Erstellt am: 1. 5. 2010 - 02:05 Uhr
Knabbern und Trinken
Sitzen im Zug nach Hause, den Gorillaz-Gig im Roundhouse zu Camden noch in den Ohren.
Ich muss schon sagen, ich bin durchaus neidisch auf meinen Nachwuchs. Ich wär auch gern mit elf zu einem Gig gegangen, der automatisch legendäre Enkel-von-den-Socken-hau-Qualitäten hat.
Aber Opa, du warst doch im 20. Jahrhundert noch kaum am Leben! "Mag sein", wird er sagen, "aber 2010 hab ich trotzdem Paul Simonon und Mick Jones von The Clash gemeinsam auf der Bühne stehen gesehen. Mit dem Typen von Blur. Und De La Soul. Und Bobby Womack, Mos Def, Sean Ryder. Und dem Lebanese National Orchestra for Arabic Music." Kein Scheiß? "Kein Scheiß."
Aber das ist schon alles richtig so, er ist schließlich die Zielgruppe. Für uns gab's einst gerade einmal didaktischen Kinderrock von Floh de Cologne, die Lehrer schlugen uns mit Tafelfetzen voller kaltem Kreideschleim, wir schliefen im Winter bei offenem Fenster und wischten uns in der Früh den Raureif von den Näschen. Wieso soll es meinem Sohn nicht besser gehen?
Aber weiß er das auch?
Fragen wir ihn einfach:

Robert Rotifer
Wie war der Gig für dich?
"Sehr super. Ich glaub ich werd mich für den Rest meines Lebens daran erinnern. So wie an dieses T-Shirt."
Welche Projektionen haben dich besonders beeindruckt?
"Alle. Sie waren gut gemacht."
Hast du sie zum Teil nicht ein bisschen gruselig gefunden?
"Ja, ein paar Sachen schon. Besonders das mit der Windmühle. Die Szenen mit den Helikoptern waren sehr erschreckend." (Anm.: El Mañana, Noodles wird von Hubschraubern von ihrer fliegenden Insel gebombt)
Und die Kriegsbilder? (Cloud of Unknowing, historische Aufnahmen abstürzender Kampflugzeuge)
"Auch."

Robert Rotifer
Was war mit dem Video zu "Stylo"? Das hat dich verstört, oder?
"Yeah but it was still quite cool."
Hast du mehr auf die Band geschaut oder auf die Leinwand?
"Ein bisschen von beidem. Die Bläser und die Streicher, sowas sieht man nicht sehr oft. Da waren Cellos und Geigen und ein Kontrabass. Bei den Bläsern waren Trompeten, Posaunen und eine Tuba dabei."
Die Tuba hat coole Basslines gespielt.
"Ich bin immer noch ganz benommen und kann's nicht wirklich beschreiben. Es ist was Neues für mich."
Damon, der Sänger, hat mir einmal gesagt, dass er sehr stolz darauf ist, dass Kinder Gorillaz mögen. Fandest du das Konzert für Kinder geeignet?
"Für die über zehn, aber die unter zehn würden vielleicht ein bisschen Angst haben."

Robert Rotifer
Du bist ja sprichwörtlich mit den Gorillaz aufgewachsen. Die erste hast du als Ein- oder zweijähriger besonders geliebt. Hast du heute was von den älteren Liedern wiedererkannt?
"Nein, weil ich sie lange Zeit nicht gehört hab. Glaubst du, der Gitarrist und der Bassist können sich jetzt wieder versöhnen?" (Anm. Clash-Bassist und -Gitarrist Paul Simonon und Mick Jones, die in dieser Gorillaz-Inkarnation zum ersten Mal seit 1983 gemeinsam auf der Bühne stehen)
Es sieht so aus. Aber leider ist ja der Sänger von The Clash inzwischen gestorben. Ich finde übrigens, dass sie heute beide für ihr Alter sehr fit ausgesehen haben.
"Ja. Weil sie mit Gitarre und Bass herumgetanzt sind."
Wenn du den Sänger ansiehst, ist der für dich sowas wie der echte 2D?
"Der... (deutet dicken Bauch an) ...mit den Sonnenbrillen."
Das ist Sean Ryder von den Happy Mondays.

EMI
"Ach, du meinst den anderen. Nein, 2D hat diesen Touch, der ihn zu einer nicht-echten Person macht. It's like the real world but with a small twist."
Hat dich enttäuscht, dass es keine 3D-Animationen gab?
"Nicht wirklich, weil das wär ein bisschen überexzessiv gewesen. Und sehr teuer."
Aber die haben auch so nicht gespart. Die vielen Bühnengäste können nicht billig gewesen sein. Ich glaub da kommt noch eine dicke fette Live-DVD nach.
"Ja, das glaub ich auch. Aber sie würde über zwei Stunden dauern."

EMI
War's denn zu lang?
"Nein. Wenn man sitzen kann und ein bisschen zum Knabbern und Trinken dabei hat."
Hatten wir, keine Sorge.
Für meinen Teil konnte ich jedenfalls nicht übersehen, dass der gute Damon mit dieser zusammengewürfelten Besetzung noch eine Stufe mehr oder zumindest kindlicheren Spaß zu haben scheint als mit seiner alten Band.
Wie immer er seine offene Spielgruppe auch zu nennen belieben sollte, wenn Jamie Hewlett die Gorillaz einmal endgültig nicht mehr zeichnen will.

EMI