Erstellt am: 2. 5. 2010 - 16:20 Uhr
Donaufestival: The time is right to fight?
Wir alle haben wirkliche Revolutionen noch im Hinterkopf die verheerend gescheitert sind und viel Leid über die Menschen gebracht haben und nun traut sich kaum noch jemand zu sagen "Ich wüsste es! So müssen wir es machen. Es muss sich alles ändern."
Donaufestival
Und gleichzeitig ist die Gesellschaft auch so, dass sie kaum noch etwas zulässt. Jegliche Form von Aufbegehren, von Subversion wird sofort ins Marketing aufgenommen und verharmlost. Es darf jeder revoltieren, aber in einem abgesteckten Bereich wo es harmlos ist.
Mit der notwendigen Selbstreflexion und Ironie erzählt Donaufestival-Kurator Thomas Zierhofer-Kin über das diesjährige Motto des Kunstfestival das mit mindestens einem Bein tief in der Sub- und Popkultur steht.
Und so wird also der Tag der Arbeit am abgesteckten Bereich des Donaufestival mit einer Auftragsarbeit vom Berliner Riotisten Alec Empire gefeiert.
Kids Are United
Tag 4 beim Donauinselfestival:
Jimmy Edgar, These New Puritans und Akufen im Artikel von Philipp L´Heritier.
Vor 11 Jahren am 1. Mai 1999 zieht ein Demo-Truck durch Berlin-Kreuzberg. Am Lastwagen oben stehen die blutjungen Atari Teenage Riot und protestieren mit Antifa-Leuten gegen die deutsche Beteiligung am NATO-Angriff auf den Kosovo. Der Tag endet für Atari Teenage Riot im Gefängnis. Wegen Volksverhetzung.
Atari Teenage Riot
Gemeinsam mit seiner treuen Lärmjazzerin Nic Endo, dem New Yorker Cyber-Rapper CX Kidtronik und der Punklegende The Ex soll Empire seinen Mai-Auftritt von einst als Reenactment inszenieren. Hört die Signale heißt das Ding. Was das wirklich werden soll, ist mir auch nach dem Interview mit Herrn Empire nur bedingt klar. Aber er verspricht zu versuchen "das lauteste Noise-Konzert ever" aufzuführen. Natürlich unmöglich, weil das hat er wohl schon getan. Aber eine gute mentale Ausgangsposition.
Sing the song of freedom to hate!
Bevor Alec Empire seinen Noisemaibaum aufstellt, lässt man noch den 1948 in Pennsylvania geborenen Avantgarde-Komponisten Glenn Branca seine E-Musik-Revolution aufführen. Glenn Branca ist dafür berühmt für E-Gitarren-Ensembles Symphonien zu komponieren. Live stellt sich das dann so dar, dass ernste E-Gitarristen vom Blatt spielen und Glenn Branca dirigiert. Das erzeugt um so länger man sich diesem dicken Sturm aussetzt, einen fast beruhigenden Sog wie man es von Drone-Bands kennt. Nur lässt Branca seine Gitarren nicht ausufern, sondern mathematisch strukturiert spielen und das Schlagzeug spuckt nahezu Blastbeats aus. Das ist wohl ernst gespielter Black Metal von und für Erwachsene.
florian schulte/donaufestival
Dann The Ex, unbeugsame linksradikale Kämpfer aus Amsterdam. Der 1. Mai ist quasi ihr Geburtstag. Seit 30 Jahren unterwegs, immer interessiert ihre Punkwelt mit Input zu bereichern. Noise, Jazz, Weltmusik. Die lebende failed Revolution. Großer Respekt, allein schon für ihre Beharrlichkeit.
florian schulte/donaufestival
Revolution Action
Und dann reuniert Alec Empire Atari Teenage Riot.
Zuerstmal spielt Empire mit Nic Endo ein kurzes Alec Empire-Greatest Hits-Set. Das wäre nicht nötig gewesen, gemessen an dem was dann noch kommen sollte. Aber aus Gründen von Dramaturgie und Strategie nicht unklug gelöst. Leider haben in der Zwischenzeit die These New Puritans in der kleinen Halle schon eine Menge Leute erschöpft vom Gelände gespielt, und so startet der Riot vor einer nur bedingt großen Menge.
florian schulte/donaufestival
Ein Strobogewitter bricht an, das Atari Teenage Riot-Logo strahlt auf uns herab und dann geht es mit der neuen ATR-Single Activate los. Dann Destroy 2000 Years Of Culture und all dieses herrliche ungestüme Neunzigergefühl.
Hanin Elias, die sich mit Alec Empire ausgesöhnt hat, hat es nicht nach Krems geschafft, also legt sich Nic Endo doppelt ins Zeug, Alec Empire ist Alec Empire und CX Kidtronik ist kein Ersatz für den 2001 verstorbenen Atari-Rapper Carl Crack, sondern mit seinen eigenen Raps zu den alten Liedern, ein modernes Update das es ATR ermöglicht nun auch im neuen Jahrtausend wieder mitzuspielen.
Ich habe das sehr genossen und mir ist wieder eingefallen warum ich ATR früher so mochte. Dieser Homunculus aus Techno, Noise, HipHop und Punk wird niemals seines Gleichen finden.
florian schulte/donaufestival
Nun hat der Empire ja mehr oder weniger die Aufgabe zu einem 1. Mai-Umzug, zu einem Krawall bekommen. Das löst er in dem er brüllend durchs Publikum marschiert, während mir die permanente Strobopenetration die Kontaktlinsen gefährdet. Empire schreit und schwitzt aus allen Öffnungen, CX Kidtronik und Nic Endo drehen an ihren Maschinen und schreien mit und dann kommen noch The Ex auf die Bühne und werfen ihre Feedbackgitarren an. Wir gehen in einem oszillierenden System auf und genießen den Rausch.
Tag der Arbeit, Hört die Signale, Solidarität - altes nostalgisches Brauchtum wie Perchtenläufe. Und eine sehr liebevolle Atmosphäre gestern und hehre Absichten.