kulantes Angebot also. Bis aus dem Spaß naturgemäß bitterer Ernst wird. Als Oskar nämlich von einem eifersüchtigen und erfolglosen Kollegen des Plagiats bezichtigt wird, wird dieser am nächsten Tag tot aufgefunden. Ohne Kopf.

Seinfeld vs. Adorno

Jerry Seinfeld

NBC

Oskar Canow

"Doktor Phil" von Philipp Tingler ist eine moderne Faust-Adaption, die im Züricher Gesellschaftsleben spielt. Tingler, der selbst in Zürich lebt, ist bekannt für seine ironischen und bissigen Romane über die High Society und den Literaturbetrieb. Er ist übrigens auch Doktor der Germanistik, promoviert hat Tingler zum Werk Thomas Manns, der ja selbst auch einen "Doktor Faustus" (1947) vorgelegt hat.

Die Figur von Oskar Canow ist also durchaus an Tingler angelehnt, die Schilderung im Roman erinnert aber vielmehr an Jerry Seinfeld. Wie Seinfeld geht es Oskar eigentlich ganz gut. Den Mitmenschen begegnet er mit einer gesunden Portion Ironie und die gesellschaftlichen Konventionen der modernen Gesellschaft sind für ihn lediglich ein großer Witz. Hinzu kommt, dass ab und zu das Insidern bekannte "Yada Yada Yada" fällt.

Der Leibhaftige ist ein idealer Konterpart. Mit spitzer Zunge will er den modernen Faustus verführen und tritt dazu in den wohl passendsten Gestalten auf. Der Modeschöpfer Roberto Cavalli ist nur eine Hülle, in die er schlüpft. Satan nimmt außerdem die Gestalt von Theodor W. Adorno an, der selbst immer gern mal gegen die Populärmusik gewettert hat. Aber auch in weiblicher Gestalt tritt der Fürst der Finsternis auf: Hier natürlich als Meryl Streep.

Theodor W. Adorno

Theodor W. Adorno

Die Augen des Teufels I: Theodor W. Adorno
Meryl Streep

Fox

Die Augen des Teufels II: Meryl Streep

Philipp Tingler ist mit "Doktor Phil" ein witziger und rasanter Roman gelungen, der durch pointierte Wortgefechte glänzt. Trotz seiner modernen Rahmenhandlung mit populärkulturellen Referenzen zu Seinfeld, Sex and the City und MacPhisto, ist die Binnenhandlung an den Ur-Faust angelegt. Die Suche nach purer Ästhetik dürfte jedoch nicht für jeden Anreiz genug sein, sein Sterbedatum erfahren zu wollen. Aber auf jeden Fall haben wir gelernt: Der Teufel trägt eben doch Prada.